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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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Ideal eines Schafs, als dasjenige wodurch man Grund
und Boden am höchsten nutzen kann, ansieht.

Aber war denn dies wirklich ein Irrthum, giebt es
hierin etwas absolut Vollkommenes, gibt es eine Wolle die
für alle Zeiten die gesuchteste seyn wird, und von der man
sagen kann, daß die Schafe, die diese Wolle tragen, stets
die einträglichsten seyn werden; oder ist ein solches Ideal mit
dem Fortschreiten der Schafzucht dem Wechsel unterworfen?

Das reichwollige Infantadoschaf trägt eben so viele
Wolle, als das Landschaf mit grober Wolle. Der Ueber-
gang von diesem zu jenem, oder die Veredlung des Land-
schafs bis zum Grade der Feinheit des Infantadoschafs ist
also mit keiner Verminderung der Wollschur verbunden,
und bezahlt sich hoch durch den steigenden Werth der
Wolle.

Nun ist es aber wohl schon allgemein anerkannt, daß
die höchste Feinheit der Wolle nicht mit dem höchsten
Wollreichthum verträglich ist, daß von einem gewissen
Punkt an, die höhere Feinheit nur auf Kosten des Woll-
ertrags erreicht werden kann.

War nun vor einigen Jahren der Preis der feinen
Wolle, wie das Infantadoschaf sie trägt, 1 Thlr. pr. Pfund
und trug dieses Schaf 3 Lb Wolle, so brachte jedes Schaf
durch seine Wolle 3 Thlr. ein; gab dagegen das Elekto-
ralschaf 13/4 Lb Wolle a 11/2 Thlr., so war der Werth
des Vließes 2 5/8 Thlr., also 3/8 Thlr. weniger als beim
Infantadoschaf; und man hatte also recht, das Infantado-
schaf dem Elektoralschaf vorzuziehen.

Nun ist aber grade aus der Ursache, daß es vortheil-
hafter war, feine Wolle als hochfeine Wolle zu erzeugen,
und dann auch weil durch die bloße Veredlung der Land-
schafe schon jene aber nicht diese Wolle in beträchtlicher
Menge hervorgebracht ist, die Produktion der feinen Wolle
so stark geworden, daß der Markt reichlich damit versehen

Ideal eines Schafs, als dasjenige wodurch man Grund
und Boden am hoͤchſten nutzen kann, anſieht.

Aber war denn dies wirklich ein Irrthum, giebt es
hierin etwas abſolut Vollkommenes, gibt es eine Wolle die
fuͤr alle Zeiten die geſuchteſte ſeyn wird, und von der man
ſagen kann, daß die Schafe, die dieſe Wolle tragen, ſtets
die eintraͤglichſten ſeyn werden; oder iſt ein ſolches Ideal mit
dem Fortſchreiten der Schafzucht dem Wechſel unterworfen?

Das reichwollige Infantadoſchaf traͤgt eben ſo viele
Wolle, als das Landſchaf mit grober Wolle. Der Ueber-
gang von dieſem zu jenem, oder die Veredlung des Land-
ſchafs bis zum Grade der Feinheit des Infantadoſchafs iſt
alſo mit keiner Verminderung der Wollſchur verbunden,
und bezahlt ſich hoch durch den ſteigenden Werth der
Wolle.

Nun iſt es aber wohl ſchon allgemein anerkannt, daß
die hoͤchſte Feinheit der Wolle nicht mit dem hoͤchſten
Wollreichthum vertraͤglich iſt, daß von einem gewiſſen
Punkt an, die hoͤhere Feinheit nur auf Koſten des Woll-
ertrags erreicht werden kann.

War nun vor einigen Jahren der Preis der feinen
Wolle, wie das Infantadoſchaf ſie traͤgt, 1 Thlr. pr. Pfund
und trug dieſes Schaf 3 ℔ Wolle, ſo brachte jedes Schaf
durch ſeine Wolle 3 Thlr. ein; gab dagegen das Elekto-
ralſchaf 1¾ ℔ Wolle à 1½ Thlr., ſo war der Werth
des Vließes 2⅝ Thlr., alſo ⅜ Thlr. weniger als beim
Infantadoſchaf; und man hatte alſo recht, das Infantado-
ſchaf dem Elektoralſchaf vorzuziehen.

Nun iſt aber grade aus der Urſache, daß es vortheil-
hafter war, feine Wolle als hochfeine Wolle zu erzeugen,
und dann auch weil durch die bloße Veredlung der Land-
ſchafe ſchon jene aber nicht dieſe Wolle in betraͤchtlicher
Menge hervorgebracht iſt, die Produktion der feinen Wolle
ſo ſtark geworden, daß der Markt reichlich damit verſehen

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[223/0237] Ideal eines Schafs, als dasjenige wodurch man Grund und Boden am hoͤchſten nutzen kann, anſieht. Aber war denn dies wirklich ein Irrthum, giebt es hierin etwas abſolut Vollkommenes, gibt es eine Wolle die fuͤr alle Zeiten die geſuchteſte ſeyn wird, und von der man ſagen kann, daß die Schafe, die dieſe Wolle tragen, ſtets die eintraͤglichſten ſeyn werden; oder iſt ein ſolches Ideal mit dem Fortſchreiten der Schafzucht dem Wechſel unterworfen? Das reichwollige Infantadoſchaf traͤgt eben ſo viele Wolle, als das Landſchaf mit grober Wolle. Der Ueber- gang von dieſem zu jenem, oder die Veredlung des Land- ſchafs bis zum Grade der Feinheit des Infantadoſchafs iſt alſo mit keiner Verminderung der Wollſchur verbunden, und bezahlt ſich hoch durch den ſteigenden Werth der Wolle. Nun iſt es aber wohl ſchon allgemein anerkannt, daß die hoͤchſte Feinheit der Wolle nicht mit dem hoͤchſten Wollreichthum vertraͤglich iſt, daß von einem gewiſſen Punkt an, die hoͤhere Feinheit nur auf Koſten des Woll- ertrags erreicht werden kann. War nun vor einigen Jahren der Preis der feinen Wolle, wie das Infantadoſchaf ſie traͤgt, 1 Thlr. pr. Pfund und trug dieſes Schaf 3 ℔ Wolle, ſo brachte jedes Schaf durch ſeine Wolle 3 Thlr. ein; gab dagegen das Elekto- ralſchaf 1¾ ℔ Wolle à 1½ Thlr., ſo war der Werth des Vließes 2⅝ Thlr., alſo ⅜ Thlr. weniger als beim Infantadoſchaf; und man hatte alſo recht, das Infantado- ſchaf dem Elektoralſchaf vorzuziehen. Nun iſt aber grade aus der Urſache, daß es vortheil- hafter war, feine Wolle als hochfeine Wolle zu erzeugen, und dann auch weil durch die bloße Veredlung der Land- ſchafe ſchon jene aber nicht dieſe Wolle in betraͤchtlicher Menge hervorgebracht iſt, die Produktion der feinen Wolle ſo ſtark geworden, daß der Markt reichlich damit verſehen

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/237>, abgerufen am 02.05.2024.