Der grosse Gedanke, der sonst die deutschen Dichter erhitzt, daß sie die Freuden des Tags und die Erquickung der Nacht; daß sie die Peiniger der menschlichen Natur, Hun- ger und Durst, und die größern Quaalen der Dichter, den Spott der Satyre und die Faust des Kunstrichters verachten -- Dieser gros- se Gedanke: Einst wird die Nachwelt mich lesen -- hat keinen Antheil an mei- nen Gesängen. Dein belohnendes Lächeln allein, comische Muse! reizet mich an, diesen neuen Sieg der Liebe zu singen; und will ja die Göttinn des Ruhms der süssen Bemü- hung des Dichters noch eine Belohnung hin- zu thun, so sey es der theure Beyfall meiner Caroline! Sie lese dieß Lied, das ich, ent- fernt von Jhr, aus Einsamkeit sang, mei- nen Geist zu ermuntern! Jhr harmonisches Herz schwell auf; Unwillig über den Einfluß des glücklichen Dichters, in ihr jugendlich wallendes Blut, verschlucke Sie dann eine
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Der groſſe Gedanke, der ſonſt die deutſchen Dichter erhitzt, daß ſie die Freuden des Tags und die Erquickung der Nacht; daß ſie die Peiniger der menſchlichen Natur, Hun- ger und Durſt, und die groͤßern Quaalen der Dichter, den Spott der Satyre und die Fauſt des Kunſtrichters verachten — Dieſer groſ- ſe Gedanke: Einſt wird die Nachwelt mich leſen — hat keinen Antheil an mei- nen Geſaͤngen. Dein belohnendes Laͤcheln allein, comiſche Muſe! reizet mich an, dieſen neuen Sieg der Liebe zu ſingen; und will ja die Goͤttinn des Ruhms der ſuͤſſen Bemuͤ- hung des Dichters noch eine Belohnung hin- zu thun, ſo ſey es der theure Beyfall meiner Caroline! Sie leſe dieß Lied, das ich, ent- fernt von Jhr, aus Einſamkeit ſang, mei- nen Geiſt zu ermuntern! Jhr harmoniſches Herz ſchwell auf; Unwillig uͤber den Einfluß des gluͤcklichen Dichters, in ihr jugendlich wallendes Blut, verſchlucke Sie dann eine
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Der groſſe Gedanke, der ſonſt die deutſchen
Dichter erhitzt, daß ſie die Freuden des Tags
und die Erquickung der Nacht; daß ſie
die Peiniger der menſchlichen Natur, Hun-
ger und Durſt, und die groͤßern Quaalen der
Dichter, den Spott der Satyre und die Fauſt
des Kunſtrichters verachten — Dieſer groſ-
ſe Gedanke: Einſt wird die Nachwelt
mich leſen — hat keinen Antheil an mei-
nen Geſaͤngen. Dein belohnendes Laͤcheln
allein, comiſche Muſe! reizet mich an, dieſen
neuen Sieg der Liebe zu ſingen; und will ja
die Goͤttinn des Ruhms der ſuͤſſen Bemuͤ-
hung des Dichters noch eine Belohnung hin-
zu thun, ſo ſey es der theure Beyfall meiner
Caroline! Sie leſe dieß Lied, das ich, ent-
fernt von Jhr, aus Einſamkeit ſang, mei-
nen Geiſt zu ermuntern! Jhr harmoniſches
Herz ſchwell auf; Unwillig uͤber den Einfluß
des gluͤcklichen Dichters, in ihr jugendlich
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/8>, abgerufen am 31.07.2024.
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