thische Schloß des Grafen. Der zeitige Schlaf, und ein süßer Traum von einem Capaune mit Austern, beherrschte schon den alten Gerichtsherrn, und es schliefen auch schon seine alten Bediente, ob es gleich erst Neune geschlagen. Des ankommenden Fremdlings ehrwürdige Krause flößte dem Wächter des Hofs die schuldige Achtung ein, daß er ihn, nachdem er sein Ver- langen erforscht, bis an die Stube der jungen Gräfinn begleitete. Mit ihrer ver- trauten Zofe, Sibylle genannt, saß die muntere Comtesse, den einen ihrer niedli- chen Aerme auf ihrer verschobenen Toilet- te gelehnt, und in der andern hielt sie ei- nen vergoldeten zärtlichen Brief, den sie erst itzt an den Hofmarschall, ihren Ge- liebten, geschrieben. Sie las ihn mit ge- dämpfter Stimme ihrer critischen Freun- dinn vor, die aufmerksam zuzuhören schien, und unmerklich nur gähnte. Aber wer
kann
thiſche Schloß des Grafen. Der zeitige Schlaf, und ein ſuͤßer Traum von einem Capaune mit Auſtern, beherrſchte ſchon den alten Gerichtsherrn, und es ſchliefen auch ſchon ſeine alten Bediente, ob es gleich erſt Neune geſchlagen. Des ankommenden Fremdlings ehrwuͤrdige Krauſe floͤßte dem Waͤchter des Hofs die ſchuldige Achtung ein, daß er ihn, nachdem er ſein Ver- langen erforſcht, bis an die Stube der jungen Graͤfinn begleitete. Mit ihrer ver- trauten Zofe, Sibylle genannt, ſaß die muntere Comteſſe, den einen ihrer niedli- chen Aerme auf ihrer verſchobenen Toilet- te gelehnt, und in der andern hielt ſie ei- nen vergoldeten zaͤrtlichen Brief, den ſie erſt itzt an den Hofmarſchall, ihren Ge- liebten, geſchrieben. Sie las ihn mit ge- daͤmpfter Stimme ihrer critiſchen Freun- dinn vor, die aufmerkſam zuzuhoͤren ſchien, und unmerklich nur gaͤhnte. Aber wer
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[54/0058]
thiſche Schloß des Grafen. Der zeitige
Schlaf, und ein ſuͤßer Traum von einem
Capaune mit Auſtern, beherrſchte ſchon den
alten Gerichtsherrn, und es ſchliefen auch
ſchon ſeine alten Bediente, ob es gleich
erſt Neune geſchlagen. Des ankommenden
Fremdlings ehrwuͤrdige Krauſe floͤßte dem
Waͤchter des Hofs die ſchuldige Achtung
ein, daß er ihn, nachdem er ſein Ver-
langen erforſcht, bis an die Stube der
jungen Graͤfinn begleitete. Mit ihrer ver-
trauten Zofe, Sibylle genannt, ſaß die
muntere Comteſſe, den einen ihrer niedli-
chen Aerme auf ihrer verſchobenen Toilet-
te gelehnt, und in der andern hielt ſie ei-
nen vergoldeten zaͤrtlichen Brief, den ſie
erſt itzt an den Hofmarſchall, ihren Ge-
liebten, geſchrieben. Sie las ihn mit ge-
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/58>, abgerufen am 08.07.2024.
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