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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Seite setzen müsse. Denn, wie bekannt, so stehen viele von den Theologis unserer Kirchen in der Meynung, daß man noch heut zu Tag die Religions-Streitigkeiten eben so hefftig und hitzig tractiren müsse, als zu den Zeiten Lutheri, und auch nach dessen Tod fast ein gantz Seculum geschehen, da die Evangelische Religion nicht allein die eyfrigste Contradictiones von der Römischen Kirchen, sondern auch die gröste Leib und Lebens-Gefahr und den fast vermeidlichen Zwang zum Rückfall zu besorgen hatte. Alleine nachdem durch den bekannten Friedens-Schluß im vorigen Seculo alle diese Momenta und Motiva Formalia gehoben, so werden moderate Theologi unserer Kirche nicht finden, wie man weiter Ursach haben solte mit solchen hefftigen Invectiven und höchst erbitterten und vergälleten Expressionen wider die Römisch-Catholische Kirche (die man vielmehr mit Sanfftmuth und Bescheidenheit an sich zu ziehen billig nachsinnen müste) zu verfahren, absonderlich da, wie hernach erwiesen werden soll, weder die itzig Römisch-Catholische Kirche das Apocalyptische Babel, noch der Pabst ein Anti-Christ weiter kan genennet werden. Dannenhero auch wohl zu wünschen gewesen wäre, daß bey oberwehnten damahligen Friedens-Schluß die hefftigsten Expressiones, so in unsern Libris Symbolicis enthalten, (und auf welche Expressiones, nicht aber allein auf die Lehren, viel von unsern Theologis geschworen zu haben ihnen einbilden) einiger massen mit Vorwissen der Evangelischen Theologorum zum Theil wären corrigiret worden. Solche obbenahmte Theologi, wie sie jetzo beschrieben, sind bey der Antwort auf diese Frage gar zu hitzig, und gewiß hitziger, als Lutherus selbst seyn würde, so er jetzo noch im Leben wäre. Die andere Art derer Theologorum, so diesen entgegen gesetzet werden, sind gar zu gelinde und weich, halten die Combinationes der Religionen, ja gar den Transitum von einer Religion zur andern, so gar leicht und geringe, daß man fast daraus schliessen möchte, daß solches aus Menschlicher Furcht oder aus Respect und Absehen auf Gnade und Huld der Hohen in der Welt lediglich geschehe. Man hat ja das klare göttliche Wort vor Augen, und siehet ein jedweder, der nicht gar blind seyn will, was nach dem Buchstaben desselben vor ein Unterscheid sey unter allen, auch in specie unter denen im Römischen Reich verstatteten 3. Religionen. Dahero ich der Meynung bin, daß man in Beantwortung der Frage media via gehen müsse, und daß man in allem nach besten Wissen und Gewissen verfahre, und dabey so wenig auf Menschen-Gunst sehe, als mehr man dabey GOtt anzuruffen hat: Erhalte unser Hertz bey dem einigen, daß wir deinen

Seite setzen müsse. Denn, wie bekannt, so stehen viele von den Theologis unserer Kirchen in der Meynung, daß man noch heut zu Tag die Religions-Streitigkeiten eben so hefftig und hitzig tractiren müsse, als zu den Zeiten Lutheri, und auch nach dessen Tod fast ein gantz Seculum geschehen, da die Evangelische Religion nicht allein die eyfrigste Contradictiones von der Römischen Kirchen, sondern auch die gröste Leib und Lebens-Gefahr und den fast vermeidlichen Zwang zum Rückfall zu besorgen hatte. Alleine nachdem durch den bekannten Friedens-Schluß im vorigen Seculo alle diese Momenta und Motiva Formalia gehoben, so werden moderate Theologi unserer Kirche nicht finden, wie man weiter Ursach haben solte mit solchen hefftigen Invectiven und höchst erbitterten und vergälleten Expressionen wider die Römisch-Catholische Kirche (die man vielmehr mit Sanfftmuth und Bescheidenheit an sich zu ziehen billig nachsinnen müste) zu verfahren, absonderlich da, wie hernach erwiesen werden soll, weder die itzig Römisch-Catholische Kirche das Apocalyptische Babel, noch der Pabst ein Anti-Christ weiter kan genennet werden. Dannenhero auch wohl zu wünschen gewesen wäre, daß bey oberwehnten damahligen Friedens-Schluß die hefftigsten Expressiones, so in unsern Libris Symbolicis enthalten, (und auf welche Expressiones, nicht aber allein auf die Lehren, viel von unsern Theologis geschworen zu haben ihnen einbilden) einiger massen mit Vorwissen der Evangelischen Theologorum zum Theil wären corrigiret worden. Solche obbenahmte Theologi, wie sie jetzo beschrieben, sind bey der Antwort auf diese Frage gar zu hitzig, und gewiß hitziger, als Lutherus selbst seyn würde, so er jetzo noch im Leben wäre. Die andere Art derer Theologorum, so diesen entgegen gesetzet werden, sind gar zu gelinde und weich, halten die Combinationes der Religionen, ja gar den Transitum von einer Religion zur andern, so gar leicht und geringe, daß man fast daraus schliessen möchte, daß solches aus Menschlicher Furcht oder aus Respect und Absehen auf Gnade und Huld der Hohen in der Welt lediglich geschehe. Man hat ja das klare göttliche Wort vor Augen, und siehet ein jedweder, der nicht gar blind seyn will, was nach dem Buchstaben desselben vor ein Unterscheid sey unter allen, auch in specie unter denen im Römischen Reich verstatteten 3. Religionen. Dahero ich der Meynung bin, daß man in Beantwortung der Frage mediâ viâ gehen müsse, und daß man in allem nach besten Wissen und Gewissen verfahre, und dabey so wenig auf Menschen-Gunst sehe, als mehr man dabey GOtt anzuruffen hat: Erhalte unser Hertz bey dem einigen, daß wir deinen

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[62/0070] Seite setzen müsse. Denn, wie bekannt, so stehen viele von den Theologis unserer Kirchen in der Meynung, daß man noch heut zu Tag die Religions-Streitigkeiten eben so hefftig und hitzig tractiren müsse, als zu den Zeiten Lutheri, und auch nach dessen Tod fast ein gantz Seculum geschehen, da die Evangelische Religion nicht allein die eyfrigste Contradictiones von der Römischen Kirchen, sondern auch die gröste Leib und Lebens-Gefahr und den fast vermeidlichen Zwang zum Rückfall zu besorgen hatte. Alleine nachdem durch den bekannten Friedens-Schluß im vorigen Seculo alle diese Momenta und Motiva Formalia gehoben, so werden moderate Theologi unserer Kirche nicht finden, wie man weiter Ursach haben solte mit solchen hefftigen Invectiven und höchst erbitterten und vergälleten Expressionen wider die Römisch-Catholische Kirche (die man vielmehr mit Sanfftmuth und Bescheidenheit an sich zu ziehen billig nachsinnen müste) zu verfahren, absonderlich da, wie hernach erwiesen werden soll, weder die itzig Römisch-Catholische Kirche das Apocalyptische Babel, noch der Pabst ein Anti-Christ weiter kan genennet werden. Dannenhero auch wohl zu wünschen gewesen wäre, daß bey oberwehnten damahligen Friedens-Schluß die hefftigsten Expressiones, so in unsern Libris Symbolicis enthalten, (und auf welche Expressiones, nicht aber allein auf die Lehren, viel von unsern Theologis geschworen zu haben ihnen einbilden) einiger massen mit Vorwissen der Evangelischen Theologorum zum Theil wären corrigiret worden. Solche obbenahmte Theologi, wie sie jetzo beschrieben, sind bey der Antwort auf diese Frage gar zu hitzig, und gewiß hitziger, als Lutherus selbst seyn würde, so er jetzo noch im Leben wäre. Die andere Art derer Theologorum, so diesen entgegen gesetzet werden, sind gar zu gelinde und weich, halten die Combinationes der Religionen, ja gar den Transitum von einer Religion zur andern, so gar leicht und geringe, daß man fast daraus schliessen möchte, daß solches aus Menschlicher Furcht oder aus Respect und Absehen auf Gnade und Huld der Hohen in der Welt lediglich geschehe. Man hat ja das klare göttliche Wort vor Augen, und siehet ein jedweder, der nicht gar blind seyn will, was nach dem Buchstaben desselben vor ein Unterscheid sey unter allen, auch in specie unter denen im Römischen Reich verstatteten 3. Religionen. Dahero ich der Meynung bin, daß man in Beantwortung der Frage mediâ viâ gehen müsse, und daß man in allem nach besten Wissen und Gewissen verfahre, und dabey so wenig auf Menschen-Gunst sehe, als mehr man dabey GOtt anzuruffen hat: Erhalte unser Hertz bey dem einigen, daß wir deinen

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/70>, abgerufen am 04.05.2024.