Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.per media, videlicet per legitimum Ecclesiae judicium divinae voluntati conformandum. Divina voluntas haec est, quod minister Ecclesiae debeat verbum Dei sincere docere, & inculpatae vitae exemplo auditoribus praeire. Ergo quando minister Ecclesiae vel in haeresin incidit, vel enormibus delictis scandalum praebet, ac facit, ut nomen Dei blasphemetur, tunc Ecclesia habet potestatem removendi. Vid. etiam D. Danh. in lib. consc. aperto p. 1. p. 917. seq. Dunte in decis. cas. consc. cap. 17. sect. 2. quaest. 18. Wenn nun die Obrigkeit oder das Volck in einer Stadt zufähret, und ihren Prediger absetzet, thut es ungütlich und wieder GOttes Wort, denn es stehet allen dreyen Ständen zu. Und wenn sie gleich erhebliche Ursachen hätten, ihn abzusetzen, so muß man doch darinne ordentlich verfahren, nach S. Pauli Geboth keine Klage aufnehmen, ausser zweyer oder dreyer Zeugen Munde, muß auch nicht zu gleich in eigener Sache part und Richter seyn. Und ist derohalben vonnöthen, daß ein Lehrer vor der weltlichen Obrigkeit und dem Volck verklaget werde, und die Sache von einem wahrhafftigen Bischoff (oder Superitendenten) oder zu gleich von vielen verhöret werde. Und ziemet sich nicht Klägern, daß sie Beklagten aus eigner habender Gewalt entsetzen. §. XIIX. Man siehet aus obiger Schrifft und denen Beylagen, daß bey denen Predigern die aus denen bißherigen reliquiis Pseudopoliticis von jugend auf eingesogene praejudicia bey ihnen so tieffe Wurtzel gefasset hatten, daß sie allerdings sich beredeten, sie thäten GOtt einen Dienst daran, daß sie dieselbe auf das äuserste vertheidigten, und wurden die arme Leute dadurch noch mehr sicher gemacht, da sie sahen, daß ihre geheimen Patroni ihnen mit denen attestatis berühmter Juristen und schönen textibus Juris Canonici unter die Arme griffen. Denn obwohl der seelige Lutherus das Jus Canonicum zu Wittenberg cum summa solennitate verbrannt hatte, so hielten sie doch für ungereimt zu seyn, die ihnen suppedidirten loca ex Jure Canonico weg zu lassen, weil sie vermeineten, daß ihnen dieselben vortreflich zu statten kämen. Ob aber ihre Patroni auffrichtig an ihnen gehandelt und die loca ex JCtis bona fide excerpitet hatten, will ich itzo eben nicht untersuchen. Zum wenigsten ist das gewiß, daß der in der Beylage sub A. excerpirte locus ex Carpzovii Jurispr. Eccles. lib. 1. def. 70. sehr hämisch und mala fide excerpiret ist, weil Carpzovius daselbst gantz per media, videlicet per legitimum Ecclesiae judicium divinae voluntati conformandum. Divina voluntas haec est, quod minister Ecclesiae debeat verbum Dei sincere docere, & inculpatae vitae exemplo auditoribus praeire. Ergo quando minister Ecclesiae vel in haeresin incidit, vel enormibus delictis scandalum praebet, ac facit, ut nomen Dei blasphemetur, tunc Ecclesia habet potestatem removendi. Vid. etiam D. Danh. in lib. consc. aperto p. 1. p. 917. seq. Dunte in decis. cas. consc. cap. 17. sect. 2. quaest. 18. Wenn nun die Obrigkeit oder das Volck in einer Stadt zufähret, und ihren Prediger absetzet, thut es ungütlich und wieder GOttes Wort, denn es stehet allen dreyen Ständen zu. Und wenn sie gleich erhebliche Ursachen hätten, ihn abzusetzen, so muß man doch darinne ordentlich verfahren, nach S. Pauli Geboth keine Klage aufnehmen, ausser zweyer oder dreyer Zeugen Munde, muß auch nicht zu gleich in eigener Sache part und Richter seyn. Und ist derohalben vonnöthen, daß ein Lehrer vor der weltlichen Obrigkeit und dem Volck verklaget werde, und die Sache von einem wahrhafftigen Bischoff (oder Superitendenten) oder zu gleich von vielen verhöret werde. Und ziemet sich nicht Klägern, daß sie Beklagten aus eigner habender Gewalt entsetzen. §. XIIX. Man siehet aus obiger Schrifft und denen Beylagen, daß bey denen Predigern die aus denen bißherigen reliquiis Pseudopoliticis von jugend auf eingesogene praejudicia bey ihnen so tieffe Wurtzel gefasset hatten, daß sie allerdings sich beredeten, sie thäten GOtt einen Dienst daran, daß sie dieselbe auf das äuserste vertheidigten, und wurden die arme Leute dadurch noch mehr sicher gemacht, da sie sahen, daß ihre geheimen Patroni ihnen mit denen attestatis berühmter Juristen und schönen textibus Juris Canonici unter die Arme griffen. Denn obwohl der seelige Lutherus das Jus Canonicum zu Wittenberg cum summa solennitate verbrannt hatte, so hielten sie doch für ungereimt zu seyn, die ihnen suppedidirten loca ex Jure Canonico weg zu lassen, weil sie vermeineten, daß ihnen dieselben vortreflich zu statten kämen. Ob aber ihre Patroni auffrichtig an ihnen gehandelt und die loca ex JCtis bona fide excerpitet hatten, will ich itzo eben nicht untersuchen. Zum wenigsten ist das gewiß, daß der in der Beylage sub A. excerpirte locus ex Carpzovii Jurispr. Eccles. lib. 1. def. 70. sehr hämisch und mala fide excerpiret ist, weil Carpzovius daselbst gantz <TEI> <text> <body> <div> <p><hi rendition="#i"><pb facs="#f0234" n="226"/> per media, videlicet per legitimum Ecclesiae judicium divinae voluntati conformandum. Divina voluntas haec est, quod minister Ecclesiae debeat verbum Dei sincere docere, & inculpatae vitae exemplo auditoribus praeire. Ergo quando minister Ecclesiae vel in haeresin incidit, vel enormibus delictis scandalum praebet, ac facit, ut nomen Dei blasphemetur, tunc Ecclesia habet potestatem removendi</hi>. Vid. etiam D. Danh. in lib. consc. aperto p. 1. p. 917. seq. Dunte in decis. cas. consc. cap. 17. sect. 2. quaest. 18. Wenn nun die Obrigkeit oder das Volck in einer Stadt zufähret, und ihren Prediger absetzet, thut es ungütlich und wieder GOttes Wort, denn es stehet allen dreyen Ständen zu. Und wenn sie gleich erhebliche Ursachen hätten, ihn abzusetzen, so muß man doch darinne ordentlich verfahren, nach <hi rendition="#i">S. Pauli</hi> Geboth keine Klage aufnehmen, ausser zweyer oder dreyer Zeugen Munde, muß auch nicht zu gleich in eigener Sache <hi rendition="#i">part</hi> und Richter seyn. Und ist derohalben vonnöthen, daß ein Lehrer vor der weltlichen Obrigkeit und dem Volck verklaget werde, und die Sache von einem wahrhafftigen Bischoff (oder Superitendenten) oder zu gleich von vielen verhöret werde. Und ziemet sich nicht Klägern, daß sie Beklagten aus eigner habender Gewalt entsetzen.</p> <note place="left">Einige Anmerckungen über dieselben.</note> <p>§. XIIX. Man siehet aus obiger Schrifft und denen Beylagen, daß bey denen Predigern die aus denen bißherigen reliquiis Pseudopoliticis von jugend auf eingesogene praejudicia bey ihnen so tieffe Wurtzel gefasset hatten, daß sie allerdings sich beredeten, sie thäten GOtt einen Dienst daran, daß sie dieselbe auf das äuserste vertheidigten, und wurden die arme Leute dadurch noch mehr sicher gemacht, da sie sahen, daß ihre geheimen Patroni ihnen mit denen attestatis berühmter Juristen und schönen textibus Juris Canonici unter die Arme griffen. Denn obwohl der seelige Lutherus das Jus Canonicum zu Wittenberg cum summa solennitate verbrannt hatte, so hielten sie doch für ungereimt zu seyn, die ihnen suppedidirten loca ex Jure Canonico weg zu lassen, weil sie vermeineten, daß ihnen dieselben vortreflich zu statten kämen. Ob aber ihre Patroni auffrichtig an ihnen gehandelt und die loca ex JCtis bona fide excerpitet hatten, will ich itzo eben nicht untersuchen. Zum wenigsten ist das gewiß, daß der in der Beylage sub A. excerpirte locus ex Carpzovii Jurispr. Eccles. lib. 1. def. 70. sehr hämisch und mala fide excerpiret ist, weil Carpzovius daselbst gantz </p> </div> </body> </text> </TEI> [226/0234]
per media, videlicet per legitimum Ecclesiae judicium divinae voluntati conformandum. Divina voluntas haec est, quod minister Ecclesiae debeat verbum Dei sincere docere, & inculpatae vitae exemplo auditoribus praeire. Ergo quando minister Ecclesiae vel in haeresin incidit, vel enormibus delictis scandalum praebet, ac facit, ut nomen Dei blasphemetur, tunc Ecclesia habet potestatem removendi. Vid. etiam D. Danh. in lib. consc. aperto p. 1. p. 917. seq. Dunte in decis. cas. consc. cap. 17. sect. 2. quaest. 18. Wenn nun die Obrigkeit oder das Volck in einer Stadt zufähret, und ihren Prediger absetzet, thut es ungütlich und wieder GOttes Wort, denn es stehet allen dreyen Ständen zu. Und wenn sie gleich erhebliche Ursachen hätten, ihn abzusetzen, so muß man doch darinne ordentlich verfahren, nach S. Pauli Geboth keine Klage aufnehmen, ausser zweyer oder dreyer Zeugen Munde, muß auch nicht zu gleich in eigener Sache part und Richter seyn. Und ist derohalben vonnöthen, daß ein Lehrer vor der weltlichen Obrigkeit und dem Volck verklaget werde, und die Sache von einem wahrhafftigen Bischoff (oder Superitendenten) oder zu gleich von vielen verhöret werde. Und ziemet sich nicht Klägern, daß sie Beklagten aus eigner habender Gewalt entsetzen.
§. XIIX. Man siehet aus obiger Schrifft und denen Beylagen, daß bey denen Predigern die aus denen bißherigen reliquiis Pseudopoliticis von jugend auf eingesogene praejudicia bey ihnen so tieffe Wurtzel gefasset hatten, daß sie allerdings sich beredeten, sie thäten GOtt einen Dienst daran, daß sie dieselbe auf das äuserste vertheidigten, und wurden die arme Leute dadurch noch mehr sicher gemacht, da sie sahen, daß ihre geheimen Patroni ihnen mit denen attestatis berühmter Juristen und schönen textibus Juris Canonici unter die Arme griffen. Denn obwohl der seelige Lutherus das Jus Canonicum zu Wittenberg cum summa solennitate verbrannt hatte, so hielten sie doch für ungereimt zu seyn, die ihnen suppedidirten loca ex Jure Canonico weg zu lassen, weil sie vermeineten, daß ihnen dieselben vortreflich zu statten kämen. Ob aber ihre Patroni auffrichtig an ihnen gehandelt und die loca ex JCtis bona fide excerpitet hatten, will ich itzo eben nicht untersuchen. Zum wenigsten ist das gewiß, daß der in der Beylage sub A. excerpirte locus ex Carpzovii Jurispr. Eccles. lib. 1. def. 70. sehr hämisch und mala fide excerpiret ist, weil Carpzovius daselbst gantz
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/234>, abgerufen am 17.02.2025. |