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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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4) Ist ja offenbahr, daß, wenn die weltliche Obrigkeit denen4) Aus der gegen seitigen Meinung wird das gemeine Wesen zwey köpffigt. Predigern in denen Sachen so ihres Amts sind, nichts einreden darff, in einen gemeinen Wesen nothwendig zwey Status independentes seyn müsten, mithin aber daraus ein zweyköpffigtes unförmliches Wesen entstehen würde. Denn es glaubet ja jederman und weiß es auch, daß die Prediger Menschen sind und also ihr Amt mißbrauchen können. Wenn nun die weltliche Obrigkeit sie darinnen nicht bestraffen darff, sondern, wenn sie solches verneinen (wie denn ordentlich kein Mensche will unrecht gethan haben) ihnen ihren Willen lassen muß, so muß nothwendig das Predig-Amt ein Stand seyn das seinen eigenen Kopff hat, oder gar [fremdsprachliches Material] ist.

Wiewohl diese absurdität noch nicht die gröste ist, sondern es5) Und die Obrigkeit unter die Füsse des Predig-Amts getretten. fliesset 5.) noch eine grössere aus dieser independenz. Denn sie wollen, daß die weltliche Obrigkeit ihnen, wenn sie bey dem Gebrauch ihres Amts nach ihren Gewissen thun, nichts einreden solle; und doch wollen sie, daß die Obrigkeit mit ihren Gewissen dem Predig-Amt soll unterworffen seyn, und daß das Predig-Amt soll Macht haben, der Obrigkeit, wenn sie das Obrigkeitliche Amt mißbraucht, einzureden und sie mit der schimpflichen Außschliessung von Abendmahl zu bestraffen. Dadurch wird aber die weltliche Obrigkeit in der That mit Füssen getreten, und dem Predig Amt gäntzlich unterworffen, indem kein regale ist, bey dessen exercitio ein ehrsüchtiger Prediger nicht leicht was zu tadeln finden, und durch Mißbrauch der heiligen Schrifft mit der weltlichen Obrigkeit deßwegen eine querelle anfangen, auch leichtlich einen Anhang von seines gleichen, die ihm beystehen, finden kan, die entweder den Fürsten aus Furcht des Bannes zwingen, daß er sein Regiment nach ihren Kopffe führen muß, oder aber er muß gewärtig seyn, daß solche herrschsüchtige Leute unter der Larve eines göttlichen Eyffers ihn auf den Cantzeln beschimpffen, oder wohl gar die Land-Stände, samt dem gemeinen Volck wider ihn rege machen.

Und wie bey denen Protestirenden seit der Reformation leider6) Die praetendirte independenz des Predig-Amts von der weitlichen Obrigkeit ist der formale Character des Pabstthums. Wie solches mehr als zu viel betrübte exempel dieses bekräfftigen; also haben schon berühmte gelehrte Männer 6) angemercket, daß diese praetendirte independenz des Predig-Amts von der weltlichen Obrigkeit der formale Character des Pabstthums sey, und daß die Fürsten, die darinnen dem Clero durch die Finger gesehen, das Pabstthum mit ihren eigenen Händen haben bauen heissen. Dieses hat sonderlich ein berühmter und bekanter Christlicher Theologus, der seinen Namen unter dem Namen Jani Alexandri Ferrarii verborgen in einen so genannten Euclide Catholico gleichsam mathematice demonstriret, daß alle Glaubens-Artickul des

4) Ist ja offenbahr, daß, wenn die weltliche Obrigkeit denen4) Aus der gegen seitigen Meinung wird das gemeine Wesen zwey köpffigt. Predigern in denen Sachen so ihres Amts sind, nichts einreden darff, in einen gemeinen Wesen nothwendig zwey Status independentes seyn müsten, mithin aber daraus ein zweyköpffigtes unförmliches Wesen entstehen würde. Denn es glaubet ja jederman und weiß es auch, daß die Prediger Menschen sind und also ihr Amt mißbrauchen können. Wenn nun die weltliche Obrigkeit sie darinnen nicht bestraffen darff, sondern, wenn sie solches verneinen (wie denn ordentlich kein Mensche will unrecht gethan haben) ihnen ihren Willen lassen muß, so muß nothwendig das Predig-Amt ein Stand seyn das seinen eigenen Kopff hat, oder gar [fremdsprachliches Material] ist.

Wiewohl diese absurdität noch nicht die gröste ist, sondern es5) Und die Obrigkeit unter die Füsse des Predig-Amts getretten. fliesset 5.) noch eine grössere aus dieser independenz. Denn sie wollen, daß die weltliche Obrigkeit ihnen, wenn sie bey dem Gebrauch ihres Amts nach ihren Gewissen thun, nichts einreden solle; und doch wollen sie, daß die Obrigkeit mit ihren Gewissen dem Predig-Amt soll unterworffen seyn, und daß das Predig-Amt soll Macht haben, der Obrigkeit, wenn sie das Obrigkeitliche Amt mißbraucht, einzureden und sie mit der schimpflichen Außschliessung von Abendmahl zu bestraffen. Dadurch wird aber die weltliche Obrigkeit in der That mit Füssen getreten, und dem Predig Amt gäntzlich unterworffen, indem kein regale ist, bey dessen exercitio ein ehrsüchtiger Prediger nicht leicht was zu tadeln finden, und durch Mißbrauch der heiligen Schrifft mit der weltlichen Obrigkeit deßwegen eine querelle anfangen, auch leichtlich einen Anhang von seines gleichen, die ihm beystehen, finden kan, die entweder den Fürsten aus Furcht des Bannes zwingen, daß er sein Regiment nach ihren Kopffe führen muß, oder aber er muß gewärtig seyn, daß solche herrschsüchtige Leute unter der Larve eines göttlichen Eyffers ihn auf den Cantzeln beschimpffen, oder wohl gar die Land-Stände, samt dem gemeinen Volck wider ihn rege machen.

Und wie bey denen Protestirenden seit der Reformation leider6) Die praetendirte independenz des Predig-Amts von der weitlichen Obrigkeit ist der formale Character des Pabstthums. Wie solches mehr als zu viel betrübte exempel dieses bekräfftigen; also haben schon berühmte gelehrte Männer 6) angemercket, daß diese praetendirte independenz des Predig-Amts von der weltlichen Obrigkeit der formale Character des Pabstthums sey, und daß die Fürsten, die darinnen dem Clero durch die Finger gesehen, das Pabstthum mit ihren eigenen Händen haben bauen heissen. Dieses hat sonderlich ein berühmter und bekanter Christlicher Theologus, der seinen Namen unter dem Namen Jani Alexandri Ferrarii verborgen in einen so genannten Euclide Catholico gleichsam mathematicè demonstriret, daß alle Glaubens-Artickul des

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[161/0169] 4) Ist ja offenbahr, daß, wenn die weltliche Obrigkeit denen Predigern in denen Sachen so ihres Amts sind, nichts einreden darff, in einen gemeinen Wesen nothwendig zwey Status independentes seyn müsten, mithin aber daraus ein zweyköpffigtes unförmliches Wesen entstehen würde. Denn es glaubet ja jederman und weiß es auch, daß die Prediger Menschen sind und also ihr Amt mißbrauchen können. Wenn nun die weltliche Obrigkeit sie darinnen nicht bestraffen darff, sondern, wenn sie solches verneinen (wie denn ordentlich kein Mensche will unrecht gethan haben) ihnen ihren Willen lassen muß, so muß nothwendig das Predig-Amt ein Stand seyn das seinen eigenen Kopff hat, oder gar _ ist. 4) Aus der gegen seitigen Meinung wird das gemeine Wesen zwey köpffigt. Wiewohl diese absurdität noch nicht die gröste ist, sondern es fliesset 5.) noch eine grössere aus dieser independenz. Denn sie wollen, daß die weltliche Obrigkeit ihnen, wenn sie bey dem Gebrauch ihres Amts nach ihren Gewissen thun, nichts einreden solle; und doch wollen sie, daß die Obrigkeit mit ihren Gewissen dem Predig-Amt soll unterworffen seyn, und daß das Predig-Amt soll Macht haben, der Obrigkeit, wenn sie das Obrigkeitliche Amt mißbraucht, einzureden und sie mit der schimpflichen Außschliessung von Abendmahl zu bestraffen. Dadurch wird aber die weltliche Obrigkeit in der That mit Füssen getreten, und dem Predig Amt gäntzlich unterworffen, indem kein regale ist, bey dessen exercitio ein ehrsüchtiger Prediger nicht leicht was zu tadeln finden, und durch Mißbrauch der heiligen Schrifft mit der weltlichen Obrigkeit deßwegen eine querelle anfangen, auch leichtlich einen Anhang von seines gleichen, die ihm beystehen, finden kan, die entweder den Fürsten aus Furcht des Bannes zwingen, daß er sein Regiment nach ihren Kopffe führen muß, oder aber er muß gewärtig seyn, daß solche herrschsüchtige Leute unter der Larve eines göttlichen Eyffers ihn auf den Cantzeln beschimpffen, oder wohl gar die Land-Stände, samt dem gemeinen Volck wider ihn rege machen. 5) Und die Obrigkeit unter die Füsse des Predig-Amts getretten. Und wie bey denen Protestirenden seit der Reformation leider mehr als zu viel betrübte exempel dieses bekräfftigen; also haben schon berühmte gelehrte Männer 6) angemercket, daß diese praetendirte independenz des Predig-Amts von der weltlichen Obrigkeit der formale Character des Pabstthums sey, und daß die Fürsten, die darinnen dem Clero durch die Finger gesehen, das Pabstthum mit ihren eigenen Händen haben bauen heissen. Dieses hat sonderlich ein berühmter und bekanter Christlicher Theologus, der seinen Namen unter dem Namen Jani Alexandri Ferrarii verborgen in einen so genannten Euclide Catholico gleichsam mathematicè demonstriret, daß alle Glaubens-Artickul des 6) Die praetendirte independenz des Predig-Amts von der weitlichen Obrigkeit ist der formale Character des Pabstthums. Wie solches

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/169>, abgerufen am 23.11.2024.