Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern ein Steinhauffen, oder ein grosser Stein zur Schande ihnen auf ihr Grab geleget werden.

Bey denen Christen.

Wie nun aus diesen allen erhellet, daß sowohl der grosse als kleine Bann bey denen Jüden keine Geistliche und den innerlichen Menschen angehende Straffe gewesen, so wenig als der Heydnischen Römer ihre aquae & ignis interdictio, oder die bey allen Völckern gebräuchliche notae infamiam inurentes. Conf. Pufend. de habitu relig §. 27. auch die von Seldeno de Jure Naturae & Gentium secund. disc. Hebr. lib. 4. c. 8. specificirte 24. Ursachen, weshalb man in Kirchen-Bann gethan werden kunte, sattsam anzeigen, daß wegen bürgerlicher Händel in gemeinen Leben und Wandel, und die Autorität ihrer Rabbinen und Aeltesten zu erhalten die Verbannung vorgenommen worden; also ist nunmehro anch das Wesen des Christlichen Kirchen-Banns desto leichter zu verstehen, zumahl da die Christen ihren Kirchen-Bann so viel den ersten Ursprung betrifft nirgends anders her haben als von den Jüden. Dieses aber desto besser zu begreiffen ist es nöthig, daß man den Zustand des Christlichen Kirchen-Banns auf dreyerley Weise betrachte; was es nemlich mit demselben erstlich unter Christo und denen Aposteln, zum andern nach der Apostel Todte biß auf die Zeiten des Kaysers Constantini, und drittens von dieses Kaysers Zeiten an für eine Gestalt mit dem Christlichen Banne gehabt.

Und zwar bey diesen letzten erstlich zu denen Zeiten Christi, und der Apostel.

Erstlich was die Zeiten Christi und seiner Apostel betrifft, so ist zu praesupponiren, daß wie Christus nicht gekommen ist das Jüdische Gesetze aufzuheben sondern vielmehr zu erfüllen, auch weder er noch seine Apostel befohlen daß die ersten Christen sich von denen Jüden und Jüdischen Ceremonien absondenn solten, sondern vielmehr Christus und die Apostel selbst, jedoch nicht mehr aus Zwang und Jochs weise die Jüdischen Ceremonien beobachtet und gebrauchet; also auch nach CHristi Himmelfahrt solchergestalt continuiret worden, zumahlen da in denen ersten 7. Jahren nach der Himmelfahrt sich niemand als Jüden oder Proselyten zu der Christlichen Religion bekennet und in derselben aufgenommen, auch damahlen die Christen insgemein noch nicht mit ihren eigenen Christen Nahmen sondern mit dem gemeinen Nahmen der Jüden genennet, diese Jüden aber in ungläubige, und Gläubige zum Unterschied eingetheilet worden. Da nun in der gantzen heiligen Schrifft nicht zu finden, daß Christns oder seine Apostel wegen des Jüdischen Bannes etwas neues verordnet hätten; gleichwohl aber so wohl aus denen Episteln Pauli als sonsten aus der Kirchen-Historie erhellet, daß die ersten Chri-

sondern ein Steinhauffen, oder ein grosser Stein zur Schande ihnen auf ihr Grab geleget werden.

Bey denen Christen.

Wie nun aus diesen allen erhellet, daß sowohl der grosse als kleine Bann bey denen Jüden keine Geistliche und den innerlichen Menschen angehende Straffe gewesen, so wenig als der Heydnischen Römer ihre aquae & ignis interdictio, oder die bey allen Völckern gebräuchliche notae infamiam inurentes. Conf. Pufend. de habitu relig §. 27. auch die von Seldeno de Jure Naturae & Gentium secund. disc. Hebr. lib. 4. c. 8. specificirte 24. Ursachen, weshalb man in Kirchen-Bann gethan werden kunte, sattsam anzeigen, daß wegen bürgerlicher Händel in gemeinen Leben und Wandel, und die Autorität ihrer Rabbinen und Aeltesten zu erhalten die Verbannung vorgenommen worden; also ist nunmehro anch das Wesen des Christlichen Kirchen-Banns desto leichter zu verstehen, zumahl da die Christen ihren Kirchen-Bann so viel den ersten Ursprung betrifft nirgends anders her haben als von den Jüden. Dieses aber desto besser zu begreiffen ist es nöthig, daß man den Zustand des Christlichen Kirchen-Banns auf dreyerley Weise betrachte; was es nemlich mit demselben erstlich unter Christo und denen Aposteln, zum andern nach der Apostel Todte biß auf die Zeiten des Kaysers Constantini, und drittens von dieses Kaysers Zeiten an für eine Gestalt mit dem Christlichen Banne gehabt.

Und zwar bey diesen letzten erstlich zu denen Zeiten Christi, und der Apostel.

Erstlich was die Zeiten Christi und seiner Apostel betrifft, so ist zu praesupponiren, daß wie Christus nicht gekommen ist das Jüdische Gesetze aufzuheben sondern vielmehr zu erfüllen, auch weder er noch seine Apostel befohlen daß die ersten Christen sich von denen Jüden und Jüdischen Ceremonien absondenn solten, sondern vielmehr Christus und die Apostel selbst, jedoch nicht mehr aus Zwang und Jochs weise die Jüdischen Ceremonien beobachtet und gebrauchet; also auch nach CHristi Himmelfahrt solchergestalt continuiret worden, zumahlen da in denen ersten 7. Jahren nach der Himmelfahrt sich niemand als Jüden oder Proselyten zu der Christlichen Religion bekennet und in derselben aufgenommen, auch damahlen die Christen insgemein noch nicht mit ihren eigenen Christen Nahmen sondern mit dem gemeinen Nahmen der Jüden genennet, diese Jüden aber in ungläubige, und Gläubige zum Unterschied eingetheilet worden. Da nun in der gantzen heiligen Schrifft nicht zu finden, daß Christns oder seine Apostel wegen des Jüdischen Bannes etwas neues verordnet hätten; gleichwohl aber so wohl aus denen Episteln Pauli als sonsten aus der Kirchen-Historie erhellet, daß die ersten Chri-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0140" n="132"/>
sondern ein Steinhauffen, oder ein grosser Stein zur Schande ihnen auf ihr Grab                      geleget werden.</p>
        <note place="left">Bey denen Christen.</note>
        <p>Wie nun aus diesen allen erhellet, daß sowohl der grosse als kleine Bann bey                      denen Jüden keine Geistliche und den innerlichen Menschen angehende Straffe                      gewesen, so wenig als der Heydnischen Römer ihre aquae &amp; ignis interdictio,                      oder die bey allen Völckern gebräuchliche notae infamiam inurentes. Conf.                      Pufend. de habitu relig §. 27. auch die von Seldeno de Jure Naturae &amp;                      Gentium secund. disc. Hebr. lib. 4. c. 8. specificirte 24. Ursachen, weshalb man                      in Kirchen-Bann gethan werden kunte, sattsam anzeigen, daß wegen bürgerlicher                      Händel in gemeinen Leben und Wandel, und die Autorität ihrer Rabbinen und                      Aeltesten zu erhalten die Verbannung vorgenommen worden; also ist nunmehro anch                      das Wesen des Christlichen Kirchen-Banns desto leichter zu verstehen, zumahl da                      die Christen ihren Kirchen-Bann so viel den ersten Ursprung betrifft nirgends                      anders her haben als von den Jüden. Dieses aber desto besser zu begreiffen ist                      es nöthig, daß man den Zustand des Christlichen Kirchen-Banns auf dreyerley                      Weise betrachte; was es nemlich mit demselben erstlich unter Christo und denen                      Aposteln, zum andern nach der Apostel Todte biß auf die Zeiten des Kaysers                      Constantini, und drittens von dieses Kaysers Zeiten an für eine Gestalt mit dem                      Christlichen Banne gehabt.</p>
        <note place="left">Und zwar bey diesen letzten erstlich zu denen Zeiten Christi, und                      der Apostel.</note>
        <p>Erstlich was die Zeiten Christi und seiner Apostel betrifft, so ist zu                      praesupponiren, daß wie Christus nicht gekommen ist das Jüdische Gesetze                      aufzuheben sondern vielmehr zu erfüllen, auch weder er noch seine Apostel                      befohlen daß die ersten Christen sich von denen Jüden und Jüdischen Ceremonien                      absondenn solten, sondern vielmehr Christus und die Apostel selbst, jedoch nicht                      mehr aus Zwang und Jochs weise die Jüdischen Ceremonien beobachtet und                      gebrauchet; also auch nach CHristi Himmelfahrt solchergestalt continuiret                      worden, zumahlen da in denen ersten 7. Jahren nach der Himmelfahrt sich niemand                      als Jüden oder Proselyten zu der Christlichen Religion bekennet und in derselben                      aufgenommen, auch damahlen die Christen insgemein noch nicht mit ihren eigenen                      Christen Nahmen sondern mit dem gemeinen Nahmen der Jüden genennet, diese Jüden                      aber in ungläubige, und Gläubige zum Unterschied eingetheilet worden. Da nun in                      der gantzen heiligen Schrifft nicht zu finden, daß Christns oder seine Apostel                      wegen des Jüdischen Bannes etwas neues verordnet hätten; gleichwohl aber so wohl                      aus denen Episteln Pauli als sonsten aus der Kirchen-Historie erhellet, daß die                      ersten Chri-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0140] sondern ein Steinhauffen, oder ein grosser Stein zur Schande ihnen auf ihr Grab geleget werden. Wie nun aus diesen allen erhellet, daß sowohl der grosse als kleine Bann bey denen Jüden keine Geistliche und den innerlichen Menschen angehende Straffe gewesen, so wenig als der Heydnischen Römer ihre aquae & ignis interdictio, oder die bey allen Völckern gebräuchliche notae infamiam inurentes. Conf. Pufend. de habitu relig §. 27. auch die von Seldeno de Jure Naturae & Gentium secund. disc. Hebr. lib. 4. c. 8. specificirte 24. Ursachen, weshalb man in Kirchen-Bann gethan werden kunte, sattsam anzeigen, daß wegen bürgerlicher Händel in gemeinen Leben und Wandel, und die Autorität ihrer Rabbinen und Aeltesten zu erhalten die Verbannung vorgenommen worden; also ist nunmehro anch das Wesen des Christlichen Kirchen-Banns desto leichter zu verstehen, zumahl da die Christen ihren Kirchen-Bann so viel den ersten Ursprung betrifft nirgends anders her haben als von den Jüden. Dieses aber desto besser zu begreiffen ist es nöthig, daß man den Zustand des Christlichen Kirchen-Banns auf dreyerley Weise betrachte; was es nemlich mit demselben erstlich unter Christo und denen Aposteln, zum andern nach der Apostel Todte biß auf die Zeiten des Kaysers Constantini, und drittens von dieses Kaysers Zeiten an für eine Gestalt mit dem Christlichen Banne gehabt. Erstlich was die Zeiten Christi und seiner Apostel betrifft, so ist zu praesupponiren, daß wie Christus nicht gekommen ist das Jüdische Gesetze aufzuheben sondern vielmehr zu erfüllen, auch weder er noch seine Apostel befohlen daß die ersten Christen sich von denen Jüden und Jüdischen Ceremonien absondenn solten, sondern vielmehr Christus und die Apostel selbst, jedoch nicht mehr aus Zwang und Jochs weise die Jüdischen Ceremonien beobachtet und gebrauchet; also auch nach CHristi Himmelfahrt solchergestalt continuiret worden, zumahlen da in denen ersten 7. Jahren nach der Himmelfahrt sich niemand als Jüden oder Proselyten zu der Christlichen Religion bekennet und in derselben aufgenommen, auch damahlen die Christen insgemein noch nicht mit ihren eigenen Christen Nahmen sondern mit dem gemeinen Nahmen der Jüden genennet, diese Jüden aber in ungläubige, und Gläubige zum Unterschied eingetheilet worden. Da nun in der gantzen heiligen Schrifft nicht zu finden, daß Christns oder seine Apostel wegen des Jüdischen Bannes etwas neues verordnet hätten; gleichwohl aber so wohl aus denen Episteln Pauli als sonsten aus der Kirchen-Historie erhellet, daß die ersten Chri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/140
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/140>, abgerufen am 05.05.2024.