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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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cken. Ursprung und Beschaffenheit dieser Strafe bey denen Heyden.Denn der Kirchen-Bann ist eine uhralte und so wohl bey denen Heyden und Jüden vor und nach dem entstandenen Christenthum übliche Straffe. Von denen Druyden oder von denen Priestern der alten Gallorum hat schon Julius Caesar lib. 6. de Bello Gallico angemercket, daß, wenn entweder eintzele Personen oder das Volck ihren Schlüssen nicht gehorchen wollen, sie solches in den Kirchen-Bann gethan hätten, und dieses bey ihnen eine der aller schweresten Straffe gewesen wäre, indem die Gebanneten für die ärgsten Atheisten und Bösewichte wären gehalten worden; mit welchen kein Mensche umbgegangen wäre, sondern für ihnen und für ihrer Anrede geflohen hätte, damit sie nicht von ihnen angesteckt würden und Ungelegenheit sich über den Halß zögen; ja es wäre solchen ausgebannten kein Recht wiederfahren, sondern wären Rechtloß geachtet auch zu keinen Ehren-Aemtern gelassen worden. Steph. Forcatulus in Feudorum jura cap. 10. §. 14. Seldenus de Synedriis Ebraeorum lib. 1. c. 10. p. 285. Was von denen Gebräuchen der Griechen und Römer und andrer heydnischen Völcker hieher kan angeführet werden, hat besagter Seldenus d. l. p. 274. seq. mit Fleiß zusammen getragen und deduciret.

Bey den Jüden vor und zeitwährender Babylonischen Gefängnüß.

Die Jüden betreffend, sind zwar etliche Gelehrte der Meynung gewesen, daß der bey ihnen gebräuchliche Kirchen-Bann eine durch Mosen auf GOttes Befehl eingesetzte Straffe gewesen sey, Krafft welcher die Ausgebanneten unter andern auch aus dem Tempel gestossen und ihnen den Gottesdienst zu besuchen nicht zugelassen worden. Es hat aber vorgerühmter Seldenus d. l. de Synedriis Ebraeorum lib. 1. cap. 7. juncto cap. 11. & 12. mit grosser Arbeit und Judicio bewiesen, daß dieser Jüdische Kirchen-Bann nicht älter sey als die Babylonische Gefängnüß, (p. 97. 98.) und dannenhero weder aus GOttes Befehl (p. 83. j. c. 11. & 12.) noch von Mose gestifftet, sondern aus dieser Gelegenheit entsprungen sey, (p. 99.) weil die Jüden in der Babylonischen Gefängnüß keine Jurisdiction über die Ihrigen exerciren dürffen, sondern unter Babylonischen Heydnischen Richtern gestanden; hätten sie sich unter einander vereiniget und verglichen, ihr Volck desto besser in Zaum zu halten, und ihren Aeltesten und Vorstehern einige Autorität zu conserviren, daß der Kirchen-Bann bey ihnen an statt der mangelnden Jurisdiction eingeführet werden solte. Weil nun dieses gantze Werck auf Pactis und Vereinigung beruhet, und die Ausgebanneten der Straffe des Bannes sich gutwillig unterworffen, und also vielmahls bey denen Heydnischen Richtern darüber geklaget, hätten auch die Heyden, als der Jüden damahlige Obrigkeit, ihnen durch die Fin-

cken. Ursprung und Beschaffenheit dieser Strafe bey denen Heyden.Denn der Kirchen-Bann ist eine uhralte und so wohl bey denen Heyden und Jüden vor und nach dem entstandenen Christenthum übliche Straffe. Von denen Druyden oder von denen Priestern der alten Gallorum hat schon Julius Caesar lib. 6. de Bello Gallico angemercket, daß, wenn entweder eintzele Personen oder das Volck ihren Schlüssen nicht gehorchen wollen, sie solches in den Kirchen-Bann gethan hätten, und dieses bey ihnen eine der aller schweresten Straffe gewesen wäre, indem die Gebanneten für die ärgsten Atheisten und Bösewichte wären gehalten worden; mit welchen kein Mensche umbgegangen wäre, sondern für ihnen und für ihrer Anrede geflohen hätte, damit sie nicht von ihnen angesteckt würden und Ungelegenheit sich über den Halß zögen; ja es wäre solchen ausgebannten kein Recht wiederfahren, sondern wären Rechtloß geachtet auch zu keinen Ehren-Aemtern gelassen worden. Steph. Forcatulus in Feudorum jura cap. 10. §. 14. Seldenus de Synedriis Ebraeorum lib. 1. c. 10. p. 285. Was von denen Gebräuchen der Griechen und Römer und andrer heydnischen Völcker hieher kan angeführet werden, hat besagter Seldenus d. l. p. 274. seq. mit Fleiß zusammen getragen und deduciret.

Bey den Jüden vor und zeitwährender Babylonischen Gefängnüß.

Die Jüden betreffend, sind zwar etliche Gelehrte der Meynung gewesen, daß der bey ihnen gebräuchliche Kirchen-Bann eine durch Mosen auf GOttes Befehl eingesetzte Straffe gewesen sey, Krafft welcher die Ausgebanneten unter andern auch aus dem Tempel gestossen und ihnen den Gottesdienst zu besuchen nicht zugelassen worden. Es hat aber vorgerühmter Seldenus d. l. de Synedriis Ebraeorum lib. 1. cap. 7. juncto cap. 11. & 12. mit grosser Arbeit und Judicio bewiesen, daß dieser Jüdische Kirchen-Bann nicht älter sey als die Babylonische Gefängnüß, (p. 97. 98.) und dannenhero weder aus GOttes Befehl (p. 83. j. c. 11. & 12.) noch von Mose gestifftet, sondern aus dieser Gelegenheit entsprungen sey, (p. 99.) weil die Jüden in der Babylonischen Gefängnüß keine Jurisdiction über die Ihrigen exerciren dürffen, sondern unter Babylonischen Heydnischen Richtern gestanden; hätten sie sich unter einander vereiniget und verglichen, ihr Volck desto besser in Zaum zu halten, und ihren Aeltesten und Vorstehern einige Autorität zu conserviren, daß der Kirchen-Bann bey ihnen an statt der mangelnden Jurisdiction eingeführet werden solte. Weil nun dieses gantze Werck auf Pactis und Vereinigung beruhet, und die Ausgebanneten der Straffe des Bannes sich gutwillig unterworffen, und also vielmahls bey denen Heydnischen Richtern darüber geklaget, hätten auch die Heyden, als der Jüden damahlige Obrigkeit, ihnen durch die Fin-

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[130/0138] cken. Denn der Kirchen-Bann ist eine uhralte und so wohl bey denen Heyden und Jüden vor und nach dem entstandenen Christenthum übliche Straffe. Von denen Druyden oder von denen Priestern der alten Gallorum hat schon Julius Caesar lib. 6. de Bello Gallico angemercket, daß, wenn entweder eintzele Personen oder das Volck ihren Schlüssen nicht gehorchen wollen, sie solches in den Kirchen-Bann gethan hätten, und dieses bey ihnen eine der aller schweresten Straffe gewesen wäre, indem die Gebanneten für die ärgsten Atheisten und Bösewichte wären gehalten worden; mit welchen kein Mensche umbgegangen wäre, sondern für ihnen und für ihrer Anrede geflohen hätte, damit sie nicht von ihnen angesteckt würden und Ungelegenheit sich über den Halß zögen; ja es wäre solchen ausgebannten kein Recht wiederfahren, sondern wären Rechtloß geachtet auch zu keinen Ehren-Aemtern gelassen worden. Steph. Forcatulus in Feudorum jura cap. 10. §. 14. Seldenus de Synedriis Ebraeorum lib. 1. c. 10. p. 285. Was von denen Gebräuchen der Griechen und Römer und andrer heydnischen Völcker hieher kan angeführet werden, hat besagter Seldenus d. l. p. 274. seq. mit Fleiß zusammen getragen und deduciret. Ursprung und Beschaffenheit dieser Strafe bey denen Heyden. Die Jüden betreffend, sind zwar etliche Gelehrte der Meynung gewesen, daß der bey ihnen gebräuchliche Kirchen-Bann eine durch Mosen auf GOttes Befehl eingesetzte Straffe gewesen sey, Krafft welcher die Ausgebanneten unter andern auch aus dem Tempel gestossen und ihnen den Gottesdienst zu besuchen nicht zugelassen worden. Es hat aber vorgerühmter Seldenus d. l. de Synedriis Ebraeorum lib. 1. cap. 7. juncto cap. 11. & 12. mit grosser Arbeit und Judicio bewiesen, daß dieser Jüdische Kirchen-Bann nicht älter sey als die Babylonische Gefängnüß, (p. 97. 98.) und dannenhero weder aus GOttes Befehl (p. 83. j. c. 11. & 12.) noch von Mose gestifftet, sondern aus dieser Gelegenheit entsprungen sey, (p. 99.) weil die Jüden in der Babylonischen Gefängnüß keine Jurisdiction über die Ihrigen exerciren dürffen, sondern unter Babylonischen Heydnischen Richtern gestanden; hätten sie sich unter einander vereiniget und verglichen, ihr Volck desto besser in Zaum zu halten, und ihren Aeltesten und Vorstehern einige Autorität zu conserviren, daß der Kirchen-Bann bey ihnen an statt der mangelnden Jurisdiction eingeführet werden solte. Weil nun dieses gantze Werck auf Pactis und Vereinigung beruhet, und die Ausgebanneten der Straffe des Bannes sich gutwillig unterworffen, und also vielmahls bey denen Heydnischen Richtern darüber geklaget, hätten auch die Heyden, als der Jüden damahlige Obrigkeit, ihnen durch die Fin-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/138>, abgerufen am 09.11.2024.