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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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zu vertheydigen, daß diese Jungfräuliche Benennung, wenn sie auch falsch gewesen wäre, mehr pro scendalo accepto, quam dato, zu halten sey. Daß ferner auff den Leichenstein ein anderer Spruch, als den der Prediger in der Leichen-Predigt erklähret, ware gesetzt worden / ware nach der gesunden Vernunfft und nach allen geistlichen und weltlichen Rechten keine straffbahre That, und bezeugte vielmehr offentlich die animosität und Partheyligkeit derer, die daraus ein crimen machen wolten. Daß aber die gute Frau die Auffschrifft anders machen lassen, als Ihr der Pfarrer vorgeschrieben, zeigete wohl in etwas das Haupt-Fundament an, warumb dieser Leichen-Stein zu einen corpore delicti war gemacht worden; aber Unsere Facultät konte auch hierinnen mit dem justitiario nicht einstimmen, zumahlen weder in besagter Kirchen-Ordnung, noch sonsten in jure davon etwas zu befinden war, das ad officium der Prediger gehöre, Ihren Beicht-Kindern dergleichen Formuln, denen diese nothwendig folgen müssen, vorzuschreiben. Und ich bedaure, hierbey daß uns diese beyde formulae discrepantes nicht waren von Anfang biß zu Ende und von Wort zu Wort communiciret worden, denn Sie würden zweiffels ohne dem unpartheyischen Leser vielfältige Gelegenheit gegeben haben, andre bey diesen gantzen Handel verborgene arcana zu errathen. Endlich so viel die aüff den Leichen-Stein befindliche Vergüldung der Buchstaben betraffe, konten wir auch nicht finden, wie dieselbige straffbahr seyn solte, zumahlen da der Verstobene kein gemeiner Bauer, sondern wie ex actis zu sehen, ein Söhn- und Gerichts-Schöpffe gewesen war. Bey diesen Umbständen nun gab sich die Beantwortung des andern puncts von sich selbst, indem die Cantzeley-Regierung dem Gerichs-Herrn keinen Eingriff in seine Jurisdiction gethan, sondern vielmehr zu verwundern war, daß die Regierung die in denen Berichten gebrauchte Anzüglichkeiten in denen Inhibitions Rescriptis nicht schärffer und nachdrücklicher geahntet hätte. &c.

Der dritte casus, von einen armen Unterthanen, den der Justitiarius 5/4 Jahr als einen

§. V. Der dritte zu diesen gegenwärtigen Handel gehörige Casus ist noch merckwürdiger, über welchen in Januario 1697. von uns ein Responsum begehret worden, indem der Justitiarius W. der doch selbst die inquisition meritiret, wieder einen andern armen Unterthanen nicht allein sub praetextu justitiae inquiriret, sondern auch denselben unrechtmäßiger Weise fünff viertheil Jahr in gefänglicher Hafft und zwar an Händen und Füssen geschlossen, behalten, und bey der wieder den armen Menschen angestellten Inquisition von Anfang biß zu Ende viele Nullitäten und andere straffbare Dinge begangen, wie aus folgenden Re-

zu vertheydigen, daß diese Jungfräuliche Benennung, wenn sie auch falsch gewesen wäre, mehr pro scendalo accepto, quam dato, zu halten sey. Daß ferner auff den Leichenstein ein anderer Spruch, als den der Prediger in der Leichen-Predigt erklähret, ware gesetzt worden / ware nach der gesunden Vernunfft und nach allen geistlichen und weltlichen Rechten keine straffbahre That, und bezeugte vielmehr offentlich die animosität und Partheyligkeit derer, die daraus ein crimen machen wolten. Daß aber die gute Frau die Auffschrifft anders machen lassen, als Ihr der Pfarrer vorgeschrieben, zeigete wohl in etwas das Haupt-Fundament an, warumb dieser Leichen-Stein zu einen corpore delicti war gemacht worden; aber Unsere Facultät konte auch hierinnen mit dem justitiario nicht einstimmen, zumahlen weder in besagter Kirchen-Ordnung, noch sonsten in jure davon etwas zu befinden war, das ad officium der Prediger gehöre, Ihren Beicht-Kindern dergleichen Formuln, denen diese nothwendig folgen müssen, vorzuschreiben. Und ich bedaure, hierbey daß uns diese beyde formulae discrepantes nicht waren von Anfang biß zu Ende und von Wort zu Wort communiciret worden, denn Sie würden zweiffels ohne dem unpartheyischen Leser vielfältige Gelegenheit gegeben haben, andre bey diesen gantzen Handel verborgene arcana zu errathen. Endlich so viel die aüff den Leichen-Stein befindliche Vergüldung der Buchstaben betraffe, konten wir auch nicht finden, wie dieselbige straffbahr seyn solte, zumahlen da der Verstobene kein gemeiner Bauer, sondern wie ex actis zu sehen, ein Söhn- und Gerichts-Schöpffe gewesen war. Bey diesen Umbständen nun gab sich die Beantwortung des andern puncts von sich selbst, indem die Cantzeley-Regierung dem Gerichs-Herrn keinen Eingriff in seine Jurisdiction gethan, sondern vielmehr zu verwundern war, daß die Regierung die in denen Berichten gebrauchte Anzüglichkeiten in denen Inhibitions Rescriptis nicht schärffer und nachdrücklicher geahntet hätte. &c.

Der dritte casus, von einen armen Unterthanen, den der Justitiarius 5/4 Jahr als einen

§. V. Der dritte zu diesen gegenwärtigen Handel gehörige Casus ist noch merckwürdiger, über welchen in Januario 1697. von uns ein Responsum begehret worden, indem der Justitiarius W. der doch selbst die inquisition meritiret, wieder einen andern armen Unterthanen nicht allein sub praetextu justitiae inquiriret, sondern auch denselben unrechtmäßiger Weise fünff viertheil Jahr in gefänglicher Hafft und zwar an Händen und Füssen geschlossen, behalten, und bey der wieder den armen Menschen angestellten Inquisition von Anfang biß zu Ende viele Nullitäten und andere straffbare Dinge begangen, wie aus folgenden Re-

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[294/0300] zu vertheydigen, daß diese Jungfräuliche Benennung, wenn sie auch falsch gewesen wäre, mehr pro scendalo accepto, quam dato, zu halten sey. Daß ferner auff den Leichenstein ein anderer Spruch, als den der Prediger in der Leichen-Predigt erklähret, ware gesetzt worden / ware nach der gesunden Vernunfft und nach allen geistlichen und weltlichen Rechten keine straffbahre That, und bezeugte vielmehr offentlich die animosität und Partheyligkeit derer, die daraus ein crimen machen wolten. Daß aber die gute Frau die Auffschrifft anders machen lassen, als Ihr der Pfarrer vorgeschrieben, zeigete wohl in etwas das Haupt-Fundament an, warumb dieser Leichen-Stein zu einen corpore delicti war gemacht worden; aber Unsere Facultät konte auch hierinnen mit dem justitiario nicht einstimmen, zumahlen weder in besagter Kirchen-Ordnung, noch sonsten in jure davon etwas zu befinden war, das ad officium der Prediger gehöre, Ihren Beicht-Kindern dergleichen Formuln, denen diese nothwendig folgen müssen, vorzuschreiben. Und ich bedaure, hierbey daß uns diese beyde formulae discrepantes nicht waren von Anfang biß zu Ende und von Wort zu Wort communiciret worden, denn Sie würden zweiffels ohne dem unpartheyischen Leser vielfältige Gelegenheit gegeben haben, andre bey diesen gantzen Handel verborgene arcana zu errathen. Endlich so viel die aüff den Leichen-Stein befindliche Vergüldung der Buchstaben betraffe, konten wir auch nicht finden, wie dieselbige straffbahr seyn solte, zumahlen da der Verstobene kein gemeiner Bauer, sondern wie ex actis zu sehen, ein Söhn- und Gerichts-Schöpffe gewesen war. Bey diesen Umbständen nun gab sich die Beantwortung des andern puncts von sich selbst, indem die Cantzeley-Regierung dem Gerichs-Herrn keinen Eingriff in seine Jurisdiction gethan, sondern vielmehr zu verwundern war, daß die Regierung die in denen Berichten gebrauchte Anzüglichkeiten in denen Inhibitions Rescriptis nicht schärffer und nachdrücklicher geahntet hätte. &c. §. V. Der dritte zu diesen gegenwärtigen Handel gehörige Casus ist noch merckwürdiger, über welchen in Januario 1697. von uns ein Responsum begehret worden, indem der Justitiarius W. der doch selbst die inquisition meritiret, wieder einen andern armen Unterthanen nicht allein sub praetextu justitiae inquiriret, sondern auch denselben unrechtmäßiger Weise fünff viertheil Jahr in gefänglicher Hafft und zwar an Händen und Füssen geschlossen, behalten, und bey der wieder den armen Menschen angestellten Inquisition von Anfang biß zu Ende viele Nullitäten und andere straffbare Dinge begangen, wie aus folgenden Re-

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/300>, abgerufen am 17.05.2024.