Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

gezogenheit eines gewissen Advocaten Johann George B. zu befinden waren,einen vieler unverantwortlichen Dinge beschuldigten Advocato. und wurde gefragt, wie derselbe zu bestraffen wäre. Seine Begünstigungen bestunden hauptsächlich darinnen. Gegen den Vice-Judicem solte der Advocate gesagt haben: es solte noch wohl die Zeit kommen, daß er einen und dem andern den Daumen auf das Auge drücken wolte, welches er mit vehementen Eyffer etliche mahl wiederholet, und den Daumen auf den Tisch, hernach aber auf das Auge gesetzt, auch von seinen Feinden und Wiedrigen vieles gesprochen und dabey gesagt hätte: Er wüste gar wohl, wie es zu Rathhause zugienge, und wie der Rath und die Gerichte richteten; er wolte etliche und dreyßig Puncte aufsetzen und selbige bey der Regierung eingeben. Er wolte es ihnen weisen, wie sie es machten: da die Werbung gewesen, hätten sie die Bürgerschafft nicht schützen wollen; jetzo aber könten sie fein einen und den andern krebsen. Ferner, als die deputirten zu Untersuchung des Staubmehls beysammen gewesen, und denen anwesenden einen Abtritt zu nehmen angedeutet worden, hätte der Advocate B. gesaget: es würde ein schlechter Ausspruch seyn, und als der Syndicus regeriret, er hätte sich darumb nicht zu bekümmern, was die anwesende deputirte schliessen würden; hätte B. mit grosser vehemenz und schweren, bey seiner Seelen &c. sich anfänglich dessen geweigert, und etliche mahl wiederholet, der Syndicus hätte nicht Macht ihn herausgehen zu heissen; als er aber endlich herausgegangen, hätte er draussen unter andern verkleinerlichen Reden gesprochen: er wolte wohl mit dem Syndico überein kommen; eine Canaille hiesse man hinaus gehen: er wolle wohl einem die Spitze bieten und wenn es auch schon der Syndicus selbst wäre. Es lage auch eine Schrifft bey denen Acten die B. für eine seiner Clientin solte concipiret haben, in der unter andern folgende Worte enthalten, was die Ursache sey, daß man auf der Supplicantin Remonstration nicht reflectiren wollen, und ob hierbey nicht affecten mit unterlieffen, liesse sie Supplicantin dahin gestellet seyn, ein jeder würde wissen, wie er bey seiner theuren Pflicht sein Gewissen verwahret / und der Rache Gottes, welche auf der Gläubigen Gebeth und Seuffzen / denen Gewissenlosen auff dem Fuße folge, entgehen würde. Die Exempel solten uns klug machen; GOtt sey es geklaget wie es zugienge &c. Endlich war registriret, daß er sich nomine eines Lieutenants angegeben und vorgelassen zu werden begehret hätte; als man ihn aber nicht vorlassen wollen, hätte er gesagt: wenn man ihn nicht vorlassen wolte, wolte er wieder alle Nullitäten pro-

gezogenheit eines gewissen Advocaten Johann George B. zu befinden waren,einen vieler unverantwortlichen Dinge beschuldigten Advocato. und wurde gefragt, wie derselbe zu bestraffen wäre. Seine Begünstigungen bestunden hauptsächlich darinnen. Gegen den Vice-Judicem solte der Advocate gesagt haben: es solte noch wohl die Zeit kommen, daß er einen und dem andern den Daumen auf das Auge drücken wolte, welches er mit vehementen Eyffer etliche mahl wiederholet, und den Daumen auf den Tisch, hernach aber auf das Auge gesetzt, auch von seinen Feinden und Wiedrigen vieles gesprochen und dabey gesagt hätte: Er wüste gar wohl, wie es zu Rathhause zugienge, und wie der Rath und die Gerichte richteten; er wolte etliche und dreyßig Puncte aufsetzen und selbige bey der Regierung eingeben. Er wolte es ihnen weisen, wie sie es machten: da die Werbung gewesen, hätten sie die Bürgerschafft nicht schützen wollen; jetzo aber könten sie fein einen und den andern krebsen. Ferner, als die deputirten zu Untersuchung des Staubmehls beysammen gewesen, und denen anwesenden einen Abtritt zu nehmen angedeutet worden, hätte der Advocate B. gesaget: es würde ein schlechter Ausspruch seyn, und als der Syndicus regeriret, er hätte sich darumb nicht zu bekümmern, was die anwesende deputirte schliessen würden; hätte B. mit grosser vehemenz und schweren, bey seiner Seelen &c. sich anfänglich dessen geweigert, und etliche mahl wiederholet, der Syndicus hätte nicht Macht ihn herausgehen zu heissen; als er aber endlich herausgegangen, hätte er draussen unter andern verkleinerlichen Reden gesprochen: er wolte wohl mit dem Syndico überein kommen; eine Canaille hiesse man hinaus gehen: er wolle wohl einem die Spitze bieten und wenn es auch schon der Syndicus selbst wäre. Es lage auch eine Schrifft bey denen Acten die B. für eine seiner Clientin solte concipiret haben, in der unter andern folgende Worte enthalten, was die Ursache sey, daß man auf der Supplicantin Remonstration nicht reflectiren wollen, und ob hierbey nicht affecten mit unterlieffen, liesse sie Supplicantin dahin gestellet seyn, ein jeder würde wissen, wie er bey seiner theuren Pflicht sein Gewissen verwahret / und der Rache Gottes, welche auf der Gläubigen Gebeth und Seuffzen / denen Gewissenlosen auff dem Fuße folge, entgehen würde. Die Exempel solten uns klug machen; GOtt sey es geklaget wie es zugienge &c. Endlich war registriret, daß er sich nomine eines Lieutenants angegeben und vorgelassen zu werden begehret hätte; als man ihn aber nicht vorlassen wollen, hätte er gesagt: wenn man ihn nicht vorlassen wolte, wolte er wieder alle Nullitäten pro-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0287" n="281"/>
gezogenheit eines gewissen Advocaten Johann George B. zu befinden                          waren,<note place="right">einen vieler unverantwortlichen Dinge                          beschuldigten <hi rendition="#i">Advocato.</hi></note> und wurde gefragt,                      wie derselbe zu bestraffen wäre. Seine Begünstigungen bestunden hauptsächlich                      darinnen. Gegen den Vice-Judicem solte der Advocate gesagt haben: es solte noch                      wohl die Zeit kommen, daß er einen und dem andern den Daumen auf das Auge                      drücken wolte, welches er mit vehementen Eyffer etliche mahl wiederholet, und                      den Daumen auf den Tisch, hernach aber auf das Auge gesetzt, auch von seinen                      Feinden und Wiedrigen vieles gesprochen und dabey gesagt hätte: Er wüste gar                      wohl, wie es zu Rathhause zugienge, und wie der Rath und die Gerichte richteten;                      er wolte etliche und dreyßig Puncte aufsetzen und selbige bey der Regierung                      eingeben. Er wolte es ihnen weisen, wie sie es machten: da die Werbung gewesen,                      hätten sie die Bürgerschafft nicht schützen wollen; jetzo aber könten sie fein                      einen und den andern krebsen. Ferner, als die deputirten zu Untersuchung des                      Staubmehls beysammen gewesen, und denen anwesenden einen Abtritt zu nehmen                      angedeutet worden, hätte der Advocate B. gesaget: es würde ein schlechter                      Ausspruch seyn, und als der Syndicus regeriret, er hätte sich darumb nicht zu                      bekümmern, was die anwesende deputirte schliessen würden; hätte B. mit grosser                      vehemenz und schweren, bey seiner Seelen &amp;c. sich anfänglich dessen                      geweigert, und etliche mahl wiederholet, der Syndicus hätte nicht Macht ihn                      herausgehen zu heissen; als er aber endlich herausgegangen, hätte er draussen                      unter andern verkleinerlichen Reden gesprochen: er wolte wohl mit dem Syndico                      überein kommen; eine Canaille hiesse man hinaus gehen: er wolle wohl einem die                      Spitze bieten und wenn es auch schon der Syndicus selbst wäre. Es lage auch eine                      Schrifft bey denen Acten die B. für eine seiner Clientin solte concipiret haben,                      in der unter andern folgende Worte enthalten, was die Ursache sey, daß man auf                      der <hi rendition="#i">Supplicantin Remonstration</hi> nicht <hi rendition="#i">reflectir</hi>en wollen, und ob hierbey nicht <hi rendition="#i">affect</hi>en mit unterlieffen, liesse sie <hi rendition="#i">Supplicant</hi>in                      dahin gestellet seyn, ein jeder würde wissen, wie er bey seiner theuren Pflicht                      sein Gewissen verwahret / und der Rache Gottes, welche auf der Gläubigen Gebeth                      und Seuffzen / denen Gewissenlosen auff dem Fuße folge, entgehen würde. Die                      Exempel solten uns klug machen; GOtt sey es geklaget wie es zugienge &amp;c.                      Endlich war registriret, daß er sich nomine eines Lieutenants angegeben und                      vorgelassen zu werden begehret hätte; als man ihn aber nicht vorlassen wollen,                      hätte er gesagt: wenn man ihn nicht vorlassen wolte, wolte er wieder alle                      Nullitäten pro-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0287] gezogenheit eines gewissen Advocaten Johann George B. zu befinden waren, und wurde gefragt, wie derselbe zu bestraffen wäre. Seine Begünstigungen bestunden hauptsächlich darinnen. Gegen den Vice-Judicem solte der Advocate gesagt haben: es solte noch wohl die Zeit kommen, daß er einen und dem andern den Daumen auf das Auge drücken wolte, welches er mit vehementen Eyffer etliche mahl wiederholet, und den Daumen auf den Tisch, hernach aber auf das Auge gesetzt, auch von seinen Feinden und Wiedrigen vieles gesprochen und dabey gesagt hätte: Er wüste gar wohl, wie es zu Rathhause zugienge, und wie der Rath und die Gerichte richteten; er wolte etliche und dreyßig Puncte aufsetzen und selbige bey der Regierung eingeben. Er wolte es ihnen weisen, wie sie es machten: da die Werbung gewesen, hätten sie die Bürgerschafft nicht schützen wollen; jetzo aber könten sie fein einen und den andern krebsen. Ferner, als die deputirten zu Untersuchung des Staubmehls beysammen gewesen, und denen anwesenden einen Abtritt zu nehmen angedeutet worden, hätte der Advocate B. gesaget: es würde ein schlechter Ausspruch seyn, und als der Syndicus regeriret, er hätte sich darumb nicht zu bekümmern, was die anwesende deputirte schliessen würden; hätte B. mit grosser vehemenz und schweren, bey seiner Seelen &c. sich anfänglich dessen geweigert, und etliche mahl wiederholet, der Syndicus hätte nicht Macht ihn herausgehen zu heissen; als er aber endlich herausgegangen, hätte er draussen unter andern verkleinerlichen Reden gesprochen: er wolte wohl mit dem Syndico überein kommen; eine Canaille hiesse man hinaus gehen: er wolle wohl einem die Spitze bieten und wenn es auch schon der Syndicus selbst wäre. Es lage auch eine Schrifft bey denen Acten die B. für eine seiner Clientin solte concipiret haben, in der unter andern folgende Worte enthalten, was die Ursache sey, daß man auf der Supplicantin Remonstration nicht reflectiren wollen, und ob hierbey nicht affecten mit unterlieffen, liesse sie Supplicantin dahin gestellet seyn, ein jeder würde wissen, wie er bey seiner theuren Pflicht sein Gewissen verwahret / und der Rache Gottes, welche auf der Gläubigen Gebeth und Seuffzen / denen Gewissenlosen auff dem Fuße folge, entgehen würde. Die Exempel solten uns klug machen; GOtt sey es geklaget wie es zugienge &c. Endlich war registriret, daß er sich nomine eines Lieutenants angegeben und vorgelassen zu werden begehret hätte; als man ihn aber nicht vorlassen wollen, hätte er gesagt: wenn man ihn nicht vorlassen wolte, wolte er wieder alle Nullitäten pro- einen vieler unverantwortlichen Dinge beschuldigten Advocato.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/287
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/287>, abgerufen am 17.05.2024.