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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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wie bey denen Scriptoribus medii aevi Carnifex nicht einen Scharffrichter, sondern einen Fleischer oder Koch bedeutet, also hätle der Context zeugen sollen, daß in gegenwärtigen loco des Hovedeni Carnifex den Ober Küchen-Meister oder Archidapiferum bedeuten müsse, zugeschweigen daß allbereit du Fresne in seinen Glossario voce Carnifex diesen locum also erklähret. 2) Jedoch sind sie vor ehrliche Leute und denen Untergerichts-Personen an Würden gleich gehalten worden. Siehe Sachsenspiegel, and-Recht Libr. 3. artic. 56. & in indice voce Frohn-Bote, Schwaben Spiegel cap. 25. 26. 35. &c. 3) Die wahre Ursachen, daß man hernach die Scharffrichter, ingleichen Bader, Balbierer und andre ehrliche Leute unehrlich gemacht, sind wohl hauptsächlich nach Einführung der Universitäten denen Römischen und Canonischen Rechten und deten Lehrern zuzuschreiben. 4) Dannenhero thut ein Fürst nicht unrecht, wenn er denen aus diesen Unfug entstehenden Mißbräuchen aus bewegenden vernünfftigen Ursachen steuret, und die Scharffrichter nach Gelegenheit der Umbstände, vielmehr aber ihre Söhne, ehrlich erklähret / und ihnen hiemit die Thüre zu Ehrenstellen eröffnet. u. s. w. Jedoch muß man bey dieser Meynung nicht auf das andere extremum fallen und dergleichen Leute andern Wohlverdienten vorziehen, oder ihnen, wenn sie rechtmäßige Ursachen haben, dieselben aufdringen. Was die Erfahrung betrifft, erinnere ich mich, daß, als ich zu Franckfurt an der Oder studirte, ich zu Cüstrin einen Scharffrichter einen Ubelthäter hencken sahe, von dem mir zugleich glaubwürdig berichtet wurde, daß er der Scharffrichter wegen seiner vernünfftigen Lebens Art und Erfahrenheit in Medicinischen Curen in selbigen district von vornehmen Leuten so wohl von Adelichen als Bürgerlichen Stande, dergestalt geliebet würde, daß man ihn nicht allein öffters zu Gaste bäte, sondern auch je zuweilen ihn selbst besuchte, und in seinem Hause mit ihm ässe. Vor funffzig Jahren habe ich einen Scharffrichter zu Leipzig gekannt, dessen Sohn man kein Bedencken truge, in der Stadt-Schule zu S. Nicolai nebst vieler vornehmer Leute von der Universität und dem Rath ihren Kindern zu dulden. Dessen Vater war auch ein Mann, von dem man nie nichts ungebührliches gehöret, und dessen Kleidung, Gang und Conduite (wenn er öffters auf dem Rathhause und in der Stadt was zu schaffen hatte) nichts anders als eine ungezwungene Erbarkeit und Modestie von sich blicken liesse, dergestalt, daß auch nach seinen Tode einer von denen vornehmsten Predigern und Do-

wie bey denen Scriptoribus medii aevi Carnifex nicht einen Scharffrichter, sondern einen Fleischer oder Koch bedeutet, also hätle der Context zeugen sollen, daß in gegenwärtigen loco des Hovedeni Carnifex den Ober Küchen-Meister oder Archidapiferum bedeuten müsse, zugeschweigen daß allbereit du Fresne in seinen Glossario voce Carnifex diesen locum also erklähret. 2) Jedoch sind sie vor ehrliche Leute und denen Untergerichts-Personen an Würden gleich gehalten worden. Siehe Sachsenspiegel, and-Recht Libr. 3. artic. 56. & in indice voce Frohn-Bote, Schwaben Spiegel cap. 25. 26. 35. &c. 3) Die wahre Ursachen, daß man hernach die Scharffrichter, ingleichen Bader, Balbierer und andre ehrliche Leute unehrlich gemacht, sind wohl hauptsächlich nach Einführung der Universitäten denen Römischen und Canonischen Rechten und deten Lehrern zuzuschreiben. 4) Dannenhero thut ein Fürst nicht unrecht, wenn er denen aus diesen Unfug entstehenden Mißbräuchen aus bewegenden vernünfftigen Ursachen steuret, und die Scharffrichter nach Gelegenheit der Umbstände, vielmehr aber ihre Söhne, ehrlich erklähret / und ihnen hiemit die Thüre zu Ehrenstellen eröffnet. u. s. w. Jedoch muß man bey dieser Meynung nicht auf das andere extremum fallen und dergleichen Leute andern Wohlverdienten vorziehen, oder ihnen, wenn sie rechtmäßige Ursachen haben, dieselben aufdringen. Was die Erfahrung betrifft, erinnere ich mich, daß, als ich zu Franckfurt an der Oder studirte, ich zu Cüstrin einen Scharffrichter einen Ubelthäter hencken sahe, von dem mir zugleich glaubwürdig berichtet wurde, daß er der Scharffrichter wegen seiner vernünfftigen Lebens Art und Erfahrenheit in Medicinischen Curen in selbigen district von vornehmen Leuten so wohl von Adelichen als Bürgerlichen Stande, dergestalt geliebet würde, daß man ihn nicht allein öffters zu Gaste bäte, sondern auch je zuweilen ihn selbst besuchte, und in seinem Hause mit ihm ässe. Vor funffzig Jahren habe ich einen Scharffrichter zu Leipzig gekannt, dessen Sohn man kein Bedencken truge, in der Stadt-Schule zu S. Nicolai nebst vieler vornehmer Leute von der Universität und dem Rath ihren Kindern zu dulden. Dessen Vater war auch ein Mann, von dem man nie nichts ungebührliches gehöret, und dessen Kleidung, Gang und Conduite (wenn er öffters auf dem Rathhause und in der Stadt was zu schaffen hatte) nichts anders als eine ungezwungene Erbarkeit und Modestie von sich blicken liesse, dergestalt, daß auch nach seinen Tode einer von denen vornehmsten Predigern und Do-

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wie bey denen Scriptoribus medii aevi Carnifex nicht einen Scharffrichter,                      sondern einen Fleischer oder Koch bedeutet, also hätle der Context zeugen                      sollen, daß in gegenwärtigen loco des Hovedeni Carnifex den Ober Küchen-Meister                      oder Archidapiferum bedeuten müsse, zugeschweigen daß allbereit du Fresne in                      seinen Glossario voce Carnifex diesen locum also erklähret. 2) Jedoch sind sie                      vor ehrliche Leute und denen Untergerichts-Personen an Würden gleich gehalten                      worden. Siehe Sachsenspiegel, and-Recht Libr. 3. artic. 56. &amp; in indice                      voce Frohn-Bote, Schwaben Spiegel cap. 25. 26. 35. &amp;c. 3) Die wahre                      Ursachen, daß man hernach die Scharffrichter, ingleichen Bader, Balbierer und                      andre ehrliche Leute unehrlich gemacht, sind wohl hauptsächlich nach Einführung                      der Universitäten denen Römischen und <hi rendition="#i">Canoni</hi>schen                      Rechten und deten Lehrern zuzuschreiben. 4) Dannenhero thut ein Fürst nicht                      unrecht, wenn er denen aus diesen Unfug entstehenden Mißbräuchen aus bewegenden                      vernünfftigen Ursachen steuret, und die Scharffrichter nach Gelegenheit der                      Umbstände, vielmehr aber ihre Söhne, ehrlich erklähret / und ihnen hiemit die                      Thüre zu Ehrenstellen eröffnet. u. s. w. Jedoch muß man bey dieser Meynung nicht                      auf das andere extremum fallen und dergleichen Leute andern Wohlverdienten                      vorziehen, oder ihnen, wenn sie rechtmäßige Ursachen haben, dieselben                      aufdringen. Was die Erfahrung betrifft, erinnere ich mich, daß, als ich zu                      Franckfurt an der Oder studirte, ich zu Cüstrin einen Scharffrichter einen                      Ubelthäter hencken sahe, von dem mir zugleich glaubwürdig berichtet wurde, daß                      er der Scharffrichter wegen seiner vernünfftigen Lebens Art und Erfahrenheit in                      Medicinischen Curen in selbigen district von vornehmen Leuten so wohl von                      Adelichen als Bürgerlichen Stande, dergestalt geliebet würde, daß man ihn nicht                      allein öffters zu Gaste bäte, sondern auch je zuweilen ihn selbst besuchte, und                      in seinem Hause mit ihm ässe. Vor funffzig Jahren habe ich einen Scharffrichter                      zu Leipzig gekannt, dessen Sohn man kein Bedencken truge, in der Stadt-Schule zu                      S. Nicolai nebst vieler vornehmer Leute von der Universität und dem Rath ihren                      Kindern zu dulden. Dessen Vater war auch ein Mann, von dem man nie nichts                      ungebührliches gehöret, und dessen Kleidung, Gang und Conduite (wenn er öffters                      auf dem Rathhause und in der Stadt was zu schaffen hatte) nichts anders als eine                      ungezwungene Erbarkeit und Modestie von sich blicken liesse, dergestalt, daß                      auch nach seinen Tode einer von denen vornehmsten Predigern und Do-
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[195/0201] wie bey denen Scriptoribus medii aevi Carnifex nicht einen Scharffrichter, sondern einen Fleischer oder Koch bedeutet, also hätle der Context zeugen sollen, daß in gegenwärtigen loco des Hovedeni Carnifex den Ober Küchen-Meister oder Archidapiferum bedeuten müsse, zugeschweigen daß allbereit du Fresne in seinen Glossario voce Carnifex diesen locum also erklähret. 2) Jedoch sind sie vor ehrliche Leute und denen Untergerichts-Personen an Würden gleich gehalten worden. Siehe Sachsenspiegel, and-Recht Libr. 3. artic. 56. & in indice voce Frohn-Bote, Schwaben Spiegel cap. 25. 26. 35. &c. 3) Die wahre Ursachen, daß man hernach die Scharffrichter, ingleichen Bader, Balbierer und andre ehrliche Leute unehrlich gemacht, sind wohl hauptsächlich nach Einführung der Universitäten denen Römischen und Canonischen Rechten und deten Lehrern zuzuschreiben. 4) Dannenhero thut ein Fürst nicht unrecht, wenn er denen aus diesen Unfug entstehenden Mißbräuchen aus bewegenden vernünfftigen Ursachen steuret, und die Scharffrichter nach Gelegenheit der Umbstände, vielmehr aber ihre Söhne, ehrlich erklähret / und ihnen hiemit die Thüre zu Ehrenstellen eröffnet. u. s. w. Jedoch muß man bey dieser Meynung nicht auf das andere extremum fallen und dergleichen Leute andern Wohlverdienten vorziehen, oder ihnen, wenn sie rechtmäßige Ursachen haben, dieselben aufdringen. Was die Erfahrung betrifft, erinnere ich mich, daß, als ich zu Franckfurt an der Oder studirte, ich zu Cüstrin einen Scharffrichter einen Ubelthäter hencken sahe, von dem mir zugleich glaubwürdig berichtet wurde, daß er der Scharffrichter wegen seiner vernünfftigen Lebens Art und Erfahrenheit in Medicinischen Curen in selbigen district von vornehmen Leuten so wohl von Adelichen als Bürgerlichen Stande, dergestalt geliebet würde, daß man ihn nicht allein öffters zu Gaste bäte, sondern auch je zuweilen ihn selbst besuchte, und in seinem Hause mit ihm ässe. Vor funffzig Jahren habe ich einen Scharffrichter zu Leipzig gekannt, dessen Sohn man kein Bedencken truge, in der Stadt-Schule zu S. Nicolai nebst vieler vornehmer Leute von der Universität und dem Rath ihren Kindern zu dulden. Dessen Vater war auch ein Mann, von dem man nie nichts ungebührliches gehöret, und dessen Kleidung, Gang und Conduite (wenn er öffters auf dem Rathhause und in der Stadt was zu schaffen hatte) nichts anders als eine ungezwungene Erbarkeit und Modestie von sich blicken liesse, dergestalt, daß auch nach seinen Tode einer von denen vornehmsten Predigern und Do-

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/201>, abgerufen am 03.05.2024.