Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.Scharffrichter und Schinder nicht mit einer Sylbe erwehnet würde, und sie also nothwendig unter denen daselbst folgenden Worten, andre geringere Handwercke begriffen seyn müßten, zumahlen da in der Policey-Ordnung 1530. §. 21. der Nachrichter und Abdecker nahmentlich wäre gedacht und ihnen aufferleget worden, daß sie absonderliche Kleydung tragen solten, (damit man nemlich desto eher ihren Umgang fliehen könte.) Die Priester und andere, so vor alters die peinlichen Straffen exequiret, die hätten ja die andern garstigen Handthierungen nicht dabey exerciret. Das Diploma, das Kayser Ferdinand III. dem Scharffrichter gegeben, bewiese vielmehr, daß die Scharffrichter nicht ehrlich wären, denn sonst hätte ihn der Kayser vermittelst des diplomatis nicht von denen übrigen seines Geschlechts absondern dürffen. Was die Richter mit denen Delinquenten zu schaffen hätten, wären gantz andre Sachen, als des Scharffrichters Affairen: denn, wer müste doch wohl den Unflath wegschaffen, wenn die Delinquenten in der Tortur sich fur Angst bethäten? Müste es nicht der Scharffrichter thun? Qui bene distinguit, bene docet. Das Argument von dem arquebousiren schiene zwar dem ersten Ansehen nach etwas besser zu seyn, es verlöhre aber seine Krafft gar bald, wenn man die formalia der Urtheil beschauete: der Delinquent solle aus besondern Gnaden nicht durch des Henckers Hand, sondern von Ehrlichen Cameraden von Leben zum Todte gebracht werden. So wäre auch ferner unter denen Schlächtern und Bauern, die den Pferde-und Sau-Mist wegführeten, und unter der Scharffrichter ihren Verrichtungen ein grosser Unterscheid, inmassen die Schinder verbunden wären, die verfaulten Aeser zu schinden und auf den Schind Anger zu führen, die tollen Hunde und andre Thiere zu fangen und umbzubringen, zu castriren, in Hunds-Tagen und zur Meßzeit die ungezeichneten oder schäbichten Hunde mit Stricken und Prügeln zu verfolgen; die Ubelthäter, so sich selbst umgebracht, wegzuführen, und den Ort von ihren Unflath zu saubern, die öffentlichen Cloaquen zu reinigen, der Bettler ihre Kleider und ihren übrigen von Läusen und Flöhen zu tausenden besetzten Haußrath fortzuschaffen u. s. w. Was endlich die Söhne der Scharffrichter beträffe, so wäre ihnen zwar die gemeine Regel, daß die Kinder der Eltern Missethat nicht tragen solten, nicht unbekannt, aber es wäre auch nicht unbekannt, daß die Regel ihre exceptioncs hätte. Wenn Kinder ausser der Ehe gezeuget würden, so wären sie so lange Hur-Kinder und levis notae macula notati, biß sie legitimiret würden. Die von Scherzio alle- Scharffrichter und Schinder nicht mit einer Sylbe erwehnet würde, und sie also nothwendig unter denen daselbst folgenden Worten, andre geringere Handwercke begriffen seyn müßten, zumahlen da in der Policey-Ordnung 1530. §. 21. der Nachrichter und Abdecker nahmentlich wäre gedacht und ihnen aufferleget worden, daß sie absonderliche Kleydung tragen solten, (damit man nemlich desto eher ihren Umgang fliehen könte.) Die Priester und andere, so vor alters die peinlichen Straffen exequiret, die hätten ja die andern garstigen Handthierungen nicht dabey exerciret. Das Diploma, das Kayser Ferdinand III. dem Scharffrichter gegeben, bewiese vielmehr, daß die Scharffrichter nicht ehrlich wären, denn sonst hätte ihn der Kayser vermittelst des diplomatis nicht von denen übrigen seines Geschlechts absondern dürffen. Was die Richter mit denen Delinquenten zu schaffen hätten, wären gantz andre Sachen, als des Scharffrichters Affairen: denn, wer müste doch wohl den Unflath wegschaffen, wenn die Delinquenten in der Tortur sich fur Angst bethäten? Müste es nicht der Scharffrichter thun? Qui bene distinguit, bene docet. Das Argument von dem arquebousiren schiene zwar dem ersten Ansehen nach etwas besser zu seyn, es verlöhre aber seine Krafft gar bald, wenn man die formalia der Urtheil beschauete: der Delinquent solle aus besondern Gnaden nicht durch des Henckers Hand, sondern von Ehrlichen Cameraden von Leben zum Todte gebracht werden. So wäre auch ferner unter denen Schlächtern und Bauern, die den Pferde-und Sau-Mist wegführeten, und unter der Scharffrichter ihren Verrichtungen ein grosser Unterscheid, inmassen die Schinder verbunden wären, die verfaulten Aeser zu schinden und auf den Schind Anger zu führen, die tollen Hunde und andre Thiere zu fangen und umbzubringen, zu castriren, in Hunds-Tagen und zur Meßzeit die ungezeichneten oder schäbichten Hunde mit Stricken und Prügeln zu verfolgen; die Ubelthäter, so sich selbst umgebracht, wegzuführen, und den Ort von ihren Unflath zu saubern, die öffentlichen Cloaquen zu reinigen, der Bettler ihre Kleider und ihren übrigen von Läusen und Flöhen zu tausenden besetzten Haußrath fortzuschaffen u. s. w. Was endlich die Söhne der Scharffrichter beträffe, so wäre ihnen zwar die gemeine Regel, daß die Kinder der Eltern Missethat nicht tragen solten, nicht unbekannt, aber es wäre auch nicht unbekannt, daß die Regel ihre exceptioncs hätte. Wenn Kinder ausser der Ehe gezeuget würden, so wären sie so lange Hur-Kinder und levis notae macula notati, biß sie legitimiret würden. Die von Scherzio alle- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0196" n="190"/> Scharffrichter und Schinder nicht mit einer Sylbe erwehnet würde, und sie also nothwendig unter denen daselbst folgenden Worten, andre geringere Handwercke begriffen seyn müßten, zumahlen da in der Policey-Ordnung 1530. §. 21. der Nachrichter und Abdecker nahmentlich wäre gedacht und ihnen aufferleget worden, daß sie absonderliche Kleydung tragen solten, (damit man nemlich desto eher ihren Umgang fliehen könte.) Die Priester und andere, so vor alters die peinlichen Straffen exequiret, die hätten ja die andern garstigen Handthierungen nicht dabey exerciret. Das Diploma, das Kayser Ferdinand III. dem Scharffrichter gegeben, bewiese vielmehr, daß die Scharffrichter nicht ehrlich wären, denn sonst hätte ihn der Kayser vermittelst des diplomatis nicht von denen übrigen seines Geschlechts absondern dürffen. Was die Richter mit denen Delinquenten zu schaffen hätten, wären gantz andre Sachen, als des Scharffrichters Affairen: denn, wer müste doch wohl den Unflath wegschaffen, wenn die Delinquenten in der Tortur sich fur Angst bethäten? Müste es nicht der Scharffrichter thun? Qui bene distinguit, bene docet. Das Argument von dem arquebousiren schiene zwar dem ersten Ansehen nach etwas besser zu seyn, es verlöhre aber seine Krafft gar bald, wenn man die formalia der Urtheil beschauete: der <hi rendition="#i">Delinquent</hi> solle aus besondern Gnaden nicht durch des Henckers Hand, sondern von Ehrlichen Cameraden von Leben zum Todte gebracht werden. So wäre auch ferner unter denen Schlächtern und Bauern, die den Pferde-und Sau-Mist wegführeten, und unter der Scharffrichter ihren Verrichtungen ein grosser Unterscheid, inmassen die Schinder verbunden wären, die verfaulten Aeser zu schinden und auf den Schind Anger zu führen, die tollen Hunde und andre Thiere zu fangen und umbzubringen, zu castriren, in Hunds-Tagen und zur Meßzeit die ungezeichneten oder schäbichten Hunde mit Stricken und Prügeln zu verfolgen; die Ubelthäter, so sich selbst umgebracht, wegzuführen, und den Ort von ihren Unflath zu saubern, die öffentlichen Cloaquen zu reinigen, der Bettler ihre Kleider und ihren übrigen von Läusen und Flöhen zu tausenden besetzten Haußrath fortzuschaffen u. s. w. Was endlich die Söhne der Scharffrichter beträffe, so wäre ihnen zwar die gemeine Regel, daß die Kinder der Eltern Missethat nicht tragen solten, nicht unbekannt, aber es wäre auch nicht unbekannt, daß die Regel ihre exceptioncs hätte. Wenn Kinder ausser der Ehe gezeuget würden, so wären sie so lange Hur-Kinder und levis notae macula notati, biß sie legitimiret würden. Die von Scherzio alle- </p> </div> </body> </text> </TEI> [190/0196]
Scharffrichter und Schinder nicht mit einer Sylbe erwehnet würde, und sie also nothwendig unter denen daselbst folgenden Worten, andre geringere Handwercke begriffen seyn müßten, zumahlen da in der Policey-Ordnung 1530. §. 21. der Nachrichter und Abdecker nahmentlich wäre gedacht und ihnen aufferleget worden, daß sie absonderliche Kleydung tragen solten, (damit man nemlich desto eher ihren Umgang fliehen könte.) Die Priester und andere, so vor alters die peinlichen Straffen exequiret, die hätten ja die andern garstigen Handthierungen nicht dabey exerciret. Das Diploma, das Kayser Ferdinand III. dem Scharffrichter gegeben, bewiese vielmehr, daß die Scharffrichter nicht ehrlich wären, denn sonst hätte ihn der Kayser vermittelst des diplomatis nicht von denen übrigen seines Geschlechts absondern dürffen. Was die Richter mit denen Delinquenten zu schaffen hätten, wären gantz andre Sachen, als des Scharffrichters Affairen: denn, wer müste doch wohl den Unflath wegschaffen, wenn die Delinquenten in der Tortur sich fur Angst bethäten? Müste es nicht der Scharffrichter thun? Qui bene distinguit, bene docet. Das Argument von dem arquebousiren schiene zwar dem ersten Ansehen nach etwas besser zu seyn, es verlöhre aber seine Krafft gar bald, wenn man die formalia der Urtheil beschauete: der Delinquent solle aus besondern Gnaden nicht durch des Henckers Hand, sondern von Ehrlichen Cameraden von Leben zum Todte gebracht werden. So wäre auch ferner unter denen Schlächtern und Bauern, die den Pferde-und Sau-Mist wegführeten, und unter der Scharffrichter ihren Verrichtungen ein grosser Unterscheid, inmassen die Schinder verbunden wären, die verfaulten Aeser zu schinden und auf den Schind Anger zu führen, die tollen Hunde und andre Thiere zu fangen und umbzubringen, zu castriren, in Hunds-Tagen und zur Meßzeit die ungezeichneten oder schäbichten Hunde mit Stricken und Prügeln zu verfolgen; die Ubelthäter, so sich selbst umgebracht, wegzuführen, und den Ort von ihren Unflath zu saubern, die öffentlichen Cloaquen zu reinigen, der Bettler ihre Kleider und ihren übrigen von Läusen und Flöhen zu tausenden besetzten Haußrath fortzuschaffen u. s. w. Was endlich die Söhne der Scharffrichter beträffe, so wäre ihnen zwar die gemeine Regel, daß die Kinder der Eltern Missethat nicht tragen solten, nicht unbekannt, aber es wäre auch nicht unbekannt, daß die Regel ihre exceptioncs hätte. Wenn Kinder ausser der Ehe gezeuget würden, so wären sie so lange Hur-Kinder und levis notae macula notati, biß sie legitimiret würden. Die von Scherzio alle-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/196>, abgerufen am 16.02.2025. |