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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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kam, und gemeiniglich eine ehrbare Weibes-Person agiren muste, von denen Zuschauern wegen seiner Geschicklichkeit und modestie admiriret wurde; Nachdem aber bald darauf diese Vergönstigung, fürnehmlich wegen der Untreu und gemachten Schulden derer Directorum wieder aufgehoben wurde, zog dieser junge Mensch mit denen Comödianten, die von dieser Nahrung profession machten, und von einem Ort zu den andern zu ziehen pflegten, etliche Jahre herum, und bekam auf diese Weise Gelegenheit ohne seine Kosten (die ihm ohne dem mangelten) die Sitten und Gebräuche der Teutschen Provintzien und anderer angräntzenden Länder kennen zu lernen, wendete sich aber nachhero wieder in sein Vaterland nach Leipzig, wiedmete sich dem Studio Theologiae, und verdiente mit seinem Fleiß und bescheidener Lebens-Art, daß er nicht alleine von denen Lehrern auf die Cantzel gelassen, und von dem Volck wegen seiner angenehmen Art zu predigen sehr geliebet, sondern auch nach etlichen Jahren in einer benachbarten Stadt zum Prediger bestellet wurde, ohne daß ihm die geringste Hindernüß wegen seines vorhergehenden, obschon männiglich bekannten Comödianten-Lebens, von jemand wäre gemacht worden.

§. III. Dieses voraus gesetzt, werden nunmehro die bey diesemErster casus von der Gültigkeit eines Contracts darinnen sich eine Comödiantin auf eine gewisse Zeit versprochen hatte. Handel etwa vorkommende Fälle und responsa desto deutlicher verstanden und begriffen werden können. Anno 1697. im Julio wurde von unserer Facultät ein Responsum über folgenden casum begehret. Antonia hatte sich von Mevio zu Fortsetzung der Opern bestellen lassen, und sich dabey versprochen in seinem Dienste zu bleiben, so lange er die Opern continuiren würde. Der Contract war auf folgende Art schrifftlich abgefaßt:

Demnach Herr Mevius zu Fortsetzung der Opern so wohl durch Herrn Cajum, als jetzigen Directorem, als hinkünfftig durch andere mich zu Ends-Unterschriebene anhero kommen / und so lange er dieselben continuiren wird, mich dabey zu engagiren sich gefallen lassen; Als verpflichte und verbinde mich hiemit und in Krafft dieses, daß ich währender solchen Zeit mich nicht allein fromm, und wie einen honesten Frauenzimmer wohl anstehet, tragen, dem Herrn Directori pariren, diejenige Partheyen, so mir zu repraesentiren werden zugestellet werden, ohne Wiederrede memoriren und aus bestimmte Zeit vorstellen, denen legibus gleich andern mich unterwerffen, auch sonsten so verhalten will, daß man deßfalls ein völliges Vergnügen haben solle, besondern ich verspreche auch, daß ich währender solcher Zeit mit niemand, er sey hoch oder niedrigen Standes, mich engagiren, oder Opern ab-

kam, und gemeiniglich eine ehrbare Weibes-Person agiren muste, von denen Zuschauern wegen seiner Geschicklichkeit und modestie admiriret wurde; Nachdem aber bald darauf diese Vergönstigung, fürnehmlich wegen der Untreu und gemachten Schulden derer Directorum wieder aufgehoben wurde, zog dieser junge Mensch mit denen Comödianten, die von dieser Nahrung profession machten, und von einem Ort zu den andern zu ziehen pflegten, etliche Jahre herum, und bekam auf diese Weise Gelegenheit ohne seine Kosten (die ihm ohne dem mangelten) die Sitten und Gebräuche der Teutschen Provintzien und anderer angräntzenden Länder kennen zu lernen, wendete sich aber nachhero wieder in sein Vaterland nach Leipzig, wiedmete sich dem Studio Theologiae, und verdiente mit seinem Fleiß und bescheidener Lebens-Art, daß er nicht alleine von denen Lehrern auf die Cantzel gelassen, und von dem Volck wegen seiner angenehmen Art zu predigen sehr geliebet, sondern auch nach etlichen Jahren in einer benachbarten Stadt zum Prediger bestellet wurde, ohne daß ihm die geringste Hindernüß wegen seines vorhergehenden, obschon männiglich bekannten Comödianten-Lebens, von jemand wäre gemacht worden.

§. III. Dieses voraus gesetzt, werden nunmehro die bey diesemErster casus von der Gültigkeit eines Contracts darinnen sich eine Comödiantin auf eine gewisse Zeit versprochen hatte. Handel etwa vorkommende Fälle und responsa desto deutlicher verstanden und begriffen werden können. Anno 1697. im Julio wurde von unserer Facultät ein Responsum über folgenden casum begehret. Antonia hatte sich von Mevio zu Fortsetzung der Opern bestellen lassen, und sich dabey versprochen in seinem Dienste zu bleiben, so lange er die Opern continuiren würde. Der Contract war auf folgende Art schrifftlich abgefaßt:

Demnach Herr Mevius zu Fortsetzung der Opern so wohl durch Herrn Cajum, als jetzigen Directorem, als hinkünfftig durch andere mich zu Ends-Unterschriebene anhero kommen / und so lange er dieselben continuiren wird, mich dabey zu engagiren sich gefallen lassen; Als verpflichte und verbinde mich hiemit und in Krafft dieses, daß ich währender solchen Zeit mich nicht allein fromm, und wie einen honesten Frauenzimmer wohl anstehet, tragen, dem Herrn Directori pariren, diejenige Partheyen, so mir zu repraesentiren werden zugestellet werden, ohne Wiederrede memoriren und aus bestimmte Zeit vorstellen, denen legibus gleich andern mich unterwerffen, auch sonsten so verhalten will, daß man deßfalls ein völliges Vergnügen haben solle, besondern ich verspreche auch, daß ich währender solcher Zeit mit niemand, er sey hoch oder niedrigen Standes, mich engagiren, oder Opern ab-

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[171/0177] kam, und gemeiniglich eine ehrbare Weibes-Person agiren muste, von denen Zuschauern wegen seiner Geschicklichkeit und modestie admiriret wurde; Nachdem aber bald darauf diese Vergönstigung, fürnehmlich wegen der Untreu und gemachten Schulden derer Directorum wieder aufgehoben wurde, zog dieser junge Mensch mit denen Comödianten, die von dieser Nahrung profession machten, und von einem Ort zu den andern zu ziehen pflegten, etliche Jahre herum, und bekam auf diese Weise Gelegenheit ohne seine Kosten (die ihm ohne dem mangelten) die Sitten und Gebräuche der Teutschen Provintzien und anderer angräntzenden Länder kennen zu lernen, wendete sich aber nachhero wieder in sein Vaterland nach Leipzig, wiedmete sich dem Studio Theologiae, und verdiente mit seinem Fleiß und bescheidener Lebens-Art, daß er nicht alleine von denen Lehrern auf die Cantzel gelassen, und von dem Volck wegen seiner angenehmen Art zu predigen sehr geliebet, sondern auch nach etlichen Jahren in einer benachbarten Stadt zum Prediger bestellet wurde, ohne daß ihm die geringste Hindernüß wegen seines vorhergehenden, obschon männiglich bekannten Comödianten-Lebens, von jemand wäre gemacht worden. §. III. Dieses voraus gesetzt, werden nunmehro die bey diesem Handel etwa vorkommende Fälle und responsa desto deutlicher verstanden und begriffen werden können. Anno 1697. im Julio wurde von unserer Facultät ein Responsum über folgenden casum begehret. Antonia hatte sich von Mevio zu Fortsetzung der Opern bestellen lassen, und sich dabey versprochen in seinem Dienste zu bleiben, so lange er die Opern continuiren würde. Der Contract war auf folgende Art schrifftlich abgefaßt: Erster casus von der Gültigkeit eines Contracts darinnen sich eine Comödiantin auf eine gewisse Zeit versprochen hatte. Demnach Herr Mevius zu Fortsetzung der Opern so wohl durch Herrn Cajum, als jetzigen Directorem, als hinkünfftig durch andere mich zu Ends-Unterschriebene anhero kommen / und so lange er dieselben continuiren wird, mich dabey zu engagiren sich gefallen lassen; Als verpflichte und verbinde mich hiemit und in Krafft dieses, daß ich währender solchen Zeit mich nicht allein fromm, und wie einen honesten Frauenzimmer wohl anstehet, tragen, dem Herrn Directori pariren, diejenige Partheyen, so mir zu repraesentiren werden zugestellet werden, ohne Wiederrede memoriren und aus bestimmte Zeit vorstellen, denen legibus gleich andern mich unterwerffen, auch sonsten so verhalten will, daß man deßfalls ein völliges Vergnügen haben solle, besondern ich verspreche auch, daß ich währender solcher Zeit mit niemand, er sey hoch oder niedrigen Standes, mich engagiren, oder Opern ab-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/177>, abgerufen am 02.05.2024.