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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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schwehrmüthige und scheinheilige Geblüthe desto eher, jedoch mit masse, sich bedienenen solle. Sagt er, es sey ihm indifferent: so antworte ich auch, daß ich auch für indifferent hielte, er möge hinein gehen oder nicht. Was die Comödianten selbst betrifft, ist freylich auch hin und wieder ein Unterschied zu machen. Ernsthaffte, tyrannische, schertzhaffte, barmhertzige, tugendhaffte, lasterhaffte Personen zu praesentiren, und dergleichen Reden zu führen, wie selbige zu thun pflegen, (wann nur der excess als GOtt eslästern, Fluchen, Sauzoten u. d. g. verhütet wird) halt ich gleichfalls an sich selbst für indifferent; jedoch muß eben die vorige Anmerckung auch hieher appliciret werden, daß man wohl acht gebe, durch was für Personen der herrschende lasterhaffte affect gestärcket oder geschwächet werde. Solcher gestalt mache ich auch einen Unterscheid unter denen sogenannten Pickelheringen, ob dieselben einen ingeniösen Schertz fürbringen, oder ob sie mit groben und garstigen Redens Arten die Zuschauer zum Lachen bewegen. Ich kan mich auch nicht bereden, daß es an sich selbst eine Sünde seyn solle, wenn eine Manns-Person in einer Comödie eine Weibs-Person agiret, ob mir gleichwohl bekannt, daß Moses auf GOttes Befehl denen Israeliten verboten, daß sie keine Weibes-Kleider tragen solten, nachdem Spencer und andere Gelehrte gewiesen, daß das Mosaische Gesetz seine Absicht fürnehmlich gehabt die Israeliten von denen heydnischen, und abgöttischen und lasterhafften Gebräuchen die bey dem Götzen-Dienst des Martis und Veneris im schwange giengen, abzuhalten. Ich halte ferner dafür, daß es eine sehr unanständige auch schändliche Sache sey, wenn geistliche Personen, und unter denen weltlichen Alte und in ansehnlichen Ehrenstellen stehende Leute Comödien agiren, oder denenselben beywohnen. Dieses ist kürtzlich meine Meynung von dieser Materie, so ferne ich als ein Liebhaber der wahren und vernünfftigen Weißheit, ingleichen als ein vernünfftiger Ausleger des auch denen Layen bey uns zulesen vergönneten Mosaischen Gesetzes darum gefraget werden solte. So ferne ich aber als ein Juriste davon schreiben soll, kan ich die Comödianten überhaupt nicht für unehrlich halten, nachdem in Teutschland auch unter denen Evangelischen Fürsten durch eine allgemeine Gewohnheit das Gegentheil eingeführet ist, und die Comödianten zuweilen mit dem Ehren Titul Fürstlicher Kammerdiener, Hoff-Comödianten u. s. w. begnadiget werden. Ich entsinne mich hierbey, daß in meiner Jugend vor 50. Jahren in Leipzig denen Studiosis vergönnet wurde, eine Zeitlang Comödien für Geld zu spielen, und daß damahlen ein junger Mensch, der von der Schulen

schwehrmüthige und scheinheilige Geblüthe desto eher, jedoch mit masse, sich bedienenen solle. Sagt er, es sey ihm indifferent: so antworte ich auch, daß ich auch für indifferent hielte, er möge hinein gehen oder nicht. Was die Comödianten selbst betrifft, ist freylich auch hin und wieder ein Unterschied zu machen. Ernsthaffte, tyrannische, schertzhaffte, barmhertzige, tugendhaffte, lasterhaffte Personen zu praesentiren, und dergleichen Reden zu führen, wie selbige zu thun pflegen, (wann nur der excess als GOtt eslästern, Fluchen, Sauzoten u. d. g. verhütet wird) halt ich gleichfalls an sich selbst für indifferent; jedoch muß eben die vorige Anmerckung auch hieher appliciret werden, daß man wohl acht gebe, durch was für Personen der herrschende lasterhaffte affect gestärcket oder geschwächet werde. Solcher gestalt mache ich auch einen Unterscheid unter denen sogenannten Pickelheringen, ob dieselben einen ingeniösen Schertz fürbringen, oder ob sie mit groben und garstigen Redens Arten die Zuschauer zum Lachen bewegen. Ich kan mich auch nicht bereden, daß es an sich selbst eine Sünde seyn solle, wenn eine Manns-Person in einer Comödie eine Weibs-Person agiret, ob mir gleichwohl bekannt, daß Moses auf GOttes Befehl denen Israeliten verboten, daß sie keine Weibes-Kleider tragen solten, nachdem Spencer und andere Gelehrte gewiesen, daß das Mosaische Gesetz seine Absicht fürnehmlich gehabt die Israeliten von denen heydnischen, und abgöttischen und lasterhafften Gebräuchen die bey dem Götzen-Dienst des Martis und Veneris im schwange giengen, abzuhalten. Ich halte ferner dafür, daß es eine sehr unanständige auch schändliche Sache sey, wenn geistliche Personen, und unter denen weltlichen Alte und in ansehnlichen Ehrenstellen stehende Leute Comödien agiren, oder denenselben beywohnen. Dieses ist kürtzlich meine Meynung von dieser Materie, so ferne ich als ein Liebhaber der wahren und vernünfftigen Weißheit, ingleichen als ein vernünfftiger Ausleger des auch denen Layen bey uns zulesen vergönneten Mosaischen Gesetzes darum gefraget werden solte. So ferne ich aber als ein Juriste davon schreiben soll, kan ich die Comödianten überhaupt nicht für unehrlich halten, nachdem in Teutschland auch unter denen Evangelischen Fürsten durch eine allgemeine Gewohnheit das Gegentheil eingeführet ist, und die Comödianten zuweilen mit dem Ehren Titul Fürstlicher Kammerdiener, Hoff-Comödianten u. s. w. begnadiget werden. Ich entsinne mich hierbey, daß in meiner Jugend vor 50. Jahren in Leipzig denen Studiosis vergönnet wurde, eine Zeitlang Comödien für Geld zu spielen, und daß damahlen ein junger Mensch, der von der Schulen

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schwehrmüthige und scheinheilige Geblüthe desto eher,                      jedoch mit masse, sich bedienenen solle. Sagt er, es sey ihm indifferent: so                      antworte ich auch, daß ich auch für indifferent hielte, er möge hinein gehen                      oder nicht. Was die Comödianten selbst betrifft, ist freylich auch hin und                      wieder ein Unterschied zu machen. Ernsthaffte, tyrannische, schertzhaffte,                      barmhertzige, tugendhaffte, lasterhaffte Personen zu praesentiren, und                      dergleichen Reden zu führen, wie selbige zu thun pflegen, (wann nur der excess                      als GOtt eslästern, Fluchen, Sauzoten u. d. g. verhütet wird) halt ich                      gleichfalls an sich selbst für indifferent; jedoch muß eben die vorige                      Anmerckung auch hieher appliciret werden, daß man wohl acht gebe, durch was für                      Personen der herrschende lasterhaffte affect gestärcket oder geschwächet werde.                      Solcher gestalt mache ich auch einen Unterscheid unter denen sogenannten                      Pickelheringen, ob dieselben einen ingeniösen Schertz fürbringen, oder ob sie                      mit groben und garstigen Redens Arten die Zuschauer zum Lachen bewegen. Ich kan                      mich auch nicht bereden, daß es an sich selbst eine Sünde seyn solle, wenn eine                      Manns-Person in einer Comödie eine Weibs-Person agiret, ob mir gleichwohl                      bekannt, daß Moses auf GOttes Befehl denen Israeliten verboten, daß sie keine                      Weibes-Kleider tragen solten, nachdem Spencer und andere Gelehrte gewiesen, daß                      das Mosaische Gesetz seine Absicht fürnehmlich gehabt die Israeliten von denen                      heydnischen, und abgöttischen und lasterhafften Gebräuchen die bey dem                      Götzen-Dienst des Martis und Veneris im schwange giengen, abzuhalten. Ich halte                      ferner dafür, daß es eine sehr unanständige auch schändliche Sache sey, wenn                      geistliche Personen, und unter denen weltlichen Alte und in ansehnlichen                      Ehrenstellen stehende Leute Comödien agiren, oder denenselben beywohnen. Dieses                      ist kürtzlich meine Meynung von dieser Materie, so ferne ich als ein Liebhaber                      der wahren und vernünfftigen Weißheit, ingleichen als ein vernünfftiger Ausleger                      des auch denen Layen bey uns zulesen vergönneten Mosaischen Gesetzes darum                      gefraget werden solte. So ferne ich aber als ein Juriste davon schreiben soll,                      kan ich die Comödianten überhaupt nicht für unehrlich halten, nachdem in                      Teutschland auch unter denen Evangelischen Fürsten durch eine allgemeine                      Gewohnheit das Gegentheil eingeführet ist, und die Comödianten zuweilen mit dem                      Ehren Titul Fürstlicher Kammerdiener, Hoff-Comödianten u. s. w. begnadiget                      werden. Ich entsinne mich hierbey, daß in meiner Jugend vor 50. Jahren in                      Leipzig denen Studiosis vergönnet wurde, eine Zeitlang Comödien für Geld zu                      spielen, und daß damahlen ein junger Mensch, der von der Schulen
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[170/0176] schwehrmüthige und scheinheilige Geblüthe desto eher, jedoch mit masse, sich bedienenen solle. Sagt er, es sey ihm indifferent: so antworte ich auch, daß ich auch für indifferent hielte, er möge hinein gehen oder nicht. Was die Comödianten selbst betrifft, ist freylich auch hin und wieder ein Unterschied zu machen. Ernsthaffte, tyrannische, schertzhaffte, barmhertzige, tugendhaffte, lasterhaffte Personen zu praesentiren, und dergleichen Reden zu führen, wie selbige zu thun pflegen, (wann nur der excess als GOtt eslästern, Fluchen, Sauzoten u. d. g. verhütet wird) halt ich gleichfalls an sich selbst für indifferent; jedoch muß eben die vorige Anmerckung auch hieher appliciret werden, daß man wohl acht gebe, durch was für Personen der herrschende lasterhaffte affect gestärcket oder geschwächet werde. Solcher gestalt mache ich auch einen Unterscheid unter denen sogenannten Pickelheringen, ob dieselben einen ingeniösen Schertz fürbringen, oder ob sie mit groben und garstigen Redens Arten die Zuschauer zum Lachen bewegen. Ich kan mich auch nicht bereden, daß es an sich selbst eine Sünde seyn solle, wenn eine Manns-Person in einer Comödie eine Weibs-Person agiret, ob mir gleichwohl bekannt, daß Moses auf GOttes Befehl denen Israeliten verboten, daß sie keine Weibes-Kleider tragen solten, nachdem Spencer und andere Gelehrte gewiesen, daß das Mosaische Gesetz seine Absicht fürnehmlich gehabt die Israeliten von denen heydnischen, und abgöttischen und lasterhafften Gebräuchen die bey dem Götzen-Dienst des Martis und Veneris im schwange giengen, abzuhalten. Ich halte ferner dafür, daß es eine sehr unanständige auch schändliche Sache sey, wenn geistliche Personen, und unter denen weltlichen Alte und in ansehnlichen Ehrenstellen stehende Leute Comödien agiren, oder denenselben beywohnen. Dieses ist kürtzlich meine Meynung von dieser Materie, so ferne ich als ein Liebhaber der wahren und vernünfftigen Weißheit, ingleichen als ein vernünfftiger Ausleger des auch denen Layen bey uns zulesen vergönneten Mosaischen Gesetzes darum gefraget werden solte. So ferne ich aber als ein Juriste davon schreiben soll, kan ich die Comödianten überhaupt nicht für unehrlich halten, nachdem in Teutschland auch unter denen Evangelischen Fürsten durch eine allgemeine Gewohnheit das Gegentheil eingeführet ist, und die Comödianten zuweilen mit dem Ehren Titul Fürstlicher Kammerdiener, Hoff-Comödianten u. s. w. begnadiget werden. Ich entsinne mich hierbey, daß in meiner Jugend vor 50. Jahren in Leipzig denen Studiosis vergönnet wurde, eine Zeitlang Comödien für Geld zu spielen, und daß damahlen ein junger Mensch, der von der Schulen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/176>, abgerufen am 24.11.2024.