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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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CHristus ferner das von diesen Heuchiern versührte Volck gewarnet: (Wehe euch ihr Schrifftgelehrten und Pharisäer &c. ingleichen Sehet euch für für den falschen Propheten &c.) hätten diese Leute den Heyland nicht alleine der erschrecklichsten Laster als der Zauberey, Ketzerey, beleydigter Majestät u. s. w. fälschlich beschuldiget, sondern auch öffentlich verklagt, und durch den sich vor ihrer Wut und Raseren fürchtenden ungerechten Richter Pilatum gar verdammet. Diese Anmerckung müsse nun anfänglich ein jeder wahrer Christ auf sich appliciren, (jedoch nach vorher erwehnter und mit Unterschied beantworteter Frage: ob und wie weit ein wahrer Christ sich mit dem Herrn Christo vergleichen könne?) und sey demnach dieses eines von denen vornehmsten Kenn-Zeichen eines wahren Christen, daß ihn die Welt hasse. Dannenhero sey auch offenbahr daß es eine falsche und heuchelerische Beschuldigung sey, wenn man einen ehrlichen Mann dadurch verdächtig machen wolle, daß er viel Feinde habe und sich mit niemand vertragen könne. Denn gleichwie das Gegentheil aus dem angeführten Spruch Johannis deutlich könne erwiesen werden; also werde selbiges auch durch gar viele Exempel tugendhaffter Leute erleutert, (worbey für andern die Exempel Aristidis, Socratis, Lutheri, Erasmi, Reuchlini, Hutteni etwas umbständlicher angeführet wurden.) Man pflege zwar zu Beschönigung dieser verleumderischen Beschuldigung aus dem Syrach cap. 6. vers. 2. & seq. anzuführen: Laß dich nicht zu klug düncken jedermann zu tadeln; denn ein solcher gifftiger Mensch schadet ihn selber, und wird seinen Feinden ein Spott. Wenn man aber dasselbige vernünfftig auslege, so käme die application auff ehrliche Leute eben so verleumderisch heraus, als die Beschuldigung selbst. Vielmehr käme denen Verleumbdeten zu statten was Syrach in 20. Cap. versic. 6. & 7. sage; Etlicher schweiget, und wartet seiner Zeit: Ein weiser Mann schweiger, biß er seine Zeit ersiehet, aber ein jäher Narr kan der Zeit nicht erwarten. Ingleichen was das Buch der Weißheit in 2. Cap. vers. 11. seq. lehre: Was wir nur thun können, das sol recht seyn. Denn wer nicht thun kan, was ihn gelüstet, der gilt nichts: So laßtuns auf den Gerechten lauren, denn er macht uns viel Unlust / und setzt sich wieder unser thun &c. (wie denn auch die folgende Worte biß auf den 21. vers inclusive denen Auditoribus vorgelesen wurden.) Ja es erhelle aus diesen letzten Ort, daß derjenige, der allgemeine Mängel und Laster öffentlich tadele, nicht so fort für lasterhafft ausgeschryen werden

CHristus ferner das von diesen Heuchiern versührte Volck gewarnet: (Wehe euch ihr Schrifftgelehrten und Pharisäer &c. ingleichen Sehet euch für für den falschen Propheten &c.) hätten diese Leute den Heyland nicht alleine der erschrecklichsten Laster als der Zauberey, Ketzerey, beleydigter Majestät u. s. w. fälschlich beschuldiget, sondern auch öffentlich verklagt, und durch den sich vor ihrer Wut und Raseren fürchtenden ungerechten Richter Pilatum gar verdammet. Diese Anmerckung müsse nun anfänglich ein jeder wahrer Christ auf sich appliciren, (jedoch nach vorher erwehnter und mit Unterschied beantworteter Frage: ob und wie weit ein wahrer Christ sich mit dem Herrn Christo vergleichen könne?) und sey demnach dieses eines von denen vornehmsten Kenn-Zeichen eines wahren Christen, daß ihn die Welt hasse. Dannenhero sey auch offenbahr daß es eine falsche und heuchelerische Beschuldigung sey, wenn man einen ehrlichen Mann dadurch verdächtig machen wolle, daß er viel Feinde habe und sich mit niemand vertragen könne. Denn gleichwie das Gegentheil aus dem angeführten Spruch Johannis deutlich könne erwiesen werden; also werde selbiges auch durch gar viele Exempel tugendhaffter Leute erleutert, (worbey für andern die Exempel Aristidis, Socratis, Lutheri, Erasmi, Reuchlini, Hutteni etwas umbständlicher angeführet wurden.) Man pflege zwar zu Beschönigung dieser verleumderischen Beschuldigung aus dem Syrach cap. 6. vers. 2. & seq. anzuführen: Laß dich nicht zu klug düncken jedermann zu tadeln; denn ein solcher gifftiger Mensch schadet ihn selber, und wird seinen Feinden ein Spott. Wenn man aber dasselbige vernünfftig auslege, so käme die application auff ehrliche Leute eben so verleumderisch heraus, als die Beschuldigung selbst. Vielmehr käme denen Verleumbdeten zu statten was Syrach in 20. Cap. versic. 6. & 7. sage; Etlicher schweiget, und wartet seiner Zeit: Ein weiser Mann schweiger, biß er seine Zeit ersiehet, aber ein jäher Narr kan der Zeit nicht erwarten. Ingleichen was das Buch der Weißheit in 2. Cap. vers. 11. seq. lehre: Was wir nur thun können, das sol recht seyn. Denn wer nicht thun kan, was ihn gelüstet, der gilt nichts: So laßtuns auf den Gerechten lauren, denn er macht uns viel Unlust / und setzt sich wieder unser thun &c. (wie denn auch die folgende Worte biß auf den 21. vers inclusive denen Auditoribus vorgelesen wurden.) Ja es erhelle aus diesen letzten Ort, daß derjenige, der allgemeine Mängel und Laster öffentlich tadele, nicht so fort für lasterhafft ausgeschryen werden

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CHristus                      ferner das von diesen Heuchiern versührte Volck gewarnet: (Wehe euch ihr                      Schrifftgelehrten und Pharisäer &amp;c. ingleichen Sehet euch für für den                      falschen Propheten &amp;c.) hätten diese Leute den Heyland nicht alleine der                      erschrecklichsten Laster als der Zauberey, Ketzerey, beleydigter Majestät u. s.                      w. fälschlich beschuldiget, sondern auch öffentlich verklagt, und durch den sich                      vor ihrer Wut und Raseren fürchtenden ungerechten Richter Pilatum gar verdammet.                      Diese Anmerckung müsse nun anfänglich ein jeder wahrer Christ auf sich                      appliciren, (jedoch nach vorher erwehnter und mit Unterschied beantworteter                      Frage: ob und wie weit ein wahrer Christ sich mit dem Herrn Christo vergleichen                      könne?) und sey demnach dieses eines von denen vornehmsten Kenn-Zeichen eines                      wahren Christen, daß ihn die Welt hasse. Dannenhero sey auch offenbahr daß es                      eine falsche und heuchelerische Beschuldigung sey, wenn man einen ehrlichen Mann                      dadurch verdächtig machen wolle, daß er viel Feinde habe und sich mit niemand                      vertragen könne. Denn gleichwie das Gegentheil aus dem angeführten Spruch                      Johannis deutlich könne erwiesen werden; also werde selbiges auch durch gar                      viele Exempel tugendhaffter Leute erleutert, (worbey für andern die Exempel                      Aristidis, Socratis, Lutheri, Erasmi, Reuchlini, Hutteni etwas umbständlicher                      angeführet wurden.) Man pflege zwar zu Beschönigung dieser verleumderischen                      Beschuldigung aus dem Syrach cap. 6. vers. 2. &amp; seq. anzuführen: Laß                      dich nicht zu klug düncken jedermann zu tadeln; denn ein solcher gifftiger                      Mensch schadet ihn selber, und wird seinen Feinden ein Spott. Wenn man aber                      dasselbige vernünfftig auslege, so käme die application auff ehrliche Leute eben                      so verleumderisch heraus, als die Beschuldigung selbst. Vielmehr käme denen                      Verleumbdeten zu statten was Syrach in 20. Cap. versic. 6. &amp; 7. sage;                      Etlicher schweiget, und wartet seiner Zeit: Ein weiser Mann schweiger, biß er                      seine Zeit ersiehet, aber ein jäher Narr kan der Zeit nicht erwarten. Ingleichen                      was das Buch der Weißheit in 2. Cap. vers. 11. seq. lehre: Was wir nur thun                      können, das sol recht seyn. Denn wer nicht thun kan, was ihn gelüstet, der gilt                      nichts: So laßtuns auf den Gerechten lauren, denn er macht uns viel Unlust / und                      setzt sich wieder unser thun &amp;c. (wie denn auch die folgende Worte biß                      auf den 21. vers inclusive denen Auditoribus vorgelesen wurden.) Ja es erhelle                      aus diesen letzten Ort, daß derjenige, der allgemeine Mängel und Laster                      öffentlich tadele, nicht so fort für lasterhafft ausgeschryen werden
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[105/0111] CHristus ferner das von diesen Heuchiern versührte Volck gewarnet: (Wehe euch ihr Schrifftgelehrten und Pharisäer &c. ingleichen Sehet euch für für den falschen Propheten &c.) hätten diese Leute den Heyland nicht alleine der erschrecklichsten Laster als der Zauberey, Ketzerey, beleydigter Majestät u. s. w. fälschlich beschuldiget, sondern auch öffentlich verklagt, und durch den sich vor ihrer Wut und Raseren fürchtenden ungerechten Richter Pilatum gar verdammet. Diese Anmerckung müsse nun anfänglich ein jeder wahrer Christ auf sich appliciren, (jedoch nach vorher erwehnter und mit Unterschied beantworteter Frage: ob und wie weit ein wahrer Christ sich mit dem Herrn Christo vergleichen könne?) und sey demnach dieses eines von denen vornehmsten Kenn-Zeichen eines wahren Christen, daß ihn die Welt hasse. Dannenhero sey auch offenbahr daß es eine falsche und heuchelerische Beschuldigung sey, wenn man einen ehrlichen Mann dadurch verdächtig machen wolle, daß er viel Feinde habe und sich mit niemand vertragen könne. Denn gleichwie das Gegentheil aus dem angeführten Spruch Johannis deutlich könne erwiesen werden; also werde selbiges auch durch gar viele Exempel tugendhaffter Leute erleutert, (worbey für andern die Exempel Aristidis, Socratis, Lutheri, Erasmi, Reuchlini, Hutteni etwas umbständlicher angeführet wurden.) Man pflege zwar zu Beschönigung dieser verleumderischen Beschuldigung aus dem Syrach cap. 6. vers. 2. & seq. anzuführen: Laß dich nicht zu klug düncken jedermann zu tadeln; denn ein solcher gifftiger Mensch schadet ihn selber, und wird seinen Feinden ein Spott. Wenn man aber dasselbige vernünfftig auslege, so käme die application auff ehrliche Leute eben so verleumderisch heraus, als die Beschuldigung selbst. Vielmehr käme denen Verleumbdeten zu statten was Syrach in 20. Cap. versic. 6. & 7. sage; Etlicher schweiget, und wartet seiner Zeit: Ein weiser Mann schweiger, biß er seine Zeit ersiehet, aber ein jäher Narr kan der Zeit nicht erwarten. Ingleichen was das Buch der Weißheit in 2. Cap. vers. 11. seq. lehre: Was wir nur thun können, das sol recht seyn. Denn wer nicht thun kan, was ihn gelüstet, der gilt nichts: So laßtuns auf den Gerechten lauren, denn er macht uns viel Unlust / und setzt sich wieder unser thun &c. (wie denn auch die folgende Worte biß auf den 21. vers inclusive denen Auditoribus vorgelesen wurden.) Ja es erhelle aus diesen letzten Ort, daß derjenige, der allgemeine Mängel und Laster öffentlich tadele, nicht so fort für lasterhafft ausgeschryen werden

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/111>, abgerufen am 04.05.2024.