Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

hen, und auf der Bürgerschafft Seiten drey erschossen, etliche verwundet, und Ihre Fürstliche Gnaden mit einem Stein an rechten Schenckel beschädigt worden. Als nun Ihre Fürstliche Gnaden mit den Ihrigen nothhalben weichen müssen, ist das Hauß, darinnen die reformirte Prediger gewohnet, vom gemeinen Pöbel gestürmet, die Fenster eingeworffen, die Bücher, und was sie gefunden, genommen worden. Die Prediger, samt ihren Weib und Kindern haben sich in ein ander Losament salvirt, wären sonst vielleicht übel tractirt, oder gar in Lebens-Gefahr bracht worden. Ich habe dieses alles deßwegen so ausführlich hier erzehlet, nicht daß ich über diesen Tumult und dessen Moralität weitläufftig raisonniren wolte, als welch es ich einem jeden unpartheyischen Leser nach seinem Belieben selbst zu thun überlasse, sondern damit man dasjenige, was noch übrig ist, von dem Leben des Magdeburgischen Ertzbischoffs Christian Wilhelms, als welcher des Churfürsten Johann Sigismunds anderer Bruder war, zu melden desto besser verstehe.

§. IX. Was unter seiner Regierung von Anno 1608. bis AnnoUnterschiedene fatale Umstände die dem Magdeburgischen Administratori Christian Wilhelmen von 1608. biß an sein Lebens-Ende 1665 begegnet. 1614. vorgegangen, davon finde ich eben nicht viel merckwürdiges auffgezeichnet, denn daß er Anno 1610 in Pfingsten dem Vogelschiessen mit Pirsch-Büchsen beygewohnet und mit geschossen, geht unsern Haupt-Zweckwenig oder nichts an. Jedoch kan man den Zustand der damahligen Orthodoxie in etwas erkennen, wenn gemeldet wird, daß in eben selben Jahr d. 2. Septembr. Sonntags unter der Predigt zu St. Ulrich eine Kertze auf dem Altar ausgelöscht, und darauf den 25. Octobr. der Pfarr daselbst M. Heinricus Tectander verschieden. Was meine special-Gedancken hiebey etwa seyn möchten, überlasse ich dem Leser zu errathen. A. 1613. besuchte der Churfürst von Brandenburg, Johann Sigismund, nebst seinem Bruder Marggraff Hanß Georgen und dem Landgraffen zu Hessen, auch dem Marggraffen zu Anspach, den Ertzbischoff zu Halle. Als nun bald darauf der Churfürst und sein Herr Bruder sich öffentlich zur reformirten Religion bekennt, kan diese Visite wohl freylich bey denen Anhängern der Formulae Concordiae im Ertzbißthum keine grosse Liebe und Vertrauen zu dem Ertzbischoff beybehalten haben, sondern hat vermuthlich ein nicht geringes Mißtrauen gegen ihm erwecket; wiewol es nicht so bald oder doch nicht unter diesem praetext so deutl. ausgebrochen. Schadaeus meldet gegen dem Ende dieses 1614. Jahrs, daß als der Ertzbischof oder Administrator zu Magdeburg sich mit einem Fräulein von Braunschweig vermählet, deßwegen eine differenz zwischen den Ertzbißthum und Ihre Gnaden sich erhaben, sey aber folgends eine Vergleichung erfolget, wie

hen, und auf der Bürgerschafft Seiten drey erschossen, etliche verwundet, und Ihre Fürstliche Gnaden mit einem Stein an rechten Schenckel beschädigt worden. Als nun Ihre Fürstliche Gnaden mit den Ihrigen nothhalben weichen müssen, ist das Hauß, darinnen die reformirte Prediger gewohnet, vom gemeinen Pöbel gestürmet, die Fenster eingeworffen, die Bücher, und was sie gefunden, genommen worden. Die Prediger, samt ihren Weib und Kindern haben sich in ein ander Losament salvirt, wären sonst vielleicht übel tractirt, oder gar in Lebens-Gefahr bracht worden. Ich habe dieses alles deßwegen so ausführlich hier erzehlet, nicht daß ich über diesen Tumult und dessen Moralität weitläufftig raisonniren wolte, als welch es ich einem jeden unpartheyischen Leser nach seinem Belieben selbst zu thun überlasse, sondern damit man dasjenige, was noch übrig ist, von dem Leben des Magdeburgischen Ertzbischoffs Christian Wilhelms, als welcher des Churfürsten Johann Sigismunds anderer Bruder war, zu melden desto besser verstehe.

§. IX. Was unter seiner Regierung von Anno 1608. bis AnnoUnterschiedene fatale Umstände die dem Magdeburgischen Administratori Christian Wilhelmen von 1608. biß an sein Lebens-Ende 1665 begegnet. 1614. vorgegangen, davon finde ich eben nicht viel merckwürdiges auffgezeichnet, denn daß er Anno 1610 in Pfingsten dem Vogelschiessen mit Pirsch-Büchsen beygewohnet und mit geschossen, geht unsern Haupt-Zweckwenig oder nichts an. Jedoch kan man den Zustand der damahligen Orthodoxie in etwas erkennen, wenn gemeldet wird, daß in eben selben Jahr d. 2. Septembr. Sonntags unter der Predigt zu St. Ulrich eine Kertze auf dem Altar ausgelöscht, und darauf den 25. Octobr. der Pfarr daselbst M. Heinricus Tectander verschieden. Was meine special-Gedancken hiebey etwa seyn möchten, überlasse ich dem Leser zu errathen. A. 1613. besuchte der Churfürst von Brandenburg, Johann Sigismund, nebst seinem Bruder Marggraff Hanß Georgen und dem Landgraffen zu Hessen, auch dem Marggraffen zu Anspach, den Ertzbischoff zu Halle. Als nun bald darauf der Churfürst und sein Herr Bruder sich öffentlich zur reformirten Religion bekennt, kan diese Visite wohl freylich bey denen Anhängern der Formulae Concordiae im Ertzbißthum keine grosse Liebe und Vertrauen zu dem Ertzbischoff beybehalten haben, sondern hat vermuthlich ein nicht geringes Mißtrauen gegẽ ihm erwecket; wiewol es nicht so bald oder doch nicht unter diesem praetext so deutl. ausgebrochen. Schadaeus meldet gegen dem Ende dieses 1614. Jahrs, daß als der Ertzbischof oder Administrator zu Magdeburg sich mit einem Fräulein von Braunschweig vermählet, deßwegen eine differenz zwischen den Ertzbißthum und Ihre Gnaden sich erhaben, sey aber folgends eine Vergleichung erfolget, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0255" n="247"/>
hen, und auf der Bürgerschafft Seiten drey erschossen, etliche                      verwundet, und Ihre Fürstliche Gnaden mit einem Stein an rechten Schenckel                      beschädigt worden. Als nun Ihre Fürstliche Gnaden mit den Ihrigen nothhalben                      weichen müssen, ist das Hauß, darinnen die reformirte Prediger gewohnet, vom                      gemeinen Pöbel gestürmet, die Fenster eingeworffen, die Bücher, und was sie                      gefunden, genommen worden. Die Prediger, samt ihren Weib und Kindern haben sich                      in ein ander Losament salvirt, wären sonst vielleicht übel tractirt, oder gar in                      Lebens-Gefahr bracht worden. Ich habe dieses alles deßwegen so ausführlich hier                      erzehlet, nicht daß ich über diesen Tumult und dessen Moralität weitläufftig                      raisonniren wolte, als welch es ich einem jeden unpartheyischen Leser nach                      seinem Belieben selbst zu thun überlasse, sondern damit man dasjenige, was noch                      übrig ist, von dem Leben des Magdeburgischen Ertzbischoffs Christian Wilhelms,                      als welcher des Churfürsten Johann Sigismunds anderer Bruder war, zu melden                      desto besser verstehe.</p>
        <p>§. IX. Was unter seiner Regierung von Anno 1608. bis Anno<note place="right">Unterschiedene <hi rendition="#i">fatale</hi> Umstände                          die dem Magdeburgischen <hi rendition="#i">Administratori</hi> Christian                          Wilhelmen von 1608. biß an sein Lebens-Ende 1665 begegnet.</note> 1614.                      vorgegangen, davon finde ich eben nicht viel merckwürdiges auffgezeichnet, denn                      daß er Anno 1610 in Pfingsten dem Vogelschiessen mit Pirsch-Büchsen beygewohnet                      und mit geschossen, geht unsern Haupt-Zweckwenig oder nichts an. Jedoch kan man                      den Zustand der damahligen Orthodoxie in etwas erkennen, wenn gemeldet wird, daß                      in eben selben Jahr d. 2. Septembr. Sonntags unter der Predigt zu St. Ulrich                      eine Kertze auf dem Altar ausgelöscht, und darauf den 25. Octobr. der Pfarr                      daselbst M. Heinricus Tectander verschieden. Was meine special-Gedancken hiebey                      etwa seyn möchten, überlasse ich dem Leser zu errathen. A. 1613. besuchte der                      Churfürst von Brandenburg, Johann Sigismund, nebst seinem Bruder Marggraff Hanß                      Georgen und dem Landgraffen zu Hessen, auch dem Marggraffen zu Anspach, den                      Ertzbischoff zu Halle. Als nun bald darauf der Churfürst und sein Herr Bruder                      sich öffentlich zur reformirten Religion bekennt, kan diese Visite wohl freylich                      bey denen Anhängern der Formulae Concordiae im Ertzbißthum keine grosse Liebe                      und Vertrauen zu dem Ertzbischoff beybehalten haben, sondern hat vermuthlich ein                      nicht geringes Mißtrauen gege&#x0303; ihm erwecket; wiewol es nicht so                      bald oder doch nicht unter diesem praetext so deutl. ausgebrochen. Schadaeus                      meldet gegen dem Ende dieses 1614. Jahrs, daß als der Ertzbischof oder                      Administrator zu Magdeburg sich mit einem Fräulein von Braunschweig vermählet,                      deßwegen eine differenz zwischen den Ertzbißthum und Ihre Gnaden sich erhaben,                      sey aber folgends eine Vergleichung erfolget, wie
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0255] hen, und auf der Bürgerschafft Seiten drey erschossen, etliche verwundet, und Ihre Fürstliche Gnaden mit einem Stein an rechten Schenckel beschädigt worden. Als nun Ihre Fürstliche Gnaden mit den Ihrigen nothhalben weichen müssen, ist das Hauß, darinnen die reformirte Prediger gewohnet, vom gemeinen Pöbel gestürmet, die Fenster eingeworffen, die Bücher, und was sie gefunden, genommen worden. Die Prediger, samt ihren Weib und Kindern haben sich in ein ander Losament salvirt, wären sonst vielleicht übel tractirt, oder gar in Lebens-Gefahr bracht worden. Ich habe dieses alles deßwegen so ausführlich hier erzehlet, nicht daß ich über diesen Tumult und dessen Moralität weitläufftig raisonniren wolte, als welch es ich einem jeden unpartheyischen Leser nach seinem Belieben selbst zu thun überlasse, sondern damit man dasjenige, was noch übrig ist, von dem Leben des Magdeburgischen Ertzbischoffs Christian Wilhelms, als welcher des Churfürsten Johann Sigismunds anderer Bruder war, zu melden desto besser verstehe. §. IX. Was unter seiner Regierung von Anno 1608. bis Anno 1614. vorgegangen, davon finde ich eben nicht viel merckwürdiges auffgezeichnet, denn daß er Anno 1610 in Pfingsten dem Vogelschiessen mit Pirsch-Büchsen beygewohnet und mit geschossen, geht unsern Haupt-Zweckwenig oder nichts an. Jedoch kan man den Zustand der damahligen Orthodoxie in etwas erkennen, wenn gemeldet wird, daß in eben selben Jahr d. 2. Septembr. Sonntags unter der Predigt zu St. Ulrich eine Kertze auf dem Altar ausgelöscht, und darauf den 25. Octobr. der Pfarr daselbst M. Heinricus Tectander verschieden. Was meine special-Gedancken hiebey etwa seyn möchten, überlasse ich dem Leser zu errathen. A. 1613. besuchte der Churfürst von Brandenburg, Johann Sigismund, nebst seinem Bruder Marggraff Hanß Georgen und dem Landgraffen zu Hessen, auch dem Marggraffen zu Anspach, den Ertzbischoff zu Halle. Als nun bald darauf der Churfürst und sein Herr Bruder sich öffentlich zur reformirten Religion bekennt, kan diese Visite wohl freylich bey denen Anhängern der Formulae Concordiae im Ertzbißthum keine grosse Liebe und Vertrauen zu dem Ertzbischoff beybehalten haben, sondern hat vermuthlich ein nicht geringes Mißtrauen gegẽ ihm erwecket; wiewol es nicht so bald oder doch nicht unter diesem praetext so deutl. ausgebrochen. Schadaeus meldet gegen dem Ende dieses 1614. Jahrs, daß als der Ertzbischof oder Administrator zu Magdeburg sich mit einem Fräulein von Braunschweig vermählet, deßwegen eine differenz zwischen den Ertzbißthum und Ihre Gnaden sich erhaben, sey aber folgends eine Vergleichung erfolget, wie Unterschiedene fatale Umstände die dem Magdeburgischen Administratori Christian Wilhelmen von 1608. biß an sein Lebens-Ende 1665 begegnet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/255
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/255>, abgerufen am 18.05.2024.