Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.den Gebrechen concerniret, bestehet derselbe kurtz darinnen, daß diebrauch und Ungrund des inhibition-Proceß in Hoff-Gerichten. Hoffgerichte vor allen andern Judiciis dieses besonders und vor sich allein haben wollen, daß sie in causis Civ. & pecuniariis mit Poenal-Inhibitionen verfahren mögen; und indem sie keinen Legem allegiren können, wodurch ihnen ein solch Privilegium oder Jus Prohibendi gegeben worden, wissen sie sich bloß auf eine von langer Zeit her vermeinte vor sich habende observanz zu beziehen. Weilaber gleichwohl über dieses was vorhero von dergleichen unlegitimirten Observanzien weitläufftig gesaget worden, nicht zu sehen, worauf oder in welcher rationabilität sich dieselbe gründet, oder warum nicht vielmehr löblich und billig, auch dem gemeinen Wesen selbst zuträglich sey; wann in einem Lande und in einerley Objectis auch Justiz bey allen und jeden Judiciis gleich durchgehends zu finden ist; so würde auch zu gantz ungezweiffelter Verbesserung des Justiz-Wesens dienen, wann es also verordnet und eingeführet, daneben aber nicht weniger praecavirt würde, daß solche poenal-inhibitiones, so ohnediß in causis civilibus unter die irregularen zu rechnen, von keinen Judicio, es habe Nahmen, wie es wolle, nicht eher ergiengen, oder der bekante Processus Inhibitivus ertheilet würde, es sey dann ein casus inhibitivus oder ein solches factum verhanden, wie es nicht nur die Rechte in genere also qualificiren, quod nullo modo justificare possit, sondern auch die Landes-Satzungen und Erledigungen Tit. (von Justiz-Wesen de ao. 1612. §. 9. und 1661. sub eod. Tit. §. 51. deren viere specifice und restrictive benennen, als in casu contraventionis 1) contra rem judicatam vel 2) transactam: violentiae publicae 3) in Personis vel 4) in rebus commissae, auch, keine andere als diese erzehlte Fälle oder welche sich propter manifestam injustitiam vel violentiam publicam mit diesen aequipariren, darunter verstanden haben wollen. §. XII. Es ist aber eben dieses, daß hierinnen die Hoff Gerichte soWelcher demnach gäntzlich abzuschaffen. weit gehen, der Mißbrauch und die Contraventio Legis, so sich bey denenselben ereignet, und worüber von Anfang bis zu Ende dieses Seculi fast bey allen Land-Tägen die Landschafft sich zum höchsten beschweret hat, und der noch währet, dem aber gewißlich durch kein zulänglich Mittel abgeholffen werden kan, als wann diese Singularität sowohl propter abusum als usum non fundatum aufgehoben, und was allen Judiciis gemein seyn soll, denenselben zugestanden wird. Denn damit ist das Ubel in seiner Wurtzel erstickt, nehmlich der so offt berührte Privat Gewinn, so dasselbe zeuget und nutriret und um deswillen dergleichen Inhibitions-Processe erfunden, und so ferne gehäufft werden, daß man fast aus allen den Gebrechen concerniret, bestehet derselbe kurtz darinnen, daß diebrauch und Ungrund des inhibition-Proceß in Hoff-Gerichten. Hoffgerichte vor allen andern Judiciis dieses besonders und vor sich allein haben wollen, daß sie in causis Civ. & pecuniariis mit Poenal-Inhibitionen verfahren mögen; und indem sie keinen Legem allegiren können, wodurch ihnen ein solch Privilegium oder Jus Prohibendi gegeben worden, wissen sie sich bloß auf eine von langer Zeit her vermeinte vor sich habende observanz zu beziehen. Weilaber gleichwohl über dieses was vorhero von dergleichen unlegitimirten Observanzien weitläufftig gesaget worden, nicht zu sehen, worauf oder in welcher rationabilität sich dieselbe gründet, oder warum nicht vielmehr löblich und billig, auch dem gemeinen Wesen selbst zuträglich sey; wann in einem Lande und in einerley Objectis auch Justiz bey allen und jeden Judiciis gleich durchgehends zu finden ist; so würde auch zu gantz ungezweiffelter Verbesserung des Justiz-Wesens dienen, wann es also verordnet und eingeführet, daneben aber nicht weniger praecavirt würde, daß solche poenal-inhibitiones, so ohnediß in causis civilibus unter die irregularen zu rechnen, von keinen Judicio, es habe Nahmen, wie es wolle, nicht eher ergiengen, oder der bekante Processus Inhibitivus ertheilet würde, es sey dann ein casus inhibitivus oder ein solches factum verhanden, wie es nicht nur die Rechte in genere also qualificiren, quod nullo modo justificare possit, sondern auch die Landes-Satzungen und Erledigungen Tit. (von Justiz-Wesen de ao. 1612. §. 9. und 1661. sub eod. Tit. §. 51. deren viere specifice und restrictive benennen, als in casu contraventionis 1) contra rem judicatam vel 2) transactam: violentiae publicae 3) in Personis vel 4) in rebus commissae, auch, keine andere als diese erzehlte Fälle oder welche sich propter manifestam injustitiam vel violentiam publicam mit diesen aequipariren, darunter verstanden haben wollen. §. XII. Es ist aber eben dieses, daß hierinnen die Hoff Gerichte soWelcher demnach gäntzlich abzuschaffen. weit gehen, der Mißbrauch und die Contraventio Legis, so sich bey denenselben ereignet, und worüber von Anfang bis zu Ende dieses Seculi fast bey allen Land-Tägen die Landschafft sich zum höchsten beschweret hat, und der noch währet, dem aber gewißlich durch kein zulänglich Mittel abgeholffen werden kan, als wann diese Singularität sowohl propter abusum als usum non fundatum aufgehoben, und was allen Judiciis gemein seyn soll, denenselben zugestanden wird. Denn damit ist das Ubel in seiner Wurtzel erstickt, nehmlich der so offt berührte Privat Gewinn, so dasselbe zeuget und nutriret und um deswillen dergleichen Inhibitions-Processe erfunden, und so ferne gehäufft werden, daß man fast aus allen <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0025" n="17"/> den Gebrechen concerniret, bestehet derselbe kurtz darinnen, daß die<note place="right">brauch und Ungrund des <hi rendition="#i">inhibition</hi>-Proceß in Hoff-Gerichten.</note> Hoffgerichte vor allen andern Judiciis dieses besonders und vor sich allein haben wollen, daß sie in causis Civ. & pecuniariis mit Poenal-Inhibitionen verfahren mögen; und indem sie keinen Legem allegiren können, wodurch ihnen ein solch Privilegium oder Jus Prohibendi gegeben worden, wissen sie sich bloß auf eine von langer Zeit her vermeinte vor sich habende observanz zu beziehen. Weilaber gleichwohl über dieses was vorhero von dergleichen unlegitimirten Observanzien weitläufftig gesaget worden, nicht zu sehen, worauf oder in welcher rationabilität sich dieselbe gründet, oder warum nicht vielmehr löblich und billig, auch dem gemeinen Wesen selbst zuträglich sey; wann in einem Lande und in einerley Objectis auch Justiz bey allen und jeden Judiciis gleich durchgehends zu finden ist; so würde auch zu gantz ungezweiffelter Verbesserung des Justiz-Wesens dienen, wann es also verordnet und eingeführet, daneben aber nicht weniger praecavirt würde, daß solche poenal-inhibitiones, so ohnediß in causis civilibus unter die irregularen zu rechnen, von keinen Judicio, es habe Nahmen, wie es wolle, nicht eher ergiengen, oder der bekante Processus Inhibitivus ertheilet würde, es sey dann ein casus inhibitivus oder ein solches factum verhanden, wie es nicht nur die Rechte in genere also qualificiren, quod nullo modo justificare possit, sondern auch die Landes-Satzungen und Erledigungen Tit. (von Justiz-Wesen de ao. 1612. §. 9. und 1661. sub eod. Tit. §. 51. deren viere specifice und restrictive benennen, als in casu contraventionis 1) contra rem judicatam vel 2) transactam: violentiae publicae 3) in Personis vel 4) in rebus commissae, auch, keine andere als diese erzehlte Fälle oder welche sich propter manifestam injustitiam vel violentiam publicam mit diesen aequipariren, darunter verstanden haben wollen.</p> <p>§. XII. Es ist aber eben dieses, daß hierinnen die Hoff Gerichte so<note place="right">Welcher demnach gäntzlich abzuschaffen.</note> weit gehen, der Mißbrauch und die Contraventio Legis, so sich bey denenselben ereignet, und worüber von Anfang bis zu Ende dieses Seculi fast bey allen Land-Tägen die Landschafft sich zum höchsten beschweret hat, und der noch währet, dem aber gewißlich durch kein zulänglich Mittel abgeholffen werden kan, als wann diese Singularität sowohl propter abusum als usum non fundatum aufgehoben, und was allen Judiciis gemein seyn soll, denenselben zugestanden wird. Denn damit ist das Ubel in seiner Wurtzel erstickt, nehmlich der so offt berührte Privat Gewinn, so dasselbe zeuget und nutriret und um deswillen dergleichen Inhibitions-Processe erfunden, und so ferne gehäufft werden, daß man fast aus allen </p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0025]
den Gebrechen concerniret, bestehet derselbe kurtz darinnen, daß die Hoffgerichte vor allen andern Judiciis dieses besonders und vor sich allein haben wollen, daß sie in causis Civ. & pecuniariis mit Poenal-Inhibitionen verfahren mögen; und indem sie keinen Legem allegiren können, wodurch ihnen ein solch Privilegium oder Jus Prohibendi gegeben worden, wissen sie sich bloß auf eine von langer Zeit her vermeinte vor sich habende observanz zu beziehen. Weilaber gleichwohl über dieses was vorhero von dergleichen unlegitimirten Observanzien weitläufftig gesaget worden, nicht zu sehen, worauf oder in welcher rationabilität sich dieselbe gründet, oder warum nicht vielmehr löblich und billig, auch dem gemeinen Wesen selbst zuträglich sey; wann in einem Lande und in einerley Objectis auch Justiz bey allen und jeden Judiciis gleich durchgehends zu finden ist; so würde auch zu gantz ungezweiffelter Verbesserung des Justiz-Wesens dienen, wann es also verordnet und eingeführet, daneben aber nicht weniger praecavirt würde, daß solche poenal-inhibitiones, so ohnediß in causis civilibus unter die irregularen zu rechnen, von keinen Judicio, es habe Nahmen, wie es wolle, nicht eher ergiengen, oder der bekante Processus Inhibitivus ertheilet würde, es sey dann ein casus inhibitivus oder ein solches factum verhanden, wie es nicht nur die Rechte in genere also qualificiren, quod nullo modo justificare possit, sondern auch die Landes-Satzungen und Erledigungen Tit. (von Justiz-Wesen de ao. 1612. §. 9. und 1661. sub eod. Tit. §. 51. deren viere specifice und restrictive benennen, als in casu contraventionis 1) contra rem judicatam vel 2) transactam: violentiae publicae 3) in Personis vel 4) in rebus commissae, auch, keine andere als diese erzehlte Fälle oder welche sich propter manifestam injustitiam vel violentiam publicam mit diesen aequipariren, darunter verstanden haben wollen.
brauch und Ungrund des inhibition-Proceß in Hoff-Gerichten. §. XII. Es ist aber eben dieses, daß hierinnen die Hoff Gerichte so weit gehen, der Mißbrauch und die Contraventio Legis, so sich bey denenselben ereignet, und worüber von Anfang bis zu Ende dieses Seculi fast bey allen Land-Tägen die Landschafft sich zum höchsten beschweret hat, und der noch währet, dem aber gewißlich durch kein zulänglich Mittel abgeholffen werden kan, als wann diese Singularität sowohl propter abusum als usum non fundatum aufgehoben, und was allen Judiciis gemein seyn soll, denenselben zugestanden wird. Denn damit ist das Ubel in seiner Wurtzel erstickt, nehmlich der so offt berührte Privat Gewinn, so dasselbe zeuget und nutriret und um deswillen dergleichen Inhibitions-Processe erfunden, und so ferne gehäufft werden, daß man fast aus allen
Welcher demnach gäntzlich abzuschaffen.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/25>, abgerufen am 16.07.2024. |