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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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eilff Stiche an den todten Kinde gefunden, unter welchen unterschiedene für tödtlich gehalten und angegeben worden. Woraus man leicht auf die praesumtion gerathen könte, daß diese Stiche von niemand anders als von Annen oder deren Mutter hergerühret, weil sonst niemand in partu bey Ihr gewesen, und also das Kind durch diese Stiche sey umbgebracht worden.

Aber GOtt sey Danck, daß zu Rettung derer Inquisitinnen Unschuld auch dieses indicium zu elidiren in denen actis vielfältige subsidia vorhanden. Denn da ist bald Anfangs (1) billig zu verwundern, wie es komme, daß weder der Land-Richter in seinen Bericht, noch der Land-Knecht in seiner relation (welche doch beyde das Kind aufgehoben) nicht mit dem geringsten Worte gedencken, daß Sie an dem Kinde einen einigen Stich befunden

vide Vol. 1. Act, fol. 6 b. & fol. 7. a. b. item fol. 26. seqq.

(2) So deponiren auch

in beykommenden Instrumento sub

die Käse-Mutter und die Zoffe ausdrücklich, daß Sie bey Abwaschung des todten ausgegrabenen Kindes keine Wunden gespüret.

vide deposit. ad art. 14. & 15. ubi notabilia sunt verba Testis 2. der Zoffe: Sie hätte es abgewaschen, und so gerieben, daß die Haut sich gantz abgerieben von dem laulichten Wasser, aber nicht die geringste Verwundung gesehen.

Wannenhero man fast auf wunderliche Gedancken gerathen solte, ob nicht die Stiche gar in Amte zu P. ehe man das todte Kind besichtiget, in das Cörperlein gemacht worden, denn es sonst fast nicht müglich wäre, daß die Zoffe, die das Kind abgewaschen, oder der Land-Knecht, der es aufgehoben, und von Gr. nach P. ins Amt gebracht, von eilff Stichen nicht einen einigen solten gewahr worden seyn, und müsten allen Falls, daferne ja über Verhoffen ea, quae mox scquentur, dieses indicium nicht elidiren solten, der Land-Knecht hierüber, so wohl auch der Amtsverwalter zu P. wo und wie er nach Uberbringung des Kindes selbiges biß zur Besichtigung verwahret habe, auf articulos eydlich vernommen werden. Man hoffet aber, es werde dieser Weitläufftigkeit nicht bedürffen, indem (3) daß durch diese Stiche das Kind weder von Annen noch Ihrer Mutter umbgebracht worden, daraus firmissime bewiesen wird, weil diese Wunden in das Cörperlein erst nach dessen Todte gemacht worden, wie solches die beyden Stadt-Physici nebst dem Chirurgo eydlich ausgesaget

vid. Vol. 1. fol. 92. b. & 93. a. art. 1. ubi omnes tres deponunt: Sie haben bey der Section kein Blut in den todten Cörper gefunden. & art. 2. ubi Testis 1. Herr D. Schreyer: Weil kein Blut weder ausser dem Cörper noch in dem Cörper, da doch die viscera noch ziemlich frisch waren, anzutreffen gewesen: So ist NB gewiß zu schliessen, daß die Stiche oder Wunden nach dem Tode in den Cörper gebracht worden, item Testis 2. Weil kein Blut gefunden worden, und doch solche Gliedmassen, so nothwendig Blut von sich geben müsten, laediret gewesen, so ist daraus zu schliessen, daß die Stiche nach dem Tode geschehen seyn, & denique Test. 3. Das hielte er gäntzlich dafür, daß es nach dem Tode

eilff Stiche an den todten Kinde gefunden, unter welchen unterschiedene für tödtlich gehalten und angegeben worden. Woraus man leicht auf die praesumtion gerathen könte, daß diese Stiche von niemand anders als von Annen oder deren Mutter hergerühret, weil sonst niemand in partu bey Ihr gewesen, und also das Kind durch diese Stiche sey umbgebracht worden.

Aber GOtt sey Danck, daß zu Rettung derer Inquisitinnen Unschuld auch dieses indicium zu elidiren in denen actis vielfältige subsidia vorhanden. Denn da ist bald Anfangs (1) billig zu verwundern, wie es komme, daß weder der Land-Richter in seinen Bericht, noch der Land-Knecht in seiner relation (welche doch beyde das Kind aufgehoben) nicht mit dem geringsten Worte gedencken, daß Sie an dem Kinde einen einigen Stich befunden

vide Vol. 1. Act, fol. 6 b. & fol. 7. a. b. item fol. 26. seqq.

(2) So deponiren auch

in beykommenden Instrumento sub

die Käse-Mutter und die Zoffe ausdrücklich, daß Sie bey Abwaschung des todten ausgegrabenen Kindes keine Wunden gespüret.

vide deposit. ad art. 14. & 15. ubi notabilia sunt verba Testis 2. der Zoffe: Sie hätte es abgewaschen, und so gerieben, daß die Haut sich gantz abgerieben von dem laulichten Wasser, aber nicht die geringste Verwundung gesehen.

Wannenhero man fast auf wunderliche Gedancken gerathen solte, ob nicht die Stiche gar in Amte zu P. ehe man das todte Kind besichtiget, in das Cörperlein gemacht worden, denn es sonst fast nicht müglich wäre, daß die Zoffe, die das Kind abgewaschen, oder der Land-Knecht, der es aufgehoben, und von Gr. nach P. ins Amt gebracht, von eilff Stichen nicht einen einigen solten gewahr worden seyn, und müsten allen Falls, daferne ja über Verhoffen ea, quae mox scquentur, dieses indicium nicht elidiren solten, der Land-Knecht hierüber, so wohl auch der Amtsverwalter zu P. wo und wie er nach Uberbringung des Kindes selbiges biß zur Besichtigung verwahret habe, auf articulos eydlich vernommen werden. Man hoffet aber, es werde dieser Weitläufftigkeit nicht bedürffen, indem (3) daß durch diese Stiche das Kind weder von Annen noch Ihrer Mutter umbgebracht worden, daraus firmissime bewiesen wird, weil diese Wunden in das Cörperlein erst nach dessen Todte gemacht worden, wie solches die beyden Stadt-Physici nebst dem Chirurgo eydlich ausgesaget

vid. Vol. 1. fol. 92. b. & 93. a. art. 1. ubi omnes tres deponunt: Sie haben bey der Section kein Blut in den todten Cörper gefunden. & art. 2. ubi Testis 1. Herr D. Schreyer: Weil kein Blut weder ausser dem Cörper noch in dem Cörper, da doch die viscera noch ziemlich frisch waren, anzutreffen gewesen: So ist NB gewiß zu schliessen, daß die Stiche oder Wunden nach dem Tode in den Cörper gebracht worden, item Testis 2. Weil kein Blut gefunden worden, und doch solche Gliedmassen, so nothwendig Blut von sich geben müsten, laediret gewesen, so ist daraus zu schliessen, daß die Stiche nach dem Tode geschehen seyn, & denique Test. 3. Das hielte er gäntzlich dafür, daß es nach dem Tode
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[50/0066] eilff Stiche an den todten Kinde gefunden, unter welchen unterschiedene für tödtlich gehalten und angegeben worden. Woraus man leicht auf die praesumtion gerathen könte, daß diese Stiche von niemand anders als von Annen oder deren Mutter hergerühret, weil sonst niemand in partu bey Ihr gewesen, und also das Kind durch diese Stiche sey umbgebracht worden. Aber GOtt sey Danck, daß zu Rettung derer Inquisitinnen Unschuld auch dieses indicium zu elidiren in denen actis vielfältige subsidia vorhanden. Denn da ist bald Anfangs (1) billig zu verwundern, wie es komme, daß weder der Land-Richter in seinen Bericht, noch der Land-Knecht in seiner relation (welche doch beyde das Kind aufgehoben) nicht mit dem geringsten Worte gedencken, daß Sie an dem Kinde einen einigen Stich befunden vide Vol. 1. Act, fol. 6 b. & fol. 7. a. b. item fol. 26. seqq. (2) So deponiren auch in beykommenden Instrumento sub die Käse-Mutter und die Zoffe ausdrücklich, daß Sie bey Abwaschung des todten ausgegrabenen Kindes keine Wunden gespüret. vide deposit. ad art. 14. & 15. ubi notabilia sunt verba Testis 2. der Zoffe: Sie hätte es abgewaschen, und so gerieben, daß die Haut sich gantz abgerieben von dem laulichten Wasser, aber nicht die geringste Verwundung gesehen. Wannenhero man fast auf wunderliche Gedancken gerathen solte, ob nicht die Stiche gar in Amte zu P. ehe man das todte Kind besichtiget, in das Cörperlein gemacht worden, denn es sonst fast nicht müglich wäre, daß die Zoffe, die das Kind abgewaschen, oder der Land-Knecht, der es aufgehoben, und von Gr. nach P. ins Amt gebracht, von eilff Stichen nicht einen einigen solten gewahr worden seyn, und müsten allen Falls, daferne ja über Verhoffen ea, quae mox scquentur, dieses indicium nicht elidiren solten, der Land-Knecht hierüber, so wohl auch der Amtsverwalter zu P. wo und wie er nach Uberbringung des Kindes selbiges biß zur Besichtigung verwahret habe, auf articulos eydlich vernommen werden. Man hoffet aber, es werde dieser Weitläufftigkeit nicht bedürffen, indem (3) daß durch diese Stiche das Kind weder von Annen noch Ihrer Mutter umbgebracht worden, daraus firmissime bewiesen wird, weil diese Wunden in das Cörperlein erst nach dessen Todte gemacht worden, wie solches die beyden Stadt-Physici nebst dem Chirurgo eydlich ausgesaget vid. Vol. 1. fol. 92. b. & 93. a. art. 1. ubi omnes tres deponunt: Sie haben bey der Section kein Blut in den todten Cörper gefunden. & art. 2. ubi Testis 1. Herr D. Schreyer: Weil kein Blut weder ausser dem Cörper noch in dem Cörper, da doch die viscera noch ziemlich frisch waren, anzutreffen gewesen: So ist NB gewiß zu schliessen, daß die Stiche oder Wunden nach dem Tode in den Cörper gebracht worden, item Testis 2. Weil kein Blut gefunden worden, und doch solche Gliedmassen, so nothwendig Blut von sich geben müsten, laediret gewesen, so ist daraus zu schliessen, daß die Stiche nach dem Tode geschehen seyn, & denique Test. 3. Das hielte er gäntzlich dafür, daß es nach dem Tode

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/66>, abgerufen am 20.04.2024.