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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Es könne seyn, daß Ihre Tochter den 3. oder 4. Tag nach der Geburth wieder auffgestanden und herumb gegangen: Sie habe Ihr aber solches nicht geheissen: Sie hätte zwar vorher, wenn nach Annen gefragt worden, vorgegeben; Sie hätte das Fieber; Sie hätte aber auch nicht anders gewust, als daß das Fieber mit darzu kommen wäre. Es könne auch wohl seyn, könne sich aber nicht besinnen, daß Sie zu dem Pfarrer zu E. gesagt; die Anna sey wegen Umbfallung der Kutsche so erschrocken, daß Sie das Fieber verlassen: Die Tochter wäre wieder in die Kirche gangen, wisse aber nicht, wie lange solches nach der Geburth geschehen. Es wäre selbige damahls nicht eben galant, sondern in Ihrer Haube gegangen, wie zuvor: Sie habe freylich alles gethan, daß von Ihrer Tochter nicht offenbahr werden solle, daß Sie schwanger gewesen, und ein Kind gehabt hätte. Daß Sie aber flüchtig worden, sey darumb geschehen, indem Ihr die Leute so leide gemacht hätten; Sie werde mit Ketten und Banden gehohlet werden, und Sie dahero furchtsam gewesen wäre.

Endlich der Tochter Annen.

§. XXII. Es zeiget zwar diese Aussage an, daß meine oben §. 7. gedachte Praecaution bey Frau Marien nicht umsonst gewesen, und daß Sie auff die Articulos fein gerade zu geantwortet habe, und keine impertinentia oder zu der vorgelegten Frage nicht gehörige Dinge mit eingemischt habe. Aber es ist doch so gar leer damit nicht abgangen, indem Sie bey denen Fragen wegen Subornirung und vorgehabter Bestechung der Köchin, Ihrer kurtz vorher angeführten Verneinung die Worte: Sie habe nichts davon gewust, wie Sie das Kind ausgegraben hätten, mit beygefügt, die sich zu diesen Artickeln gar nicht schicken. Was endlich der Tochter Annen Antwort ad Articulos betrifft, lautet dieselbe also;

Sie wäre 16. Jahr, hätte sich von Toffel R. schwängern lassen: und zweymahl in der Kinder-Stuben Unzucht mit Ihn getrieben: sey von Weihnachten biß Michaelis mit schweren Leibe gangen, hätte aber die Schwängerung die gantze Zeit über heimlich gehalten, weil sie nichts in Ihren Leibe gefühlet; sey auch auff diejenigen, so davon geredet, ungehalten gewesen; und eben deßhalben habe Sie auch solches Ihren Vater und Mutter nicht eröffnet; noch mit Ihrer Mutter Abrede genommen, wie es bey Ihrer Niederkunfft gehalten werden solte. Sie sey aber 3. Tage vor Michaelis 81. als Ihre Mutter auff der Gevatterschafft gewesen, zur Kindes-Noth kranck worden; habe sehr nach Ihrer Mutter verlanget, und das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr gewesen, öffters hinaus sehen lassen, ob die Mutter bald käme: Sie habe deßwegen in der Kindes-Noth sonst niemand zu sich geruffen, weil niemand zu Hause gewesen, und Sie in der angst nicht gewust, wo Sie alle wären: Da nun die Mutter kommen, hätte Sie aus Angst nicht behalten, ob das Gänse-Mädgen droben blieben oder herunter gegangen wäre. Bald nach Ankunft der Mutter, wäre Sie ei-

Es könne seyn, daß Ihre Tochter den 3. oder 4. Tag nach der Geburth wieder auffgestanden und herumb gegangen: Sie habe Ihr aber solches nicht geheissen: Sie hätte zwar vorher, wenn nach Annen gefragt worden, vorgegeben; Sie hätte das Fieber; Sie hätte aber auch nicht anders gewust, als daß das Fieber mit darzu kommen wäre. Es könne auch wohl seyn, könne sich aber nicht besinnen, daß Sie zu dem Pfarrer zu E. gesagt; die Anna sey wegen Umbfallung der Kutsche so erschrocken, daß Sie das Fieber verlassen: Die Tochter wäre wieder in die Kirche gangen, wisse aber nicht, wie lange solches nach der Geburth geschehen. Es wäre selbige damahls nicht eben galant, sondern in Ihrer Haube gegangen, wie zuvor: Sie habe freylich alles gethan, daß von Ihrer Tochter nicht offenbahr werden solle, daß Sie schwanger gewesen, und ein Kind gehabt hätte. Daß Sie aber flüchtig worden, sey darumb geschehen, indem Ihr die Leute so leide gemacht hätten; Sie werde mit Ketten und Banden gehohlet werden, und Sie dahero furchtsam gewesen wäre.

Endlich der Tochter Annen.

§. XXII. Es zeiget zwar diese Aussage an, daß meine oben §. 7. gedachte Praecaution bey Frau Marien nicht umsonst gewesen, und daß Sie auff die Articulos fein gerade zu geantwortet habe, und keine impertinentia oder zu der vorgelegten Frage nicht gehörige Dinge mit eingemischt habe. Aber es ist doch so gar leer damit nicht abgangen, indem Sie bey denen Fragen wegen Subornirung und vorgehabter Bestechung der Köchin, Ihrer kurtz vorher angeführten Verneinung die Worte: Sie habe nichts davon gewust, wie Sie das Kind ausgegraben hätten, mit beygefügt, die sich zu diesen Artickeln gar nicht schicken. Was endlich der Tochter Annen Antwort ad Articulos betrifft, lautet dieselbe also;

Sie wäre 16. Jahr, hätte sich von Toffel R. schwängern lassen: und zweymahl in der Kinder-Stuben Unzucht mit Ihn getrieben: sey von Weihnachten biß Michaelis mit schweren Leibe gangen, hätte aber die Schwängerung die gantze Zeit über heimlich gehalten, weil sie nichts in Ihren Leibe gefühlet; sey auch auff diejenigen, so davon geredet, ungehalten gewesen; und eben deßhalben habe Sie auch solches Ihren Vater und Mutter nicht eröffnet; noch mit Ihrer Mutter Abrede genommen, wie es bey Ihrer Niederkunfft gehalten werden solte. Sie sey aber 3. Tage vor Michaelis 81. als Ihre Mutter auff der Gevatterschafft gewesen, zur Kindes-Noth kranck worden; habe sehr nach Ihrer Mutter verlanget, und das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr gewesen, öffters hinaus sehen lassen, ob die Mutter bald käme: Sie habe deßwegen in der Kindes-Noth sonst niemand zu sich geruffen, weil niemand zu Hause gewesen, und Sie in der angst nicht gewust, wo Sie alle wären: Da nun die Mutter kommen, hätte Sie aus Angst nicht behalten, ob das Gänse-Mädgen droben blieben oder herunter gegangen wäre. Bald nach Ankunft der Mutter, wäre Sie ei-

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Es                      könne seyn, daß Ihre Tochter den 3. oder 4. Tag nach der Geburth wieder                      auffgestanden und herumb gegangen: Sie habe Ihr aber solches nicht geheissen:                      Sie hätte zwar vorher, wenn nach Annen gefragt worden, vorgegeben; Sie hätte das                      Fieber; Sie hätte aber auch nicht anders gewust, als daß das Fieber mit darzu                      kommen wäre. Es könne auch wohl seyn, könne sich aber nicht besinnen, daß Sie zu                      dem Pfarrer zu E. gesagt; die Anna sey wegen Umbfallung der Kutsche so                      erschrocken, daß Sie das Fieber verlassen: Die Tochter wäre wieder in die Kirche                      gangen, wisse aber nicht, wie lange solches nach der Geburth geschehen. Es wäre                      selbige damahls nicht eben galant, sondern in Ihrer Haube gegangen, wie zuvor:                      Sie habe freylich alles gethan, daß von Ihrer Tochter nicht offenbahr werden                      solle, daß Sie schwanger gewesen, und ein Kind gehabt hätte. Daß Sie aber                      flüchtig worden, sey darumb geschehen, indem Ihr die Leute so leide gemacht                      hätten; Sie werde mit Ketten und Banden gehohlet werden, und Sie dahero                      furchtsam gewesen wäre.</p>
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        <p>§. XXII. Es zeiget zwar diese Aussage an, daß meine oben §. 7. gedachte                      Praecaution bey Frau Marien nicht umsonst gewesen, und daß Sie auff die                      Articulos fein gerade zu geantwortet habe, und keine impertinentia oder zu der                      vorgelegten Frage nicht gehörige Dinge mit eingemischt habe. Aber es ist doch so                      gar leer damit nicht abgangen, indem Sie bey denen Fragen wegen Subornirung und                      vorgehabter Bestechung der Köchin, Ihrer kurtz vorher angeführten Verneinung die                      Worte: Sie habe nichts davon gewust, wie Sie das Kind ausgegraben hätten, mit                      beygefügt, die sich zu diesen Artickeln gar nicht schicken. Was endlich der                      Tochter Annen Antwort ad Articulos betrifft, lautet dieselbe also;</p>
        <p>Sie wäre 16. Jahr, hätte sich von Toffel R. schwängern lassen: und zweymahl in                      der Kinder-Stuben Unzucht mit Ihn getrieben: sey von Weihnachten biß Michaelis                      mit schweren Leibe gangen, hätte aber die Schwängerung die gantze Zeit über                      heimlich gehalten, weil sie nichts in Ihren Leibe gefühlet; sey auch auff                      diejenigen, so davon geredet, ungehalten gewesen; und eben deßhalben habe Sie                      auch solches Ihren Vater und Mutter nicht eröffnet; noch mit Ihrer Mutter Abrede                      genommen, wie es bey Ihrer Niederkunfft gehalten werden solte. Sie sey aber 3.                      Tage vor Michaelis 81. als Ihre Mutter auff der Gevatterschafft gewesen, zur                      Kindes-Noth kranck worden; habe sehr nach Ihrer Mutter verlanget, und das                      Gänse-Mägdgen, so bey Ihr gewesen, öffters hinaus sehen lassen, ob die Mutter                      bald käme: Sie habe deßwegen in der Kindes-Noth sonst niemand zu sich geruffen,                      weil niemand zu Hause gewesen, und Sie in der angst nicht gewust, wo Sie alle                      wären: Da nun die Mutter kommen, hätte Sie aus Angst nicht behalten, ob das                      Gänse-Mädgen droben blieben oder herunter gegangen wäre. Bald nach Ankunft der                      Mutter, wäre Sie ei-
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[40/0056] Es könne seyn, daß Ihre Tochter den 3. oder 4. Tag nach der Geburth wieder auffgestanden und herumb gegangen: Sie habe Ihr aber solches nicht geheissen: Sie hätte zwar vorher, wenn nach Annen gefragt worden, vorgegeben; Sie hätte das Fieber; Sie hätte aber auch nicht anders gewust, als daß das Fieber mit darzu kommen wäre. Es könne auch wohl seyn, könne sich aber nicht besinnen, daß Sie zu dem Pfarrer zu E. gesagt; die Anna sey wegen Umbfallung der Kutsche so erschrocken, daß Sie das Fieber verlassen: Die Tochter wäre wieder in die Kirche gangen, wisse aber nicht, wie lange solches nach der Geburth geschehen. Es wäre selbige damahls nicht eben galant, sondern in Ihrer Haube gegangen, wie zuvor: Sie habe freylich alles gethan, daß von Ihrer Tochter nicht offenbahr werden solle, daß Sie schwanger gewesen, und ein Kind gehabt hätte. Daß Sie aber flüchtig worden, sey darumb geschehen, indem Ihr die Leute so leide gemacht hätten; Sie werde mit Ketten und Banden gehohlet werden, und Sie dahero furchtsam gewesen wäre. §. XXII. Es zeiget zwar diese Aussage an, daß meine oben §. 7. gedachte Praecaution bey Frau Marien nicht umsonst gewesen, und daß Sie auff die Articulos fein gerade zu geantwortet habe, und keine impertinentia oder zu der vorgelegten Frage nicht gehörige Dinge mit eingemischt habe. Aber es ist doch so gar leer damit nicht abgangen, indem Sie bey denen Fragen wegen Subornirung und vorgehabter Bestechung der Köchin, Ihrer kurtz vorher angeführten Verneinung die Worte: Sie habe nichts davon gewust, wie Sie das Kind ausgegraben hätten, mit beygefügt, die sich zu diesen Artickeln gar nicht schicken. Was endlich der Tochter Annen Antwort ad Articulos betrifft, lautet dieselbe also; Sie wäre 16. Jahr, hätte sich von Toffel R. schwängern lassen: und zweymahl in der Kinder-Stuben Unzucht mit Ihn getrieben: sey von Weihnachten biß Michaelis mit schweren Leibe gangen, hätte aber die Schwängerung die gantze Zeit über heimlich gehalten, weil sie nichts in Ihren Leibe gefühlet; sey auch auff diejenigen, so davon geredet, ungehalten gewesen; und eben deßhalben habe Sie auch solches Ihren Vater und Mutter nicht eröffnet; noch mit Ihrer Mutter Abrede genommen, wie es bey Ihrer Niederkunfft gehalten werden solte. Sie sey aber 3. Tage vor Michaelis 81. als Ihre Mutter auff der Gevatterschafft gewesen, zur Kindes-Noth kranck worden; habe sehr nach Ihrer Mutter verlanget, und das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr gewesen, öffters hinaus sehen lassen, ob die Mutter bald käme: Sie habe deßwegen in der Kindes-Noth sonst niemand zu sich geruffen, weil niemand zu Hause gewesen, und Sie in der angst nicht gewust, wo Sie alle wären: Da nun die Mutter kommen, hätte Sie aus Angst nicht behalten, ob das Gänse-Mädgen droben blieben oder herunter gegangen wäre. Bald nach Ankunft der Mutter, wäre Sie ei-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/56>, abgerufen am 26.04.2024.