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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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[Spaltenumbruch] Diese dein fröliche Armut, Die dir doch kommet recht zu gut, Mit einem Gut unschuldgen Gewissen Wirst nie mit solchn Anfechtung bissen Und läst dich an alldem begnügen Was dir GOtt täglich thut zufügen Durch deine tägliche Arbeit [Spaltenumbruch] Mit gringer Speiß, Leibes Gsundheit, Und dazu ein frölichen Mut, Und hälltst GOtt für dein höchstes Gut. Darvon dir ewges Heil erwachs, Nach dem Elend wünscht dir Hanß Sachs. Von Reden und Schweigen.

§. LIII. Nachdem auch der Herr Quaerente in seinem andern Poemate oder dritten Stück der andern Schrifft nichts neues vorgebracht, sondern nur seine alte Leyer wiederhohlet, die schon in dem ersten Poemate in seiner Specie Facti, und in der neuen weitläufftigen Gegenschrifft da gewesen; und also billich hätte den bekanten lateinischen Vers: Ridetur, chorda &c. bedencken sollen; wir aber unsers Orts diese seine Schwatzhafftigkeit mit gehöriger Erbarmniß ansehen, indem uns die tägliche Erfahrung zeiget, daß Leute von seinem Temperament, mit diesem Ubel (wenn sie nicht durch zeitige Selbsterkäntniß demselben zuvor kommen) insgemein behafftet sind; als will ich ihm die nützliche Lehren, die Hanß Sachse in besagtem fünfften Buchs andern Theil p. 244. an 8. Augusti 1662. von dem Reden und Schweigen aus einem alten Philosopho zu Papier gebracht hat, bestens recommendiren.

[Spaltenumbruch] Simonides der weise Mann Der zeigt in seinen Schrifften an, Daß schweigen gar viel nützer sey Denn ohn Verstand zu reden frey, Dieweil das Schweigen ihn hab je Sein Lebenlang gereuet nie, Doch reden hab ihn offt gereut Mit Sorg und Furcht ihn überstreut, Reden hat ihr viel bracht in Noth Etwa in Schaden, Schand und Spott Dagegen hab Schweigen niemand, Bracht in Schaden, Laster noch Schand, Auch so lobet Doctor Freydanck Das Schweigen auch in dem Anfang, Und spricht: schweigen ist nütz und gut, Doch reden besser, wer ihm recht thut. Vermeint reden zu Noth und Nutz Das bring auch groß Ehr, Lob und Guts, [Spaltenumbruch] Doch daß man nit red gar zu viel, Setzt er zu reden auch ein Ziel, Spricht: wilst mit Ehren werden alt So halt dein Zungen in Gewalt, Daß sie aus unbedachten Muth, Nicht red, was ihr gefallen thut, Und öffne ihr Heimlichkeit da, Denn es schreibt der weisse Seneca, Den Menschen man erkennen thu An seiner Zungen immer zu, Was er im Hertzen tragen thut Die Zung öfnet Hertz Sinn und Muth Derhalb die Zung erhalt im Zaum, Und laß ihr nit zu weiten Raum, Schreibt auch der Zungen Unterschid, Sey das ärgst und das best Gelid Vermeint ein weiß tugendhaffte Zung Sey heilsam und bring Frucht genung
[Spaltenumbruch] Diese dein fröliche Armut, Die dir doch kommet recht zu gut, Mit einem Gut unschuldgen Gewissen Wirst nie mit solchn Anfechtung bissen Und läst dich an alldem begnügen Was dir GOtt täglich thut zufügen Durch deine tägliche Arbeit [Spaltenumbruch] Mit gringer Speiß, Leibes Gsundheit, Und dazu ein frölichen Mut, Und hälltst GOtt für dein höchstes Gut. Darvon dir ewges Heil erwachs, Nach dem Elend wünscht dir Hanß Sachs. Von Reden und Schweigen.

§. LIII. Nachdem auch der Herr Quaerente in seinem andern Poemate oder dritten Stück der andern Schrifft nichts neues vorgebracht, sondern nur seine alte Leyer wiederhohlet, die schon in dem ersten Poemate in seiner Specie Facti, und in der neuen weitläufftigen Gegenschrifft da gewesen; und also billich hätte den bekanten lateinischen Vers: Ridetur, chorda &c. bedencken sollen; wir aber unsers Orts diese seine Schwatzhafftigkeit mit gehöriger Erbarmniß ansehen, indem uns die tägliche Erfahrung zeiget, daß Leute von seinem Temperament, mit diesem Ubel (wenn sie nicht durch zeitige Selbsterkäntniß demselben zuvor kommen) insgemein behafftet sind; als will ich ihm die nützliche Lehren, die Hanß Sachse in besagtem fünfften Buchs andern Theil p. 244. an 8. Augusti 1662. von dem Reden und Schweigen aus einem alten Philosopho zu Papier gebracht hat, bestens recommendiren.

[Spaltenumbruch] Simonides der weise Mann Der zeigt in seinen Schrifften an, Daß schweigen gar viel nützer sey Denn ohn Verstand zu reden frey, Dieweil das Schweigen ihn hab je Sein Lebenlang gereuet nie, Doch reden hab ihn offt gereut Mit Sorg und Furcht ihn überstreut, Reden hat ihr viel bracht in Noth Etwa in Schaden, Schand und Spott Dagegen hab Schweigen niemand, Bracht in Schaden, Laster noch Schand, Auch so lobet Doctor Freydanck Das Schweigen auch in dem Anfang, Und spricht: schweigen ist nütz und gut, Doch reden besser, wer ihm recht thut. Vermeint reden zu Noth und Nutz Das bring auch groß Ehr, Lob und Guts, [Spaltenumbruch] Doch daß man nit red gar zu viel, Setzt er zu reden auch ein Ziel, Spricht: wilst mit Ehren werden alt So halt dein Zungen in Gewalt, Daß sie aus unbedachten Muth, Nicht red, was ihr gefallen thut, Und öffne ihr Heimlichkeit da, Denn es schreibt der weisse Seneca, Den Menschen man erkennen thu An seiner Zungen immer zu, Was er im Hertzen tragen thut Die Zung öfnet Hertz Sinn und Muth Derhalb die Zung erhalt im Zaum, Und laß ihr nit zu weiten Raum, Schreibt auch der Zungen Unterschid, Sey das ärgst und das best Gelid Vermeint ein weiß tugendhaffte Zung Sey heilsam und bring Frucht genung
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Doch                      daß man nit red gar zu viel, Setzt er zu reden auch ein Ziel, Spricht: wilst mit                      Ehren werden alt So halt dein Zungen in Gewalt, Daß sie aus unbedachten Muth,                      Nicht red, was ihr gefallen thut, Und öffne ihr Heimlichkeit da, Denn es                      schreibt der weisse Seneca, Den Menschen man erkennen thu An seiner Zungen immer                      zu, Was er im Hertzen tragen thut Die Zung öfnet Hertz Sinn und Muth Derhalb die                      Zung erhalt im Zaum, Und laß ihr nit zu weiten Raum, Schreibt auch der Zungen                      Unterschid, Sey das ärgst und das best Gelid Vermeint ein weiß tugendhaffte Zung                      Sey heilsam und bring Frucht genung
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[346/0362] Diese dein fröliche Armut, Die dir doch kommet recht zu gut, Mit einem Gut unschuldgen Gewissen Wirst nie mit solchn Anfechtung bissen Und läst dich an alldem begnügen Was dir GOtt täglich thut zufügen Durch deine tägliche Arbeit Mit gringer Speiß, Leibes Gsundheit, Und dazu ein frölichen Mut, Und hälltst GOtt für dein höchstes Gut. Darvon dir ewges Heil erwachs, Nach dem Elend wünscht dir Hanß Sachs. §. LIII. Nachdem auch der Herr Quaerente in seinem andern Poemate oder dritten Stück der andern Schrifft nichts neues vorgebracht, sondern nur seine alte Leyer wiederhohlet, die schon in dem ersten Poemate in seiner Specie Facti, und in der neuen weitläufftigen Gegenschrifft da gewesen; und also billich hätte den bekanten lateinischen Vers: Ridetur, chorda &c. bedencken sollen; wir aber unsers Orts diese seine Schwatzhafftigkeit mit gehöriger Erbarmniß ansehen, indem uns die tägliche Erfahrung zeiget, daß Leute von seinem Temperament, mit diesem Ubel (wenn sie nicht durch zeitige Selbsterkäntniß demselben zuvor kommen) insgemein behafftet sind; als will ich ihm die nützliche Lehren, die Hanß Sachse in besagtem fünfften Buchs andern Theil p. 244. an 8. Augusti 1662. von dem Reden und Schweigen aus einem alten Philosopho zu Papier gebracht hat, bestens recommendiren. Simonides der weise Mann Der zeigt in seinen Schrifften an, Daß schweigen gar viel nützer sey Denn ohn Verstand zu reden frey, Dieweil das Schweigen ihn hab je Sein Lebenlang gereuet nie, Doch reden hab ihn offt gereut Mit Sorg und Furcht ihn überstreut, Reden hat ihr viel bracht in Noth Etwa in Schaden, Schand und Spott Dagegen hab Schweigen niemand, Bracht in Schaden, Laster noch Schand, Auch so lobet Doctor Freydanck Das Schweigen auch in dem Anfang, Und spricht: schweigen ist nütz und gut, Doch reden besser, wer ihm recht thut. Vermeint reden zu Noth und Nutz Das bring auch groß Ehr, Lob und Guts, Doch daß man nit red gar zu viel, Setzt er zu reden auch ein Ziel, Spricht: wilst mit Ehren werden alt So halt dein Zungen in Gewalt, Daß sie aus unbedachten Muth, Nicht red, was ihr gefallen thut, Und öffne ihr Heimlichkeit da, Denn es schreibt der weisse Seneca, Den Menschen man erkennen thu An seiner Zungen immer zu, Was er im Hertzen tragen thut Die Zung öfnet Hertz Sinn und Muth Derhalb die Zung erhalt im Zaum, Und laß ihr nit zu weiten Raum, Schreibt auch der Zungen Unterschid, Sey das ärgst und das best Gelid Vermeint ein weiß tugendhaffte Zung Sey heilsam und bring Frucht genung

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/362>, abgerufen am 25.04.2024.