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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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[Spaltenumbruch] Durch dein heiligen Geist einwertz, Ein guten Geist in unser Hertz, Daß es werd Herr zu dir bekehrt, Und nicht ankleb auf dieser Erd, An zeitlich, zergänglichen Dingen, [Spaltenumbruch] Die uns von GOtt ab wollen dringen, Sondern, daß wir trauen auf dich, Wann du erneurst uns hie zeitlich Und darnach dort auch ewiglich. Von einem armen Schuster und seinem reichen Nachbar.

§. LII. An statt des andern Theils, oder der Excerptorum aus meinen Schrifften de falsa & non sincera interpretatione; will ich dem Herrn Quaerenten eine schon von dem scharffsinnigen Luciano entworffene Fabel von Micillo einem armen Schuster und seinen reichen Nachbar oder Gevatter (wie ihn Hanß Sachse titulirt) wohl zu überlegen geben, deren Zweck ist, handgreifflich vorzustellen, daß ein armer aber dabey vergnügsamer Mann viel glücklicher sey als ein reicher Nimmersatt, und daß also jener mit diesem vernünfftiger Weise nicht tauschen werde. Hanß Sachse hat diese Fabel 1562. d. 24. April in teutsche Reime gebracht, und ist dieselbe in dem fünfften Buch seiner Gedichte in andern Theil p. 259. zu finden.

[Spaltenumbruch] Lucianus der hoch Poet Vor Zeitn artlich beschreiben thät Wie vor viel Jahren ein Schuster saß, In Welschen Land, wellicher waß Mit seinem Nahmen Micillus genant, Der Tag und Nacht mit seiner Hand, Hart arbeitet und übel aß, Daß doch alls nit erspriessen was, Das er sich kunt erwehren mit, Der Armuht, die ihn gewaltig ritt, Denn groß war seiner Kinder Hauff Daß es gieng täglich mit ihm auff Doch nahm er also mit vor gut, Und hat ein leichtsinnigen Muth, Danckt GOtt, der ihm so viel beschert, Durch sein Arbeit, daß er ernährt, Sich, sein Weib, und all seine Kinder, Die Hofnung macht sein Armuth linder, Dann würd ihm auch einmahl gut Glück, Zu stehn und reichlich halten rück, Wie manchem zugestanden wär, Nachdem dacht er offt hin und her. [Spaltenumbruch] Nun zu nechst seinem Hauß da saß, Ein Wuchrer, der sein Gvatter was, Mächtig und reich, doch gnau und karg, Der sein Schätz samlet und verbarg. Eins Nachts der Schuster lag in Bett, Da ihm eigentlich traumen thät, Wie sein Gevatter gestorben wär, Und wie ihn zu eim Erben der, Hätt eingesetzt über all sein Gut, Des war von Hertzen froh zu Muth, Der Schuster solcher reichen Hab Im Schlaf der Armuth Urlaub gab. Als er in solchen Freuden stahn Da fing zu krehen an sein Hahn Laut reißig davon er erwacht, Aus süssem Traum und sich bedacht, Und schrie, o du verfluchtes Thier, Wie hast aus freudreicher Begier Mich aus dem süssen Schlaf geschrecket, Zu dieser Armuth auferwecket, Und flucht dem Hahn in Zorn und Grim, Der Han sprach mit menschlicher Stim
[Spaltenumbruch] Durch dein heiligen Geist einwertz, Ein guten Geist in unser Hertz, Daß es werd Herr zu dir bekehrt, Und nicht ankleb auf dieser Erd, An zeitlich, zergänglichen Dingen, [Spaltenumbruch] Die uns von GOtt ab wollen dringen, Sondern, daß wir trauen auf dich, Wann du erneurst uns hie zeitlich Und darnach dort auch ewiglich. Von einem armen Schuster und seinem reichen Nachbar.

§. LII. An statt des andern Theils, oder der Excerptorum aus meinen Schrifften de falsa & non sincera interpretatione; will ich dem Herrn Quaerenten eine schon von dem scharffsinnigen Luciano entworffene Fabel von Micillo einem armen Schuster und seinen reichen Nachbar oder Gevatter (wie ihn Hanß Sachse titulirt) wohl zu überlegen geben, deren Zweck ist, handgreifflich vorzustellen, daß ein armer aber dabey vergnügsamer Mann viel glücklicher sey als ein reicher Nimmersatt, und daß also jener mit diesem vernünfftiger Weise nicht tauschen werde. Hanß Sachse hat diese Fabel 1562. d. 24. April in teutsche Reime gebracht, und ist dieselbe in dem fünfften Buch seiner Gedichte in andern Theil p. 259. zu finden.

[Spaltenumbruch] Lucianus der hoch Poet Vor Zeitn artlich beschreiben thät Wie vor viel Jahren ein Schuster saß, In Welschen Land, wellicher waß Mit seinem Nahmen Micillus genant, Der Tag und Nacht mit seiner Hand, Hart arbeitet und übel aß, Daß doch alls nit erspriessen was, Das er sich kunt erwehren mit, Der Armuht, die ihn gewaltig ritt, Denn groß war seiner Kinder Hauff Daß es gieng täglich mit ihm auff Doch nahm er also mit vor gut, Und hat ein leichtsinnigen Muth, Danckt GOtt, der ihm so viel beschert, Durch sein Arbeit, daß er ernährt, Sich, sein Weib, und all seine Kinder, Die Hofnung macht sein Armuth linder, Dann würd ihm auch einmahl gut Glück, Zu stehn und reichlich halten rück, Wie manchem zugestanden wär, Nachdem dacht er offt hin und her. [Spaltenumbruch] Nun zu nechst seinem Hauß da saß, Ein Wuchrer, der sein Gvatter was, Mächtig und reich, doch gnau und karg, Der sein Schätz samlet und verbarg. Eins Nachts der Schuster lag in Bett, Da ihm eigentlich traumen thät, Wie sein Gevatter gestorben wär, Und wie ihn zu eim Erben der, Hätt eingesetzt über all sein Gut, Des war von Hertzen froh zu Muth, Der Schuster solcher reichen Hab Im Schlaf der Armuth Urlaub gab. Als er in solchen Freuden stahn Da fing zu krehen an sein Hahn Laut reißig davon er erwacht, Aus süssem Traum und sich bedacht, Und schrie, o du verfluchtes Thier, Wie hast aus freudreicher Begier Mich aus dem süssen Schlaf geschrecket, Zu dieser Armuth auferwecket, Und flucht dem Hahn in Zorn und Grim, Der Han sprach mit menschlicher Stim
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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/360>, abgerufen am 29.03.2024.