Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

tzerey noch die Atheisterey unter die Classen der strafwürdigen Laster zu rechnen noch zu bestraffen wäre, und daß die gegentheilige Meinung von Bestraffung der Ketzerey einzig und alleine aus den Heydenthum und Pabstthum entsprungen, ja daß vielmehr nach den allgemeinen Regeln politischer Klugheit die Ketzermacherey für ein Laster der Meitmacherey geachtet und schwerlich bestraft werden müsse, und ob wohl, so viel die Atheisterey betreffe, zwar noch die wenigsten erkenneten, daß selbige nicht zu bestraffen wäre, sondern auch Grotius und Puffendorffius annoch die gemeine Lehre vertheydiget, dennoch etliche von denen neuern Scribenten mit raison gezeiget, daß man so wohl die Atheisten als Ketzer nach denen Regeln allgemeiner Liebe bekehren, und sie mit Sanfftmuth ihres Irrthums zu benehmen sich angelegen seyn lassen solle, mit nichten aber befugt sey, diese armselige irrige Leute als Delinquenten zu bestraff-n.

Siehe notas variorum ad Lancelotti Instit. Jur. Can. lib. 4. not. 154. p. 1885. seq. not. 159. p. 1900. seq. not. 217. p. 1960. & not. 226. p. 1970. seq. und die daselbst citirten Autores, Salvianum p. 1895. Rittershusium, Burnet p. 1896. Titium d. p. 1896 & p. 1900. item p. 1960. 1971. Leibnizium, Limborchium p. 1903. Zieglerum p. 1971. aliosque.

Zugeschweigen, daß 19. ohne Zweiffel aus diesen wichtigen Ursachen dieDECIMA NONA. Staaten in Holland bewogen worden, den sonst handgreiflichen Atheisten Spinosam in ihrer Republique zu dulden, und sich entsehen, denselben aus ihren Landen zu schaffen, oder ihn ein schrifftlich Consilium abeundi zuzuschicken, welchen Exempel der Magistrat der freyen Reichs-Stadt, allwo sich Titius auffgehalten, Titii Meinung nach, billich hätte folgen sollen.

Dieweil aber dennoch bey allen diesen fünff Fragen es hauptsächlich undRATIONES DECIDENDI CON. TRA QUAERENTEM. fürnemlich auf die erste Frage ankömt, und die andern viere gröstentheils von derselben dependiren, als will vor allen Dingen nöthig seyn, daß vorhero der Inhalt des Tractätgens, und was etwan den Magistrat und die Priesterschafft des Orts zu der Confiscation veranlasset, etwas genauer betrachtet werde. Es befindet sich dannenhero in demselben, daß zwar der Autor sich bemühet, den Leser mit denen in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten doctrinis zu praeoccupiren; wenn man aber nur ein wenig behutsam und ohne Vorurtheil diese Schrifft ansiehet, so fallen 1. baldPRIMA. Anfangs viele gefährliche und so wohl denen Regeln, der allen Menschen (Heyden, Jüden und Christen) gemeinen gesunden Vernunfft, als auch denen klaren Worten der heiligen göttlichen Schrifft und den gemeinen principiis der Christlichen Völcker, von was für Secten auch dieselbe

tzerey noch die Atheisterey unter die Classen der strafwürdigen Laster zu rechnen noch zu bestraffen wäre, und daß die gegentheilige Meinung von Bestraffung der Ketzerey einzig und alleine aus den Heydenthum und Pabstthum entsprungen, ja daß vielmehr nach den allgemeinen Regeln politischer Klugheit die Ketzermacherey für ein Laster der Meitmacherey geachtet und schwerlich bestraft werden müsse, und ob wohl, so viel die Atheisterey betreffe, zwar noch die wenigsten erkenneten, daß selbige nicht zu bestraffen wäre, sondern auch Grotius und Puffendorffius annoch die gemeine Lehre vertheydiget, dennoch etliche von denen neuern Scribenten mit raison gezeiget, daß man so wohl die Atheisten als Ketzer nach denen Regeln allgemeiner Liebe bekehren, und sie mit Sanfftmuth ihres Irrthums zu benehmen sich angelegen seyn lassen solle, mit nichten aber befugt sey, diese armselige irrige Leute als Delinquenten zu bestraff-n.

Siehe notas variorum ad Lancelotti Instit. Jur. Can. lib. 4. not. 154. p. 1885. seq. not. 159. p. 1900. seq. not. 217. p. 1960. & not. 226. p. 1970. seq. und die daselbst citirten Autores, Salvianum p. 1895. Rittershusium, Burnet p. 1896. Titium d. p. 1896 & p. 1900. item p. 1960. 1971. Leibnizium, Limborchium p. 1903. Zieglerum p. 1971. aliosque.

Zugeschweigen, daß 19. ohne Zweiffel aus diesen wichtigen Ursachen dieDECIMA NONA. Staaten in Holland bewogen worden, den sonst handgreiflichen Atheisten Spinosam in ihrer Republique zu dulden, und sich entsehen, denselben aus ihren Landen zu schaffen, oder ihn ein schrifftlich Consilium abeundi zuzuschicken, welchen Exempel der Magistrat der freyen Reichs-Stadt, allwo sich Titius auffgehalten, Titii Meinung nach, billich hätte folgen sollen.

Dieweil aber dennoch bey allen diesen fünff Fragen es hauptsächlich undRATIONES DECIDENDI CON. TRA QUAERENTEM. fürnemlich auf die erste Frage ankömt, und die andern viere gröstentheils von derselben dependiren, als will vor allen Dingen nöthig seyn, daß vorhero der Inhalt des Tractätgens, und was etwan den Magistrat und die Priesterschafft des Orts zu der Confiscation veranlasset, etwas genauer betrachtet werde. Es befindet sich dannenhero in demselben, daß zwar der Autor sich bemühet, den Leser mit denen in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten doctrinis zu praeoccupiren; wenn man aber nur ein wenig behutsam und ohne Vorurtheil diese Schrifft ansiehet, so fallen 1. baldPRIMA. Anfangs viele gefährliche und so wohl denen Regeln, der allen Menschen (Heyden, Jüden und Christen) gemeinen gesunden Vernunfft, als auch denen klaren Worten der heiligen göttlichen Schrifft und den gemeinen principiis der Christlichen Völcker, von was für Secten auch dieselbe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0269" n="253"/>
tzerey noch die                      Atheisterey unter die Classen der strafwürdigen Laster zu rechnen noch zu                      bestraffen wäre, und daß die gegentheilige Meinung von Bestraffung der Ketzerey                      einzig und alleine aus den Heydenthum und Pabstthum entsprungen, ja daß vielmehr                      nach den allgemeinen Regeln politischer Klugheit die Ketzermacherey für ein                      Laster der Meitmacherey geachtet und schwerlich bestraft werden müsse, und ob                      wohl, so viel die Atheisterey betreffe, zwar noch die wenigsten erkenneten, daß                      selbige nicht zu bestraffen wäre, sondern auch Grotius und Puffendorffius annoch                      die gemeine Lehre vertheydiget, dennoch etliche von denen neuern Scribenten mit                      raison gezeiget, daß man so wohl die Atheisten als Ketzer nach denen Regeln                      allgemeiner Liebe bekehren, und sie mit Sanfftmuth ihres Irrthums zu benehmen                      sich angelegen seyn lassen solle, mit nichten aber befugt sey, diese armselige                      irrige Leute als Delinquenten zu bestraff-n.</p>
        <l>Siehe notas variorum ad Lancelotti Instit. Jur. Can. lib. 4. not. 154. p. 1885.                      seq. not. 159. p. 1900. seq. not. 217. p. 1960. &amp; not. 226. p. 1970.                      seq. und die daselbst citirten Autores, Salvianum p. 1895. Rittershusium, Burnet                      p. 1896. Titium d. p. 1896 &amp; p. 1900. item p. 1960. 1971. Leibnizium,                      Limborchium p. 1903. Zieglerum p. 1971. aliosque.</l>
        <p>Zugeschweigen, daß 19. ohne Zweiffel aus diesen wichtigen Ursachen die<note place="right">DECIMA NONA.</note> Staaten in Holland bewogen worden,                      den sonst handgreiflichen Atheisten Spinosam in ihrer Republique zu dulden, und                      sich entsehen, denselben aus ihren Landen zu schaffen, oder ihn ein schrifftlich                      Consilium abeundi zuzuschicken, welchen Exempel der Magistrat der freyen                      Reichs-Stadt, allwo sich Titius auffgehalten, Titii Meinung nach, billich hätte                      folgen sollen.</p>
        <p>Dieweil aber dennoch bey allen diesen fünff Fragen es hauptsächlich und<note place="right">RATIONES DECIDENDI CON. TRA QUAERENTEM.</note>                      fürnemlich auf die erste Frage ankömt, und die andern viere gröstentheils von                      derselben dependiren, als will vor allen Dingen nöthig seyn, daß vorhero der                      Inhalt des Tractätgens, und was etwan den Magistrat und die Priesterschafft des                      Orts zu der Confiscation veranlasset, etwas genauer betrachtet werde. Es                      befindet sich dannenhero in demselben, daß zwar der Autor sich bemühet, den                      Leser mit denen in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten doctrinis zu                      praeoccupiren; wenn man aber nur ein wenig behutsam und ohne Vorurtheil diese                      Schrifft ansiehet, so fallen 1. bald<note place="right">PRIMA.</note>                      Anfangs viele gefährliche und so wohl denen Regeln, der allen Menschen (Heyden,                      Jüden und Christen) gemeinen gesunden Vernunfft, als auch denen klaren Worten                      der heiligen göttlichen Schrifft und den gemeinen principiis der Christlichen                      Völcker, von was für Secten auch dieselbe
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0269] tzerey noch die Atheisterey unter die Classen der strafwürdigen Laster zu rechnen noch zu bestraffen wäre, und daß die gegentheilige Meinung von Bestraffung der Ketzerey einzig und alleine aus den Heydenthum und Pabstthum entsprungen, ja daß vielmehr nach den allgemeinen Regeln politischer Klugheit die Ketzermacherey für ein Laster der Meitmacherey geachtet und schwerlich bestraft werden müsse, und ob wohl, so viel die Atheisterey betreffe, zwar noch die wenigsten erkenneten, daß selbige nicht zu bestraffen wäre, sondern auch Grotius und Puffendorffius annoch die gemeine Lehre vertheydiget, dennoch etliche von denen neuern Scribenten mit raison gezeiget, daß man so wohl die Atheisten als Ketzer nach denen Regeln allgemeiner Liebe bekehren, und sie mit Sanfftmuth ihres Irrthums zu benehmen sich angelegen seyn lassen solle, mit nichten aber befugt sey, diese armselige irrige Leute als Delinquenten zu bestraff-n. Siehe notas variorum ad Lancelotti Instit. Jur. Can. lib. 4. not. 154. p. 1885. seq. not. 159. p. 1900. seq. not. 217. p. 1960. & not. 226. p. 1970. seq. und die daselbst citirten Autores, Salvianum p. 1895. Rittershusium, Burnet p. 1896. Titium d. p. 1896 & p. 1900. item p. 1960. 1971. Leibnizium, Limborchium p. 1903. Zieglerum p. 1971. aliosque. Zugeschweigen, daß 19. ohne Zweiffel aus diesen wichtigen Ursachen die Staaten in Holland bewogen worden, den sonst handgreiflichen Atheisten Spinosam in ihrer Republique zu dulden, und sich entsehen, denselben aus ihren Landen zu schaffen, oder ihn ein schrifftlich Consilium abeundi zuzuschicken, welchen Exempel der Magistrat der freyen Reichs-Stadt, allwo sich Titius auffgehalten, Titii Meinung nach, billich hätte folgen sollen. DECIMA NONA. Dieweil aber dennoch bey allen diesen fünff Fragen es hauptsächlich und fürnemlich auf die erste Frage ankömt, und die andern viere gröstentheils von derselben dependiren, als will vor allen Dingen nöthig seyn, daß vorhero der Inhalt des Tractätgens, und was etwan den Magistrat und die Priesterschafft des Orts zu der Confiscation veranlasset, etwas genauer betrachtet werde. Es befindet sich dannenhero in demselben, daß zwar der Autor sich bemühet, den Leser mit denen in rationibus dubitandi n. 16. excerpirten doctrinis zu praeoccupiren; wenn man aber nur ein wenig behutsam und ohne Vorurtheil diese Schrifft ansiehet, so fallen 1. bald Anfangs viele gefährliche und so wohl denen Regeln, der allen Menschen (Heyden, Jüden und Christen) gemeinen gesunden Vernunfft, als auch denen klaren Worten der heiligen göttlichen Schrifft und den gemeinen principiis der Christlichen Völcker, von was für Secten auch dieselbe RATIONES DECIDENDI CON. TRA QUAERENTEM. PRIMA.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in TEI. (2012-11-23T14:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T14:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T14:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/269
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/269>, abgerufen am 23.11.2024.