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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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nen Bauren so entsetzlich fürkam. Denn es ist ja bekannt, daß in denen Teutschen Proceß-Ordnungen gar offt eines Corperlichen Eydes gedacht wird, und daß Cörperlicher Eyd und Leiblicher Eyd einerley Bedeutung haben, ja diese letzte Redens-Art teutscher ist als die erste. Ich will aber mit dir um ein Großes wetten, du wirst es nicht errathen, wenn du auch alle teutsche Juristische Lexica, als Wehnerum, Besoldum, Speidelium u. s. w. auffschlügest. Ergo arrige aures Pamphile. Denn, sagte der Herr Doctor: Sie wären keine Leibeigne: und die Formul leiblicher Eyd, würde nur von Leibeignen geschworen. Wer kan sich, wenn er dieses lieset, der Thränen enthalten, und wenn Sie Ihm auch durch das Lachen heraus gepresset werden solten. Die Herren Commissarii waren hauptsächlich mit zu der Güte geordnet. Wenn ich Commissarius gewesen wäre, wolte ich die Tummheit des Herrn Doctors in consideration gezogen, und mich derselben bedienet haben, die Partheyen zu vergleichen. Ich wolte den Bauer-Advocaten auff eine Seite gekriegt, und Ihn gelobet haben, daß er seiner Parthey so treulich vorstünde, und das schädliche Wort des leiblichen Eydes nicht leiden wolte. Ich getraute mir endlich wohl der Bauren Ihren Gerichts-Herrn zu bereden, daß er dieses Wort ausließe, der Herr D. möchte auch so gut seyn und die Bauren bereden, daß Sie die übrigen tergiversationes abstelleten. Wenn ich dann etwa durch dieses mein Zureden und Rechtgeben den Herrn D. hätte bereden können, wolte ich dem Gerichts-Herrn vorgestellet haben, er solte an statt des Worts Leiblichen lassen Cörperlichen Eyd setzen. Denn ich glaube gäntzlich, daß deßwegen dem tummen Kerl das Wort Leiblich war verdächtig vorgekommen, weil in denen Teutschen Ordnungen, wenn von dergleichen Eyden geredet wird, das Wort Cörperlich gemeiniglich und zum öfftern, das Wort leiblich aber gar selten gebraucht wird. Solte aber der Herr Doctor sich auch diesem Vorschlag über Verhoffen wiedersetzet haben, wolte ich mich demühet haben, ob ich Ihn nicht etwa dadurch gewinnen könte, wenn ich seine oben erzehlte raison nochmahls lobte, aber dabey erinnerte, daß Sie auff das Wort Cörperlich nicht appliciret werden könte, sondern demselben gantz zuwieder wäre: Denn gleichwie allerdings das Wort leiblicher Eyd nur bey Leibeignen gebraucht würde; also würde das Wort Cörperlich nur bey freyen Leuten, und die zum wenigsten die Freyheit hätten, die die Corporale haben, gebraucht, und geschähe also seinen Bauren eine Ehre, daß man Sie durch dieses Wort denen Tagelöhnern, ja gemeinen Handwercks-Leuten in Städten vorzöge und denen Corporalen gleich achtete. Ich dächte, ich hätte mit diesem Vorschlag schon

nen Bauren so entsetzlich fürkam. Denn es ist ja bekannt, daß in denen Teutschen Proceß-Ordnungen gar offt eines Corperlichen Eydes gedacht wird, und daß Cörperlicher Eyd und Leiblicher Eyd einerley Bedeutung haben, ja diese letzte Redens-Art teutscher ist als die erste. Ich will aber mit dir um ein Großes wetten, du wirst es nicht errathen, wenn du auch alle teutsche Juristische Lexica, als Wehnerum, Besoldum, Speidelium u. s. w. auffschlügest. Ergo arrige aures Pamphile. Denn, sagte der Herr Doctor: Sie wären keine Leibeigne: und die Formul leiblicher Eyd, würde nur von Leibeignen geschworen. Wer kan sich, wenn er dieses lieset, der Thränen enthalten, und wenn Sie Ihm auch durch das Lachen heraus gepresset werden solten. Die Herren Commissarii waren hauptsächlich mit zu der Güte geordnet. Wenn ich Commissarius gewesen wäre, wolte ich die Tummheit des Herrn Doctors in consideration gezogen, und mich derselben bedienet haben, die Partheyen zu vergleichen. Ich wolte den Bauer-Advocaten auff eine Seite gekriegt, und Ihn gelobet haben, daß er seiner Parthey so treulich vorstünde, und das schädliche Wort des leiblichen Eydes nicht leiden wolte. Ich getraute mir endlich wohl der Bauren Ihren Gerichts-Herrn zu bereden, daß er dieses Wort ausließe, der Herr D. möchte auch so gut seyn und die Bauren bereden, daß Sie die übrigen tergiversationes abstelleten. Wenn ich dann etwa durch dieses mein Zureden und Rechtgeben den Herrn D. hätte bereden können, wolte ich dem Gerichts-Herrn vorgestellet haben, er solte an statt des Worts Leiblichen lassen Cörperlichen Eyd setzen. Denn ich glaube gäntzlich, daß deßwegen dem tummen Kerl das Wort Leiblich war verdächtig vorgekommen, weil in denen Teutschen Ordnungen, wenn von dergleichen Eyden geredet wird, das Wort Cörperlich gemeiniglich und zum öfftern, das Wort leiblich aber gar selten gebraucht wird. Solte aber der Herr Doctor sich auch diesem Vorschlag über Verhoffen wiedersetzet haben, wolte ich mich demühet haben, ob ich Ihn nicht etwa dadurch gewinnen könte, wenn ich seine oben erzehlte raison nochmahls lobte, aber dabey erinnerte, daß Sie auff das Wort Cörperlich nicht appliciret werden könte, sondern demselben gantz zuwieder wäre: Denn gleichwie allerdings das Wort leiblicher Eyd nur bey Leibeignen gebraucht würde; also würde das Wort Cörperlich nur bey freyen Leuten, und die zum wenigsten die Freyheit hätten, die die Corporale haben, gebraucht, und geschähe also seinen Bauren eine Ehre, daß man Sie durch dieses Wort denen Tagelöhnern, ja gemeinen Handwercks-Leuten in Städten vorzöge und denen Corporalen gleich achtete. Ich dächte, ich hätte mit diesem Vorschlag schon

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[162/0178] nen Bauren so entsetzlich fürkam. Denn es ist ja bekannt, daß in denen Teutschen Proceß-Ordnungen gar offt eines Corperlichen Eydes gedacht wird, und daß Cörperlicher Eyd und Leiblicher Eyd einerley Bedeutung haben, ja diese letzte Redens-Art teutscher ist als die erste. Ich will aber mit dir um ein Großes wetten, du wirst es nicht errathen, wenn du auch alle teutsche Juristische Lexica, als Wehnerum, Besoldum, Speidelium u. s. w. auffschlügest. Ergo arrige aures Pamphile. Denn, sagte der Herr Doctor: Sie wären keine Leibeigne: und die Formul leiblicher Eyd, würde nur von Leibeignen geschworen. Wer kan sich, wenn er dieses lieset, der Thränen enthalten, und wenn Sie Ihm auch durch das Lachen heraus gepresset werden solten. Die Herren Commissarii waren hauptsächlich mit zu der Güte geordnet. Wenn ich Commissarius gewesen wäre, wolte ich die Tummheit des Herrn Doctors in consideration gezogen, und mich derselben bedienet haben, die Partheyen zu vergleichen. Ich wolte den Bauer-Advocaten auff eine Seite gekriegt, und Ihn gelobet haben, daß er seiner Parthey so treulich vorstünde, und das schädliche Wort des leiblichen Eydes nicht leiden wolte. Ich getraute mir endlich wohl der Bauren Ihren Gerichts-Herrn zu bereden, daß er dieses Wort ausließe, der Herr D. möchte auch so gut seyn und die Bauren bereden, daß Sie die übrigen tergiversationes abstelleten. Wenn ich dann etwa durch dieses mein Zureden und Rechtgeben den Herrn D. hätte bereden können, wolte ich dem Gerichts-Herrn vorgestellet haben, er solte an statt des Worts Leiblichen lassen Cörperlichen Eyd setzen. Denn ich glaube gäntzlich, daß deßwegen dem tummen Kerl das Wort Leiblich war verdächtig vorgekommen, weil in denen Teutschen Ordnungen, wenn von dergleichen Eyden geredet wird, das Wort Cörperlich gemeiniglich und zum öfftern, das Wort leiblich aber gar selten gebraucht wird. Solte aber der Herr Doctor sich auch diesem Vorschlag über Verhoffen wiedersetzet haben, wolte ich mich demühet haben, ob ich Ihn nicht etwa dadurch gewinnen könte, wenn ich seine oben erzehlte raison nochmahls lobte, aber dabey erinnerte, daß Sie auff das Wort Cörperlich nicht appliciret werden könte, sondern demselben gantz zuwieder wäre: Denn gleichwie allerdings das Wort leiblicher Eyd nur bey Leibeignen gebraucht würde; also würde das Wort Cörperlich nur bey freyen Leuten, und die zum wenigsten die Freyheit hätten, die die Corporale haben, gebraucht, und geschähe also seinen Bauren eine Ehre, daß man Sie durch dieses Wort denen Tagelöhnern, ja gemeinen Handwercks-Leuten in Städten vorzöge und denen Corporalen gleich achtete. Ich dächte, ich hätte mit diesem Vorschlag schon

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/178>, abgerufen am 24.04.2024.