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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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P. P. Es ist Sempronius eine Zeit lang verreiset gewesen, und als Er wieder zurück kommen, ihm durch seinem guten Freund in geheim offenbahret, wie zu Adicien und anderswo ein Murmeln gegangen und ausgesprenget, daß ein Passagier auf der Post unterwegens gesaget, es hätte Sempronius eine solche schlimme That begangen, weßhalber Er wohl das Land räumen oder verlassen müsse, auch hiebey noch andere wieder Sempronii honneur lauffende grobe injurien vorgebracht und erzehlet. Ob man nun wohl nach solchen Passagier und dessen Nahmen sehr geforschet, und Sich eusserst bemühet, den Autorem solcher famosen Beschuldigung und groben Calumnien zu erkundigen, so hat man dennoch von dessen Nahmen und Herkommen keine gewisse Nachricht erlangen können; Nachdem aber gleichwohl Sempronii Renommee hiedurch nicht wenig touchiret, insonderheit, da ein solches Murmeln immer weiter und ferner eingeschlichen, und Sempronius dennoch von solcher Condition, daß Er auf seinem Adelichen Guthe zu Dicasteyen wieder Capital. Delinquenten ob competens merum imperium criminaliter verfahren, und ad poenam mortis usque inquiriren mag, überdem auch derselbe von vornehmen hohen Eltern und selbst auf seinem Guthe in renom mirlichen statu, auch bey grossen Herren in Gnaden lebet, und dahero wieder den ungewissen Diffamatorem vel calumniantem criminaliter agiren oder inquiriren zu lassen genöthiget wird, zu seiner satisfaction aber perpetui silentii impositionem nicht zulänglich erachtet, sondern vermeinet entweder selbst, oder durch andere Obrigkeit es dahin zu bringen, daß durch den Nachrichter der Diffamante öffentlich oder in loco publico citiret, und darauf per carnificem pro diffamante vel calumniante ausgeruffen und pro infami erkläret werde: Hiebey dennoch Sempronius gern caute verfahren wolte, so werden die Hochgeehrteste Herren hiemit freundwilligst er suchet, Sie geruhen diese kurtze speciem facti collegialiter wohl zu überlegen, und cum rationibus decidendi per jura vel Doctores allegatis über nachfolgende Fragen dero Rechtliches Videtur gegen die Gebühr geneigt mitzutheilen.

1.) Wie Sempronius contra den unbekanten und nicht zu erforschenden diffamantem am besten und sichersten per denunciationem vel inquisitionem verfahren könne, daß der Diffamante auch durch den Scharfrichter dießhalber offentlich in loco publico citiret, darauf pro diffamante vel calumniante per ipsum carnificem ausgeruffen und pro infami erkläret und proclamiret werde, und was für eine Weise und Redens-Art durch den Scharfrichter hiebey zu gebrauchen? Fürs 2.) Ob Sempronius diffamatus zu Adicien wieder Diffamantem so weit', als vorgedacht, per modum denunciationis agiren; auch omissa denunciatione zu Dicasteyen auf seinem Gute selbst, adhibito tamen Assessore vel Notario, so weit, wie obgemeldet, inquiriren könne, und daß die dem Diffamato zu Dicasteyen zustehende unstreitige criminalis vel superior jurisdictio hierdurch nicht periclitiret werde, oder ob consensus Domini superioritatem territorialem habentis zu der zu Dicasteyen etwa anzustellenden Inquisition annoch besonders vorhero nothwendig loßzubitten sey?

P. P. Es ist Sempronius eine Zeit lang verreiset gewesen, und als Er wieder zurück kommen, ihm durch seinem guten Freund in geheim offenbahret, wie zu Adicien und anderswo ein Murmeln gegangen und ausgesprenget, daß ein Passagier auf der Post unterwegens gesaget, es hätte Sempronius eine solche schlimme That begangen, weßhalber Er wohl das Land räumen oder verlassen müsse, auch hiebey noch andere wieder Sempronii honneur lauffende grobe injurien vorgebracht und erzehlet. Ob man nun wohl nach solchen Passagier und dessen Nahmen sehr geforschet, und Sich eusserst bemühet, den Autorem solcher famosen Beschuldigung und groben Calumnien zu erkundigen, so hat man dennoch von dessen Nahmen und Herkommen keine gewisse Nachricht erlangen können; Nachdem aber gleichwohl Sempronii Renommee hiedurch nicht wenig touchiret, insonderheit, da ein solches Murmeln immer weiter und ferner eingeschlichen, und Sempronius dennoch von solcher Condition, daß Er auf seinem Adelichen Guthe zu Dicasteyen wieder Capital. Delinquenten ob competens merum imperium criminaliter verfahren, und ad poenam mortis usque inquiriren mag, überdem auch derselbe von vornehmen hohen Eltern und selbst auf seinem Guthe in renom mirlichen statu, auch bey grossen Herren in Gnaden lebet, und dahero wieder den ungewissen Diffamatorem vel calumniantem criminaliter agiren oder inquiriren zu lassen genöthiget wird, zu seiner satisfaction aber perpetui silentii impositionem nicht zulänglich erachtet, sondern vermeinet entweder selbst, oder durch andere Obrigkeit es dahin zu bringen, daß durch den Nachrichter der Diffamante öffentlich oder in loco publico citiret, und darauf per carnificem pro diffamante vel calumniante ausgeruffen und pro infami erkläret werde: Hiebey dennoch Sempronius gern caute verfahren wolte, so werden die Hochgeehrteste Herren hiemit freundwilligst er suchet, Sie geruhen diese kurtze speciem facti collegialiter wohl zu überlegen, und cum rationibus decidendi per jura vel Doctores allegatis über nachfolgende Fragen dero Rechtliches Videtur gegen die Gebühr geneigt mitzutheilen.

1.) Wie Sempronius contra den unbekanten und nicht zu erforschenden diffamantem am besten und sichersten per denunciationem vel inquisitionem verfahren könne, daß der Diffamante auch durch den Scharfrichter dießhalber offentlich in loco publico citiret, darauf pro diffamante vel calumniante per ipsum carnificem ausgeruffen und pro infami erkläret und proclamiret werde, und was für eine Weise und Redens-Art durch den Scharfrichter hiebey zu gebrauchen? Fürs 2.) Ob Sempronius diffamatus zu Adicien wieder Diffamantem so weit', als vorgedacht, per modum denunciationis agiren; auch omissa denunciatione zu Dicasteyen auf seinem Gute selbst, adhibito tamen Assessore vel Notario, so weit, wie obgemeldet, inquiriren könne, und daß die dem Diffamato zu Dicasteyen zustehende unstreitige criminalis vel superior jurisdictio hierdurch nicht periclitiret werde, oder ob consensus Domini superioritatem territorialem habentis zu der zu Dicasteyen etwa anzustellenden Inquisition annoch besonders vorhero nothwendig loßzubitten sey?
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P. P. Es                      ist Sempronius eine Zeit lang verreiset gewesen, und als Er wieder zurück                      kommen, ihm durch seinem guten Freund in geheim offenbahret, wie zu Adicien und                      anderswo ein Murmeln gegangen und ausgesprenget, daß ein Passagier auf der Post                      unterwegens gesaget, es hätte Sempronius eine solche schlimme That begangen,                      weßhalber Er wohl das Land räumen oder verlassen müsse, auch hiebey noch andere                      wieder Sempronii honneur lauffende grobe injurien vorgebracht und erzehlet. Ob                      man nun wohl nach solchen Passagier und dessen Nahmen sehr geforschet, und Sich                      eusserst bemühet, den Autorem solcher famosen Beschuldigung und groben Calumnien                      zu erkundigen, so hat man dennoch von dessen Nahmen und Herkommen keine gewisse                      Nachricht erlangen können; Nachdem aber gleichwohl Sempronii Renommee hiedurch                      nicht wenig touchiret, insonderheit, da ein solches Murmeln immer weiter und                      ferner eingeschlichen, und Sempronius dennoch von solcher Condition, daß Er auf                      seinem Adelichen Guthe zu Dicasteyen wieder Capital. Delinquenten ob competens                      merum imperium criminaliter verfahren, und ad poenam mortis usque inquiriren                      mag, überdem auch derselbe von vornehmen hohen Eltern und selbst auf seinem                      Guthe in renom mirlichen statu, auch bey grossen Herren in Gnaden lebet, und                      dahero wieder den ungewissen Diffamatorem vel calumniantem criminaliter agiren                      oder inquiriren zu lassen genöthiget wird, zu seiner satisfaction aber perpetui                      silentii impositionem nicht zulänglich erachtet, sondern vermeinet entweder                      selbst, oder durch andere Obrigkeit es dahin zu bringen, daß durch den                      Nachrichter der Diffamante öffentlich oder in loco publico citiret, und darauf                      per carnificem pro diffamante vel calumniante ausgeruffen und pro infami                      erkläret werde: Hiebey dennoch Sempronius gern caute verfahren wolte, so werden                      die Hochgeehrteste Herren hiemit freundwilligst er suchet, Sie geruhen diese                      kurtze speciem facti collegialiter wohl zu überlegen, und cum rationibus                      decidendi per jura vel Doctores allegatis über nachfolgende Fragen dero                      Rechtliches Videtur gegen die Gebühr geneigt mitzutheilen.</p>
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[155/0171] P. P. Es ist Sempronius eine Zeit lang verreiset gewesen, und als Er wieder zurück kommen, ihm durch seinem guten Freund in geheim offenbahret, wie zu Adicien und anderswo ein Murmeln gegangen und ausgesprenget, daß ein Passagier auf der Post unterwegens gesaget, es hätte Sempronius eine solche schlimme That begangen, weßhalber Er wohl das Land räumen oder verlassen müsse, auch hiebey noch andere wieder Sempronii honneur lauffende grobe injurien vorgebracht und erzehlet. Ob man nun wohl nach solchen Passagier und dessen Nahmen sehr geforschet, und Sich eusserst bemühet, den Autorem solcher famosen Beschuldigung und groben Calumnien zu erkundigen, so hat man dennoch von dessen Nahmen und Herkommen keine gewisse Nachricht erlangen können; Nachdem aber gleichwohl Sempronii Renommee hiedurch nicht wenig touchiret, insonderheit, da ein solches Murmeln immer weiter und ferner eingeschlichen, und Sempronius dennoch von solcher Condition, daß Er auf seinem Adelichen Guthe zu Dicasteyen wieder Capital. Delinquenten ob competens merum imperium criminaliter verfahren, und ad poenam mortis usque inquiriren mag, überdem auch derselbe von vornehmen hohen Eltern und selbst auf seinem Guthe in renom mirlichen statu, auch bey grossen Herren in Gnaden lebet, und dahero wieder den ungewissen Diffamatorem vel calumniantem criminaliter agiren oder inquiriren zu lassen genöthiget wird, zu seiner satisfaction aber perpetui silentii impositionem nicht zulänglich erachtet, sondern vermeinet entweder selbst, oder durch andere Obrigkeit es dahin zu bringen, daß durch den Nachrichter der Diffamante öffentlich oder in loco publico citiret, und darauf per carnificem pro diffamante vel calumniante ausgeruffen und pro infami erkläret werde: Hiebey dennoch Sempronius gern caute verfahren wolte, so werden die Hochgeehrteste Herren hiemit freundwilligst er suchet, Sie geruhen diese kurtze speciem facti collegialiter wohl zu überlegen, und cum rationibus decidendi per jura vel Doctores allegatis über nachfolgende Fragen dero Rechtliches Videtur gegen die Gebühr geneigt mitzutheilen. 1.) Wie Sempronius contra den unbekanten und nicht zu erforschenden diffamantem am besten und sichersten per denunciationem vel inquisitionem verfahren könne, daß der Diffamante auch durch den Scharfrichter dießhalber offentlich in loco publico citiret, darauf pro diffamante vel calumniante per ipsum carnificem ausgeruffen und pro infami erkläret und proclamiret werde, und was für eine Weise und Redens-Art durch den Scharfrichter hiebey zu gebrauchen? Fürs 2.) Ob Sempronius diffamatus zu Adicien wieder Diffamantem so weit', als vorgedacht, per modum denunciationis agiren; auch omissa denunciatione zu Dicasteyen auf seinem Gute selbst, adhibito tamen Assessore vel Notario, so weit, wie obgemeldet, inquiriren könne, und daß die dem Diffamato zu Dicasteyen zustehende unstreitige criminalis vel superior jurisdictio hierdurch nicht periclitiret werde, oder ob consensus Domini superioritatem territorialem habentis zu der zu Dicasteyen etwa anzustellenden Inquisition annoch besonders vorhero nothwendig loßzubitten sey?

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/171>, abgerufen am 25.04.2024.