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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Rede abzubitten, noch eine Straffe zu leiden condemmniret wird? wirstu dich dadurch nicht selbst mehr beschimpffen, als wenn du zu dieser injurie stille geschwiegen hättest? etc.

§. III. Der Leser übereile sich hier nicht, das er etwa vermeinen solte,Summa des gegenwärtigen Handels nebst dem responso. ich hätte dieses Exempel nur zu dem Ende vorgebracht, daß ich die Thorheiten der Menschen durchziehen könte. Mit nichten; sondern der gegenwärtige Handel hat dieses Exempel erfordert. Es hatte ein Anbringer bey einem Beamten angegeben, daß eine gewisse Frau gesagt hätte, wie die Mägde einer Dominae gesagt hätten, daß eine Closter-Jungfer solte gesagt haben, daß sein Sohn einen andern Vater hätte. Der Beamte wolte das Ding nicht leiden, sondern die erste Sagerin durchaus bestrafft wissen, und finge deßwegen einen kostbaren Proceß an, hatte sich aber bey dieser gantzen Sache dergestalt unvernünfftig auffgeführet, daß er ohnmöglich seinen Zweck erreichen kunte. Und da nun der Karren in Koth geführet war, nahm er Anno 1693. seine Zuflucht zu uns, und vermeinete, wir solten Ihn wieder heraus ziehen. Was er aber für eine Antwort bekommen, zeiget folgendes in Monat Septemb. besagten Jahres ausgestelletes Responsum.

Hat derselbe am 8. Junii 1691. besage No. I. protocolliret, daß Elias Holdhusen aus D. berichtet, er habe von Gertraut Hermanns, Johann Freytags Wittbe, welche bey ihme in seinem Hause sich auffgehalten, gehöret, daß die Jungfer W. zu der domina gesaget, es gehörete des Ambts-Raths (sein des Herrn Quaerentis) Sohn ihm nicht, sondern das Kind hätte einen andern Vater, worauff derselbe am 15. Jun. besagte Gertraud Freytagin vorfodern lassen, und sie darüber vernommen, auch selbsten protocolliret, daß dieselbe Frau die Worte unter denen formalibus, wie sie Holdhusen vorgebracht, nicht gestehen wollen, sondern gesagt, Sie habe gehöret, daß die Fräulin Domina gesagt hätte, die Jungfer W. schonete auch andere Leute nicht, massen sie von der Ambts-Räthin viel Böses geredet hätte, hernach aber, als er ermeldte Gertraud Freytagin ermahnet, die rechte Wahrheit auszusagen, auch Elias Holdhusen mit ihr confrontiret, dieser auch sich erbothen, nebst seiner Frauen dasjenige, was er gemeldet, eydlich zu erhalten, und die rea anfänglich bey der Confrontation bey ihrem Verneinen beständig verblieben, doch endlich gestanden, daß der Fräulin Dominae Mägde in ihrer Gegenwart gesaget, daß die W. blamirte, der Sohn gehöre dem Ambts-Rath nicht zu, sondern es möchte wohl ein Officier Vater seyn, auch sich dißfalls so wohl auff die Magd als ihre eigene Tochter, als Zeugen bezogen. Hat derselbe mens. April. 1692. besage N. II. an Sr. Churfürstl. Durchl. unterthänigst suppliciret, weil Gertraudt Freytagin sich unterstanden habe, von seiner Frau gantz Ehrenrührig zu reden, und Er diese injurie zu vindiciren gesonnen sey, aber in dieser

Rede abzubitten, noch eine Straffe zu leiden condemmniret wird? wirstu dich dadurch nicht selbst mehr beschimpffen, als wenn du zu dieser injurie stille geschwiegen hättest? etc.

§. III. Der Leser übereile sich hier nicht, das er etwa vermeinen solte,Summa des gegenwärtigen Handels nebst dem responso. ich hätte dieses Exempel nur zu dem Ende vorgebracht, daß ich die Thorheiten der Menschen durchziehen könte. Mit nichten; sondern der gegenwärtige Handel hat dieses Exempel erfordert. Es hatte ein Anbringer bey einem Beamten angegeben, daß eine gewisse Frau gesagt hätte, wie die Mägde einer Dominae gesagt hätten, daß eine Closter-Jungfer solte gesagt haben, daß sein Sohn einen andern Vater hätte. Der Beamte wolte das Ding nicht leiden, sondern die erste Sagerin durchaus bestrafft wissen, und finge deßwegen einen kostbaren Proceß an, hatte sich aber bey dieser gantzen Sache dergestalt unvernünfftig auffgeführet, daß er ohnmöglich seinen Zweck erreichen kunte. Und da nun der Karren in Koth geführet war, nahm er Anno 1693. seine Zuflucht zu uns, und vermeinete, wir solten Ihn wieder heraus ziehen. Was er aber für eine Antwort bekommen, zeiget folgendes in Monat Septemb. besagten Jahres ausgestelletes Responsum.

Hat derselbe am 8. Junii 1691. besage No. I. protocolliret, daß Elias Holdhusen aus D. berichtet, er habe von Gertraut Hermanns, Johann Freytags Wittbe, welche bey ihme in seinem Hause sich auffgehalten, gehöret, daß die Jungfer W. zu der domina gesaget, es gehörete des Ambts-Raths (sein des Herrn Quaerentis) Sohn ihm nicht, sondern das Kind hätte einen andern Vater, worauff derselbe am 15. Jun. besagte Gertraud Freytagin vorfodern lassen, und sie darüber vernommen, auch selbsten protocolliret, daß dieselbe Frau die Worte unter denen formalibus, wie sie Holdhusen vorgebracht, nicht gestehen wollen, sondern gesagt, Sie habe gehöret, daß die Fräulin Domina gesagt hätte, die Jungfer W. schonete auch andere Leute nicht, massen sie von der Ambts-Räthin viel Böses geredet hätte, hernach aber, als er ermeldte Gertraud Freytagin ermahnet, die rechte Wahrheit auszusagen, auch Elias Holdhusen mit ihr confrontiret, dieser auch sich erbothen, nebst seiner Frauen dasjenige, was er gemeldet, eydlich zu erhalten, und die rea anfänglich bey der Confrontation bey ihrem Verneinen beständig verblieben, doch endlich gestanden, daß der Fräulin Dominae Mägde in ihrer Gegenwart gesaget, daß die W. blamirte, der Sohn gehöre dem Ambts-Rath nicht zu, sondern es möchte wohl ein Officier Vater seyn, auch sich dißfalls so wohl auff die Magd als ihre eigene Tochter, als Zeugen bezogen. Hat derselbe mens. April. 1692. besage N. II. an Sr. Churfürstl. Durchl. unterthänigst suppliciret, weil Gertraudt Freytagin sich unterstanden habe, von seiner Frau gantz Ehrenrührig zu reden, und Er diese injurie zu vindiciren gesonnen sey, aber in dieser

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[133/0149] Rede abzubitten, noch eine Straffe zu leiden condemmniret wird? wirstu dich dadurch nicht selbst mehr beschimpffen, als wenn du zu dieser injurie stille geschwiegen hättest? etc. §. III. Der Leser übereile sich hier nicht, das er etwa vermeinen solte, ich hätte dieses Exempel nur zu dem Ende vorgebracht, daß ich die Thorheiten der Menschen durchziehen könte. Mit nichten; sondern der gegenwärtige Handel hat dieses Exempel erfordert. Es hatte ein Anbringer bey einem Beamten angegeben, daß eine gewisse Frau gesagt hätte, wie die Mägde einer Dominae gesagt hätten, daß eine Closter-Jungfer solte gesagt haben, daß sein Sohn einen andern Vater hätte. Der Beamte wolte das Ding nicht leiden, sondern die erste Sagerin durchaus bestrafft wissen, und finge deßwegen einen kostbaren Proceß an, hatte sich aber bey dieser gantzen Sache dergestalt unvernünfftig auffgeführet, daß er ohnmöglich seinen Zweck erreichen kunte. Und da nun der Karren in Koth geführet war, nahm er Anno 1693. seine Zuflucht zu uns, und vermeinete, wir solten Ihn wieder heraus ziehen. Was er aber für eine Antwort bekommen, zeiget folgendes in Monat Septemb. besagten Jahres ausgestelletes Responsum. Summa des gegenwärtigen Handels nebst dem responso. Hat derselbe am 8. Junii 1691. besage No. I. protocolliret, daß Elias Holdhusen aus D. berichtet, er habe von Gertraut Hermanns, Johann Freytags Wittbe, welche bey ihme in seinem Hause sich auffgehalten, gehöret, daß die Jungfer W. zu der domina gesaget, es gehörete des Ambts-Raths (sein des Herrn Quaerentis) Sohn ihm nicht, sondern das Kind hätte einen andern Vater, worauff derselbe am 15. Jun. besagte Gertraud Freytagin vorfodern lassen, und sie darüber vernommen, auch selbsten protocolliret, daß dieselbe Frau die Worte unter denen formalibus, wie sie Holdhusen vorgebracht, nicht gestehen wollen, sondern gesagt, Sie habe gehöret, daß die Fräulin Domina gesagt hätte, die Jungfer W. schonete auch andere Leute nicht, massen sie von der Ambts-Räthin viel Böses geredet hätte, hernach aber, als er ermeldte Gertraud Freytagin ermahnet, die rechte Wahrheit auszusagen, auch Elias Holdhusen mit ihr confrontiret, dieser auch sich erbothen, nebst seiner Frauen dasjenige, was er gemeldet, eydlich zu erhalten, und die rea anfänglich bey der Confrontation bey ihrem Verneinen beständig verblieben, doch endlich gestanden, daß der Fräulin Dominae Mägde in ihrer Gegenwart gesaget, daß die W. blamirte, der Sohn gehöre dem Ambts-Rath nicht zu, sondern es möchte wohl ein Officier Vater seyn, auch sich dißfalls so wohl auff die Magd als ihre eigene Tochter, als Zeugen bezogen. Hat derselbe mens. April. 1692. besage N. II. an Sr. Churfürstl. Durchl. unterthänigst suppliciret, weil Gertraudt Freytagin sich unterstanden habe, von seiner Frau gantz Ehrenrührig zu reden, und Er diese injurie zu vindiciren gesonnen sey, aber in dieser

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/149>, abgerufen am 26.04.2024.