Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.legata. Zumahlen da fast keine quaestio juris ist, die nicht leider per allegata juris kan pro & contra decidiret werden, sonderlich nach dem lieben jure Canonico, als welches voller contradictionum kribbelt und wibbelt. Zum Exempel, es ist nichts vernünfftigers, als wenn gelehret wird, daß der Richter nulliter verfahre, wenn er ohne genugsame indicia wieder jemand inquiriret, und weiset es die allen Menschen beywohnende gefunde Vernunfft, daß, wenn ein armer Mensch, der die Rechte nicht verstehet, sich gleich auff die inquisition einlässet, und solche nullität nicht bald Anfangs excipiendo vorbringt, dennoch der Advocate hernach in der defension diese nullitäten allegiren könne, wenn auch schon der Reus das imputirte delictum gestanden hätte, wie dieses auch in dem gegenwärtigen responso ad quaestionem primam per allegata legum, canonum, & Doctorum ist bestärcket worden. Nichts destoweniger ist kein Zweiffel, daß ein in autorität und Ansehen stehender Richter seine nullitäten gar leichtlich aus dem Jure Canonico justificiren könne, wenn er nur dasjenige zu Hülffe nimmt, was Ihm Lancelottus lib. 4. tit 1. §. 4. ex cap. 1. & fin. de accusat. in 6. dißfalls an die Hand giebet, wie ich denn diese Unbilligkeit des Päbstischen Rechts daselbst in der 25. und 27. nota gantz offenbahrlich gezeiget habe. §. VI. Solte auch ein Liebhaber des Päbstischen Rechts wieder dasjenige, was oben §. 1. wieder die Freylassung der falschen Denuntianten von aller Bestraffung angeführet worden, excipiren, daß gleichwohl denen calumnianten Ihr falsches Angeben nicht so gar für genossen ausgienge, indem gemeiniglich (wie auch in gegenwärtigen responso ad quaestionem 3. geschehen) so dann denen unschuldigen denuntiatis die actio injuriarum & damni dati repetitio fürbehalten werde; so ist doch dieser Einwurff leicht zu beantworten. Denn es ist ein grosser Unterscheid zwischen der vor diesem gebräuchlichen Bestraffung der nichts beweisenden peinlichen Ankläger, und der denen unschuldig denuncirten Theilen vorbehaltenen Klage wieder die boßhafftigen denuntianten. Jene geschahe zugleich in einem Urtheil nebst der absolution der peinlich Beklagten ex officio und kostete denen Beklagten weder Zeit, noch Mühe, noch Geld, und also war selbige fähig die calumnianten zu hindern, daß Sie sich nicht leichte in eine dergleichen peinliche Anklage mischeten. Aber dieses lässet sich auff die vorbehaltene Klagen der denuncirten nicht appliciren; denn diese kosten denen armen Leuten viel Geld und Unkosten, auch nach der überall herrschenden Auffenthaltung der lieben Justiz, viele Jahre an der edlen Zeit, und stehet doch dahin, ob Sie etwas erhalten, und wenn Sie es erhal- legata. Zumahlen da fast keine quaestio juris ist, die nicht leider per allegata juris kan pro & contra decidiret werden, sonderlich nach dem lieben jure Canonico, als welches voller contradictionum kribbelt und wibbelt. Zum Exempel, es ist nichts vernünfftigers, als wenn gelehret wird, daß der Richter nulliter verfahre, wenn er ohne genugsame indicia wieder jemand inquiriret, und weiset es die allen Menschen beywohnende gefunde Vernunfft, daß, wenn ein armer Mensch, der die Rechte nicht verstehet, sich gleich auff die inquisition einlässet, und solche nullität nicht bald Anfangs excipiendo vorbringt, dennoch der Advocate hernach in der defension diese nullitäten allegiren könne, wenn auch schon der Reus das imputirte delictum gestanden hätte, wie dieses auch in dem gegenwärtigen responso ad quaestionem primam per allegata legum, canonum, & Doctorum ist bestärcket worden. Nichts destoweniger ist kein Zweiffel, daß ein in autorität und Ansehen stehender Richter seine nullitäten gar leichtlich aus dem Jure Canonico justificiren könne, wenn er nur dasjenige zu Hülffe nimmt, was Ihm Lancelottus lib. 4. tit 1. §. 4. ex cap. 1. & fin. de accusat. in 6. dißfalls an die Hand giebet, wie ich denn diese Unbilligkeit des Päbstischen Rechts daselbst in der 25. und 27. nota gantz offenbahrlich gezeiget habe. §. VI. Solte auch ein Liebhaber des Päbstischen Rechts wieder dasjenige, was oben §. 1. wieder die Freylassung der falschen Denuntianten von aller Bestraffung angeführet worden, excipiren, daß gleichwohl denen calumnianten Ihr falsches Angeben nicht so gar für genossen ausgienge, indem gemeiniglich (wie auch in gegenwärtigen responso ad quaestionem 3. geschehen) so dann denen unschuldigen denuntiatis die actio injuriarum & damni dati repetitio fürbehalten werde; so ist doch dieser Einwurff leicht zu beantworten. Denn es ist ein grosser Unterscheid zwischen der vor diesem gebräuchlichen Bestraffung der nichts beweisenden peinlichen Ankläger, und der denen unschuldig denuncirten Theilen vorbehaltenen Klage wieder die boßhafftigen denuntianten. Jene geschahe zugleich in einem Urtheil nebst der absolution der peinlich Beklagten ex officio und kostete denen Beklagten weder Zeit, noch Mühe, noch Geld, und also war selbige fähig die calumnianten zu hindern, daß Sie sich nicht leichte in eine dergleichen peinliche Anklage mischeten. Aber dieses lässet sich auff die vorbehaltene Klagen der denuncirten nicht appliciren; denn diese kosten denen armen Leuten viel Geld und Unkosten, auch nach der überall herrschenden Auffenthaltung der lieben Justiz, viele Jahre an der edlen Zeit, und stehet doch dahin, ob Sie etwas erhalten, und wenn Sie es erhal- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0134" n="118"/> legata. Zumahlen da fast keine quaestio juris ist, die nicht leider per allegata juris kan pro & contra decidiret werden, sonderlich nach dem lieben jure Canonico, als welches voller contradictionum kribbelt und wibbelt. Zum Exempel, es ist nichts vernünfftigers, als wenn gelehret wird, daß der Richter nulliter verfahre, wenn er ohne genugsame indicia wieder jemand inquiriret, und weiset es die allen Menschen beywohnende gefunde Vernunfft, daß, wenn ein armer Mensch, der die Rechte nicht verstehet, sich gleich auff die inquisition einlässet, und solche nullität nicht bald Anfangs excipiendo vorbringt, dennoch der Advocate hernach in der defension diese nullitäten allegiren könne, wenn auch schon der Reus das imputirte delictum gestanden hätte, wie dieses auch in dem gegenwärtigen responso ad quaestionem primam per allegata legum, canonum, & Doctorum ist bestärcket worden. Nichts destoweniger ist kein Zweiffel, daß ein in autorität und Ansehen stehender Richter seine nullitäten gar leichtlich aus dem Jure Canonico justificiren könne, wenn er nur dasjenige zu Hülffe nimmt, was Ihm Lancelottus lib. 4. tit 1. §. 4. ex cap. 1. & fin. de accusat. in 6. dißfalls an die Hand giebet, wie ich denn diese Unbilligkeit des Päbstischen Rechts daselbst in der 25. und 27. nota gantz offenbahrlich gezeiget habe.</p> <note place="left">Unzulänglichkeit, die <hi rendition="#i">Denuntian</hi>ten von <hi rendition="#i">calumni</hi>ren abzuhalten, wenn gleich denen <hi rendition="#i">denuntiatis</hi> der <hi rendition="#i">Regress</hi> wieder Sie vorbehalten wird.</note> <p>§. VI. Solte auch ein Liebhaber des Päbstischen Rechts wieder dasjenige, was oben §. 1. wieder die Freylassung der falschen Denuntianten von aller Bestraffung angeführet worden, excipiren, daß gleichwohl denen calumnianten Ihr falsches Angeben nicht so gar für genossen ausgienge, indem gemeiniglich (wie auch in gegenwärtigen responso ad quaestionem 3. geschehen) so dann denen unschuldigen denuntiatis die actio injuriarum & damni dati repetitio fürbehalten werde; so ist doch dieser Einwurff leicht zu beantworten. Denn es ist ein grosser Unterscheid zwischen der vor diesem gebräuchlichen Bestraffung der nichts beweisenden peinlichen Ankläger, und der denen unschuldig denuncirten Theilen vorbehaltenen Klage wieder die boßhafftigen denuntianten. Jene geschahe zugleich in einem Urtheil nebst der absolution der peinlich Beklagten ex officio und kostete denen Beklagten weder Zeit, noch Mühe, noch Geld, und also war selbige fähig die calumnianten zu hindern, daß Sie sich nicht leichte in eine dergleichen peinliche Anklage mischeten. Aber dieses lässet sich auff die vorbehaltene Klagen der denuncirten nicht appliciren; denn diese kosten denen armen Leuten viel Geld und Unkosten, auch nach der überall herrschenden Auffenthaltung der lieben Justiz, viele Jahre an der edlen Zeit, und stehet doch dahin, ob Sie etwas erhalten, und wenn Sie es erhal- </p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0134]
legata. Zumahlen da fast keine quaestio juris ist, die nicht leider per allegata juris kan pro & contra decidiret werden, sonderlich nach dem lieben jure Canonico, als welches voller contradictionum kribbelt und wibbelt. Zum Exempel, es ist nichts vernünfftigers, als wenn gelehret wird, daß der Richter nulliter verfahre, wenn er ohne genugsame indicia wieder jemand inquiriret, und weiset es die allen Menschen beywohnende gefunde Vernunfft, daß, wenn ein armer Mensch, der die Rechte nicht verstehet, sich gleich auff die inquisition einlässet, und solche nullität nicht bald Anfangs excipiendo vorbringt, dennoch der Advocate hernach in der defension diese nullitäten allegiren könne, wenn auch schon der Reus das imputirte delictum gestanden hätte, wie dieses auch in dem gegenwärtigen responso ad quaestionem primam per allegata legum, canonum, & Doctorum ist bestärcket worden. Nichts destoweniger ist kein Zweiffel, daß ein in autorität und Ansehen stehender Richter seine nullitäten gar leichtlich aus dem Jure Canonico justificiren könne, wenn er nur dasjenige zu Hülffe nimmt, was Ihm Lancelottus lib. 4. tit 1. §. 4. ex cap. 1. & fin. de accusat. in 6. dißfalls an die Hand giebet, wie ich denn diese Unbilligkeit des Päbstischen Rechts daselbst in der 25. und 27. nota gantz offenbahrlich gezeiget habe.
§. VI. Solte auch ein Liebhaber des Päbstischen Rechts wieder dasjenige, was oben §. 1. wieder die Freylassung der falschen Denuntianten von aller Bestraffung angeführet worden, excipiren, daß gleichwohl denen calumnianten Ihr falsches Angeben nicht so gar für genossen ausgienge, indem gemeiniglich (wie auch in gegenwärtigen responso ad quaestionem 3. geschehen) so dann denen unschuldigen denuntiatis die actio injuriarum & damni dati repetitio fürbehalten werde; so ist doch dieser Einwurff leicht zu beantworten. Denn es ist ein grosser Unterscheid zwischen der vor diesem gebräuchlichen Bestraffung der nichts beweisenden peinlichen Ankläger, und der denen unschuldig denuncirten Theilen vorbehaltenen Klage wieder die boßhafftigen denuntianten. Jene geschahe zugleich in einem Urtheil nebst der absolution der peinlich Beklagten ex officio und kostete denen Beklagten weder Zeit, noch Mühe, noch Geld, und also war selbige fähig die calumnianten zu hindern, daß Sie sich nicht leichte in eine dergleichen peinliche Anklage mischeten. Aber dieses lässet sich auff die vorbehaltene Klagen der denuncirten nicht appliciren; denn diese kosten denen armen Leuten viel Geld und Unkosten, auch nach der überall herrschenden Auffenthaltung der lieben Justiz, viele Jahre an der edlen Zeit, und stehet doch dahin, ob Sie etwas erhalten, und wenn Sie es erhal-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/134>, abgerufen am 04.07.2024. |