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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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ctis zu finden sind, dieselben alle pro Inquisita testiret haben, und wenn gleich ein oder ander Medicus hiervon dissentiren solte; so ist doch solches denen Herren Urtheilsfassern entweder unbewust, und kan also der Inquisitae nichts schaden, oder da Ihnen ja der Dissensus bewust ist, ist solche scientia extra Acta pro privata zu achten, und praejudiciret Inquisitae eben so wenig, zu geschweigen, daß inquisita noch keine Ursache siehet, warum dieser, da ja derer etl. wären, ihre judicia vor glaubwürdiger, als derer, die Inquisita für sich angeführet, gehalten werden solten, da sie doch verhoffentlich die andern weder an Erfahrenheit, noch an der Zahl übersteigen werden, massen sich dann Inquisita zur Noth noch wohl getrauet, aus einer und der andern Facultate Medica Attestata für sich anzuschaffen, und müste ihr ebenfalls das bekandte Recht zu statten kommen, quod in dubio, si Medici in quaestionibus ad eorum professionem spectantibus discrepent, Judex sententiam pro Reo favorabiliorem sequi debeat, etiamsi numerus & dignitas Medicorum, qui sibi sunt contrarii, sit aequalis. MASCARD. d. Concl. 139. n. 45. (2) So kan auch Inquisita nicht absehen, warum in diesem casu criminali auff derer Herren Medicorum problemata sich nicht zu gründen sey. Denn gleichwie die Herren Medici Wittebergenses d. f. 180. b. nur von der ersten general quaestion reden, und derohalben Ihre Worte auff die quaestionem specialem von Annen Ihrem Kinde nicht zu ziehen sind per d. f. 180. b. also wird ja sonsten von denen Rechts-Lehrern einstimmig dociret, quod Artifici in sua arte credendum sit, & quod Medicis a Judice in iis, quae ad artem medicam pertinent, fides adhiberi debeat, wie solches weitläufftig deduciren MASCARD. d. Concl. 139. n. 2. TIRAQUELL. de Nobilit. c. 31. n. 398. ZACHIAS quaest. Medico Legal. lib. 5. tit. 2. quaest. 1. CARAR de Medico part. 9. n. 175. seqq. Dd. communiter ad Art. 149. Constit. Crimin. Ja es haben auch die Herren Urtheils-Fasser bey diesem casu zu zweyen unterschiedenen mahlen erkennet, es soll die Defension in eine Medicinische Facultät überschicket werden. Wenn nun die Responsa Facultatum Medicarum, die einmüthig besagen, daß zu praesumiren sey, daß Annen ihr Kind todt auff die Welt kommen, der Inquisitae nichts fruchten, sondern diesen allen unerachtet Ihr die Tortur zuerkennet werden solte; So scheinet ja in Warheit, daß so viel Zeit und Unkosten vergeblich seyn auffgewendet worden. Alleine wird (3) vorgewendet, die Herren Medici gestehen ja selber, daß dero praesumtion unerachtet, dennoch der Annen ihr Kind hätte lebendig auff die Welt kommen können. Resp. 1. Carolus Raygerus und die andern Scribenten, so in der ersten Defension angeführet worden, ingleichen die beyden Herren Medici Lipsienses und die Löbl. Medicinische Facultät zu Franckfurt an der Oder gestehen solches nicht. Wenn nun gleich die Löbl. Facultät zu Wittenberg denen ersten hierinnen contradicirte, so würde doch die Rechts-Regul, quod in dubio sententia, quae pro reo facit; sequenda sit, (zumahlen, da die pro Inquisita gesprochen, noch mehr an der Anzahl sind) die Inquisitam noch schü-

ctis zu finden sind, dieselben alle pro Inquisita testiret haben, und wenn gleich ein oder ander Medicus hiervon dissentiren solte; so ist doch solches denen Herren Urtheilsfassern entweder unbewust, und kan also der Inquisitae nichts schaden, oder da Ihnen ja der Dissensus bewust ist, ist solche scientia extra Acta pro privata zu achten, und praejudiciret Inquisitae eben so wenig, zu geschweigen, daß inquisita noch keine Ursache siehet, warum dieser, da ja derer etl. wären, ihre judicia vor glaubwürdiger, als derer, die Inquisita für sich angeführet, gehalten werden solten, da sie doch verhoffentlich die andern weder an Erfahrenheit, noch an der Zahl übersteigen werden, massen sich dann Inquisita zur Noth noch wohl getrauet, aus einer und der andern Facultate Medica Attestata für sich anzuschaffen, und müste ihr ebenfalls das bekandte Recht zu statten kommen, quod in dubio, si Medici in quaestionibus ad eorum professionem spectantibus discrepent, Judex sententiam pro Reo favorabiliorem sequi debeat, etiamsi numerus & dignitas Medicorum, qui sibi sunt contrarii, sit aequalis. MASCARD. d. Concl. 139. n. 45. (2) So kan auch Inquisita nicht absehen, warum in diesem casu criminali auff derer Herren Medicorum problemata sich nicht zu gründen sey. Denn gleichwie die Herren Medici Wittebergenses d. f. 180. b. nur von der ersten general quaestion reden, und derohalben Ihre Worte auff die quaestionem specialem von Annen Ihrem Kinde nicht zu ziehen sind per d. f. 180. b. also wird ja sonsten von denen Rechts-Lehrern einstimmig dociret, quod Artifici in sua arte credendum sit, & quod Medicis a Judice in iis, quae ad artem medicam pertinent, fides adhiberi debeat, wie solches weitläufftig deduciren MASCARD. d. Concl. 139. n. 2. TIRAQUELL. de Nobilit. c. 31. n. 398. ZACHIAS quaest. Medico Legal. lib. 5. tit. 2. quaest. 1. CARAR de Medico part. 9. n. 175. seqq. Dd. communiter ad Art. 149. Constit. Crimin. Ja es haben auch die Herren Urtheils-Fasser bey diesem casu zu zweyen unterschiedenen mahlen erkennet, es soll die Defension in eine Medicinische Facultät überschicket werden. Wenn nun die Responsa Facultatum Medicarum, die einmüthig besagen, daß zu praesumiren sey, daß Annen ihr Kind todt auff die Welt kommen, der Inquisitae nichts fruchten, sondern diesen allen unerachtet Ihr die Tortur zuerkennet werden solte; So scheinet ja in Warheit, daß so viel Zeit und Unkosten vergeblich seyn auffgewendet worden. Alleine wird (3) vorgewendet, die Herren Medici gestehen ja selber, daß dero praesumtion unerachtet, dennoch der Annen ihr Kind hätte lebendig auff die Welt kommen können. Resp. 1. Carolus Raygerus und die andern Scribenten, so in der ersten Defension angeführet worden, ingleichen die beyden Herren Medici Lipsienses und die Löbl. Medicinische Facultät zu Franckfurt an der Oder gestehen solches nicht. Wenn nun gleich die Löbl. Facultät zu Wittenberg denen ersten hierinnen contradicirte, so würde doch die Rechts-Regul, quod in dubio sententia, quae pro reo facit; sequenda sit, (zumahlen, da die pro Inquisita gesprochen, noch mehr an der Anzahl sind) die Inquisitam noch schü-

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ctis zu finden sind, dieselben alle pro                      Inquisita testiret haben, und wenn gleich ein oder ander Medicus hiervon                      dissentiren solte; so ist doch solches denen Herren Urtheilsfassern entweder                      unbewust, und kan also der Inquisitae nichts schaden, oder da Ihnen ja der                      Dissensus bewust ist, ist solche scientia extra Acta pro privata zu achten, und                      praejudiciret Inquisitae eben so wenig, zu geschweigen, daß inquisita noch keine                      Ursache siehet, warum dieser, da ja derer etl. wären, ihre judicia vor                      glaubwürdiger, als derer, die Inquisita für sich angeführet, gehalten werden                      solten, da sie doch verhoffentlich die andern weder an Erfahrenheit, noch an der                      Zahl übersteigen werden, massen sich dann Inquisita zur Noth noch wohl getrauet,                      aus einer und der andern Facultate Medica Attestata für sich anzuschaffen, und                      müste ihr ebenfalls das bekandte Recht zu statten kommen, quod in dubio, si                      Medici in quaestionibus ad eorum professionem spectantibus discrepent, Judex                      sententiam pro Reo favorabiliorem sequi debeat, etiamsi numerus &amp;                      dignitas Medicorum, qui sibi sunt contrarii, sit aequalis. MASCARD. <hi rendition="#i">d. Concl. 139. n. 45</hi>. (2) So kan auch Inquisita nicht                      absehen, warum in diesem casu criminali auff derer Herren Medicorum problemata                      sich nicht zu gründen sey. Denn gleichwie die Herren Medici Wittebergenses d. f.                      180. b. nur von der ersten general quaestion reden, und derohalben Ihre Worte                      auff die quaestionem specialem von Annen Ihrem Kinde nicht zu ziehen sind per d.                      f. 180. b. also wird ja sonsten von denen Rechts-Lehrern einstimmig dociret,                      quod Artifici in sua arte credendum sit, &amp; quod Medicis a Judice in iis,                      quae ad artem medicam pertinent, fides adhiberi debeat, wie solches weitläufftig                      deduciren MASCARD. <hi rendition="#i">d. Concl. 139. n. 2</hi>. TIRAQUELL. <hi rendition="#i">de Nobilit. c. 31. n. 398</hi>. ZACHIAS <hi rendition="#i">quaest. Medico Legal. lib. 5. tit. 2. quaest. 1</hi>. CARAR de Medico <hi rendition="#i">part. 9. n. 175. seqq</hi>. Dd. communiter <hi rendition="#i">ad Art. 149. Constit. Crimin</hi>. Ja es haben auch die Herren                      Urtheils-Fasser bey diesem casu zu zweyen unterschiedenen mahlen erkennet, es                      soll die Defension in eine Medicinische Facultät überschicket werden. Wenn nun                      die Responsa Facultatum Medicarum, die einmüthig besagen, daß zu praesumiren                      sey, daß Annen ihr Kind todt auff die Welt kommen, der Inquisitae nichts                      fruchten, sondern diesen allen unerachtet Ihr die Tortur zuerkennet werden                      solte; So scheinet ja in Warheit, daß so viel Zeit und Unkosten vergeblich seyn                      auffgewendet worden. Alleine wird (3) vorgewendet, die Herren Medici gestehen ja                      selber, daß dero praesumtion unerachtet, dennoch der Annen ihr Kind hätte                      lebendig auff die Welt kommen können. Resp. 1. Carolus Raygerus und die andern                      Scribenten, so in der ersten Defension angeführet worden, ingleichen die beyden                      Herren Medici Lipsienses und die Löbl. Medicinische Facultät zu Franckfurt an                      der Oder gestehen solches nicht. Wenn nun gleich die Löbl. Facultät zu                      Wittenberg denen ersten hierinnen contradicirte, so würde doch die Rechts-Regul,                      quod in dubio sententia, quae pro reo facit; sequenda sit, (zumahlen, da die pro                      Inquisita gesprochen, noch mehr an der Anzahl sind) die Inquisitam noch                              schü-
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[101/0117] ctis zu finden sind, dieselben alle pro Inquisita testiret haben, und wenn gleich ein oder ander Medicus hiervon dissentiren solte; so ist doch solches denen Herren Urtheilsfassern entweder unbewust, und kan also der Inquisitae nichts schaden, oder da Ihnen ja der Dissensus bewust ist, ist solche scientia extra Acta pro privata zu achten, und praejudiciret Inquisitae eben so wenig, zu geschweigen, daß inquisita noch keine Ursache siehet, warum dieser, da ja derer etl. wären, ihre judicia vor glaubwürdiger, als derer, die Inquisita für sich angeführet, gehalten werden solten, da sie doch verhoffentlich die andern weder an Erfahrenheit, noch an der Zahl übersteigen werden, massen sich dann Inquisita zur Noth noch wohl getrauet, aus einer und der andern Facultate Medica Attestata für sich anzuschaffen, und müste ihr ebenfalls das bekandte Recht zu statten kommen, quod in dubio, si Medici in quaestionibus ad eorum professionem spectantibus discrepent, Judex sententiam pro Reo favorabiliorem sequi debeat, etiamsi numerus & dignitas Medicorum, qui sibi sunt contrarii, sit aequalis. MASCARD. d. Concl. 139. n. 45. (2) So kan auch Inquisita nicht absehen, warum in diesem casu criminali auff derer Herren Medicorum problemata sich nicht zu gründen sey. Denn gleichwie die Herren Medici Wittebergenses d. f. 180. b. nur von der ersten general quaestion reden, und derohalben Ihre Worte auff die quaestionem specialem von Annen Ihrem Kinde nicht zu ziehen sind per d. f. 180. b. also wird ja sonsten von denen Rechts-Lehrern einstimmig dociret, quod Artifici in sua arte credendum sit, & quod Medicis a Judice in iis, quae ad artem medicam pertinent, fides adhiberi debeat, wie solches weitläufftig deduciren MASCARD. d. Concl. 139. n. 2. TIRAQUELL. de Nobilit. c. 31. n. 398. ZACHIAS quaest. Medico Legal. lib. 5. tit. 2. quaest. 1. CARAR de Medico part. 9. n. 175. seqq. Dd. communiter ad Art. 149. Constit. Crimin. Ja es haben auch die Herren Urtheils-Fasser bey diesem casu zu zweyen unterschiedenen mahlen erkennet, es soll die Defension in eine Medicinische Facultät überschicket werden. Wenn nun die Responsa Facultatum Medicarum, die einmüthig besagen, daß zu praesumiren sey, daß Annen ihr Kind todt auff die Welt kommen, der Inquisitae nichts fruchten, sondern diesen allen unerachtet Ihr die Tortur zuerkennet werden solte; So scheinet ja in Warheit, daß so viel Zeit und Unkosten vergeblich seyn auffgewendet worden. Alleine wird (3) vorgewendet, die Herren Medici gestehen ja selber, daß dero praesumtion unerachtet, dennoch der Annen ihr Kind hätte lebendig auff die Welt kommen können. Resp. 1. Carolus Raygerus und die andern Scribenten, so in der ersten Defension angeführet worden, ingleichen die beyden Herren Medici Lipsienses und die Löbl. Medicinische Facultät zu Franckfurt an der Oder gestehen solches nicht. Wenn nun gleich die Löbl. Facultät zu Wittenberg denen ersten hierinnen contradicirte, so würde doch die Rechts-Regul, quod in dubio sententia, quae pro reo facit; sequenda sit, (zumahlen, da die pro Inquisita gesprochen, noch mehr an der Anzahl sind) die Inquisitam noch schü-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/117>, abgerufen am 23.04.2024.