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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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sie hierüber von Vater zur Rede gesetzt worden, beständig verneinet, nachgehends auch, als sie in Abwesenheit ihrer Mutter kranck worden, ihren Zustand niemand in Hause, auch als die R. (Käse-Mutter) zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt, ausser gegen die Mutter, gantz heimlich gehalten, und wie diese berichtet, das Kind in Bette bekommen, da es die Mutter todt zu sich genommen, anfänglich in eine Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man an Ihr die Geburt nicht mercken sollen, dann die Mutter, daß sie, die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet, der angezogene Fall aber, wie die eydl. abgehörte Zeugin Dorothea (die Zoffe) meldet, ohngefehr nach Johannis gegen Bartholomaei, und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen, in übrigen, wie in der Medicinischen Facultät zu Wittenberg Gutachten Vol. 2. fol. 180. angeführet, in Sachen, so Leib und Leben betreffen, so blosser Dinge auff solche Problemata, die etliche der Medicorum proponiret, sich nicht zu gründen, und deren ungeacht, Inquisitin Kind lebendig auff die Welt gekommen seyn kan, in der übergebenen defension auch der wieder sie streitende Verdacht zur Genüge nicht abgelehnet, nach mehrerm Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten. So erscheinet darans und sonsten allenthalben so viel, daß das Annen ertheilte sichere Geleite hinwiederum auffzuheben, und sie zur Hafft zu bringen, auch da sie ihr Bekäntniß in Guten anderweit richtig nicht thun will, seyd Ihr wohl befugt, sie dem Scharff-Richter auff diese Maasse zu untergeben, daß er sie mag ausziehen, entblössen, zur Leiter führen, die zur Peinligkeit gehörigen Instrumenta vorzeigen, die Daumenstöcke anlegen, und damit zuschrauben, auch da dieses nicht fruchtet, sie mit den Banden-Schnüren, jedoch, daß es bey dem, wie jetzt gedacht, verbleibe, und mit Ihr vor diesesmahl ferner nichts vorgenommen werde, dabey sie denn mit allen Ernst zu befragen, ob sie nicht An. 1681. ein lebendig Kind zur Welt gebohren? ob sie nicht an dasselbe Hand angeleget, und es vorsetzlich ermordet? wie sie mit der Ermordung umgangen? Ob sie nicht das Kind, so bald es von Ihr kommen, in Bette ersticket? Ob sie nicht dasselbige darinnen eine Zeit lang liegen lassen, damit es ersticken und umkommen sollen? Wer ihr zu dieser Mordthat geholffen, oder Rath und Anschlag darzu gegeben? Was sie sonst darbey gethan und Ihr darum bewust sey? Wenn nun ihre gütl. oder vor dem Scharff-Richter gethanene Aussage mit Fleiß auffgezeichnet, und nebst denen Acten wiederum überschickt wird, so ergehet darauff so wohl ihrer Person, als auch der Mutter und des Vaters halber ferner was recht ist.

Supplique, die Acta an die Herren JCtes nach

§. XL. Weil nun nach geschehener gewöhnlicher publication des Urtheils, oder vielmehr derer rationum desselben, erhellete, daß ohnerachtet aller bißhero vorgebrachten momentorum in defensione die Herren Scabini Lipsienses dennoch auff die tortur Ihre reflexion gemacht hat-

sie hierüber von Vater zur Rede gesetzt worden, beständig verneinet, nachgehends auch, als sie in Abwesenheit ihrer Mutter kranck worden, ihren Zustand niemand in Hause, auch als die R. (Käse-Mutter) zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt, ausser gegen die Mutter, gantz heimlich gehalten, und wie diese berichtet, das Kind in Bette bekommen, da es die Mutter todt zu sich genommen, anfänglich in eine Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man an Ihr die Geburt nicht mercken sollen, dann die Mutter, daß sie, die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet, der angezogene Fall aber, wie die eydl. abgehörte Zeugin Dorothea (die Zoffe) meldet, ohngefehr nach Johannis gegen Bartholomaei, und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen, in übrigen, wie in der Medicinischen Facultät zu Wittenberg Gutachten Vol. 2. fol. 180. angeführet, in Sachen, so Leib und Leben betreffen, so blosser Dinge auff solche Problemata, die etliche der Medicorum proponiret, sich nicht zu gründen, und deren ungeacht, Inquisitin Kind lebendig auff die Welt gekommen seyn kan, in der übergebenen defension auch der wieder sie streitende Verdacht zur Genüge nicht abgelehnet, nach mehrerm Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten. So erscheinet darans und sonsten allenthalben so viel, daß das Annen ertheilte sichere Geleite hinwiederum auffzuheben, und sie zur Hafft zu bringen, auch da sie ihr Bekäntniß in Guten anderweit richtig nicht thun will, seyd Ihr wohl befugt, sie dem Scharff-Richter auff diese Maasse zu untergeben, daß er sie mag ausziehen, entblössen, zur Leiter führen, die zur Peinligkeit gehörigen Instrumenta vorzeigen, die Daumenstöcke anlegen, und damit zuschrauben, auch da dieses nicht fruchtet, sie mit den Banden-Schnüren, jedoch, daß es bey dem, wie jetzt gedacht, verbleibe, und mit Ihr vor diesesmahl ferner nichts vorgenommen werde, dabey sie denn mit allen Ernst zu befragen, ob sie nicht An. 1681. ein lebendig Kind zur Welt gebohren? ob sie nicht an dasselbe Hand angeleget, und es vorsetzlich ermordet? wie sie mit der Ermordung umgangen? Ob sie nicht das Kind, so bald es von Ihr kommen, in Bette ersticket? Ob sie nicht dasselbige darinnen eine Zeit lang liegen lassen, damit es ersticken und umkommen sollen? Wer ihr zu dieser Mordthat geholffen, oder Rath und Anschlag darzu gegeben? Was sie sonst darbey gethan und Ihr darum bewust sey? Wenn nun ihre gütl. oder vor dem Scharff-Richter gethanene Aussage mit Fleiß auffgezeichnet, und nebst denen Acten wiederum überschickt wird, so ergehet darauff so wohl ihrer Person, als auch der Mutter und des Vaters halber ferner was recht ist.

Supplique, die Acta an die Herren JCtes nach

§. XL. Weil nun nach geschehener gewöhnlicher publication des Urtheils, oder vielmehr derer rationum desselben, erhellete, daß ohnerachtet aller bißhero vorgebrachten momentorum in defensione die Herren Scabini Lipsienses dennoch auff die tortur Ihre reflexion gemacht hat-

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[94/0110] sie hierüber von Vater zur Rede gesetzt worden, beständig verneinet, nachgehends auch, als sie in Abwesenheit ihrer Mutter kranck worden, ihren Zustand niemand in Hause, auch als die R. (Käse-Mutter) zu ihr kommen, derselben nicht offenbahret, sondern die Geburt, ausser gegen die Mutter, gantz heimlich gehalten, und wie diese berichtet, das Kind in Bette bekommen, da es die Mutter todt zu sich genommen, anfänglich in eine Lade verborgen, und hernach in der Stille vergraben, die Tochter auch in wenig Tagen wiederum auffgestanden, ein Küssen vor den Leib gebunden, in 8. Tagen auch wiederum in die Kirche gangen, und sich dergestalt angekleidet, daß man an Ihr die Geburt nicht mercken sollen, dann die Mutter, daß sie, die Tochter ein Fieber habe, fürgewendet, der angezogene Fall aber, wie die eydl. abgehörte Zeugin Dorothea (die Zoffe) meldet, ohngefehr nach Johannis gegen Bartholomaei, und also eine ziemliche Zeit vor Inquisitin Niederkunfft geschehen, in übrigen, wie in der Medicinischen Facultät zu Wittenberg Gutachten Vol. 2. fol. 180. angeführet, in Sachen, so Leib und Leben betreffen, so blosser Dinge auff solche Problemata, die etliche der Medicorum proponiret, sich nicht zu gründen, und deren ungeacht, Inquisitin Kind lebendig auff die Welt gekommen seyn kan, in der übergebenen defension auch der wieder sie streitende Verdacht zur Genüge nicht abgelehnet, nach mehrerm Inhalt der überschickten Inquisitions-Acten. So erscheinet darans und sonsten allenthalben so viel, daß das Annen ertheilte sichere Geleite hinwiederum auffzuheben, und sie zur Hafft zu bringen, auch da sie ihr Bekäntniß in Guten anderweit richtig nicht thun will, seyd Ihr wohl befugt, sie dem Scharff-Richter auff diese Maasse zu untergeben, daß er sie mag ausziehen, entblössen, zur Leiter führen, die zur Peinligkeit gehörigen Instrumenta vorzeigen, die Daumenstöcke anlegen, und damit zuschrauben, auch da dieses nicht fruchtet, sie mit den Banden-Schnüren, jedoch, daß es bey dem, wie jetzt gedacht, verbleibe, und mit Ihr vor diesesmahl ferner nichts vorgenommen werde, dabey sie denn mit allen Ernst zu befragen, ob sie nicht An. 1681. ein lebendig Kind zur Welt gebohren? ob sie nicht an dasselbe Hand angeleget, und es vorsetzlich ermordet? wie sie mit der Ermordung umgangen? Ob sie nicht das Kind, so bald es von Ihr kommen, in Bette ersticket? Ob sie nicht dasselbige darinnen eine Zeit lang liegen lassen, damit es ersticken und umkommen sollen? Wer ihr zu dieser Mordthat geholffen, oder Rath und Anschlag darzu gegeben? Was sie sonst darbey gethan und Ihr darum bewust sey? Wenn nun ihre gütl. oder vor dem Scharff-Richter gethanene Aussage mit Fleiß auffgezeichnet, und nebst denen Acten wiederum überschickt wird, so ergehet darauff so wohl ihrer Person, als auch der Mutter und des Vaters halber ferner was recht ist. §. XL. Weil nun nach geschehener gewöhnlicher publication des Urtheils, oder vielmehr derer rationum desselben, erhellete, daß ohnerachtet aller bißhero vorgebrachten momentorum in defensione die Herren Scabini Lipsienses dennoch auff die tortur Ihre reflexion gemacht hat-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/110>, abgerufen am 29.03.2024.