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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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meine Seele in Gedult fassen, und es versuchen, ob ich nicht erhalten könte, daß die Acta künfftig nicht mehr in den Schöppen-Stuhl zu Leipzig, sondern an die JCtos zu Wittenberg geschickt würden, und daß die fernere Verschickung an eine andere Medicinische Facultät gäntzlich unterwegens bliebe, wie die supplique selbst ausweiset.

Eurer Churfürstl. Durchl. ruhet noch in Gnädigsten Andencken, daß Selbige für einiger Zeit Dero Amtmanne zu Leipzig auff mein unterthänigstes suppliciren Gnädigst committiret, die wieder meine Tochter Annen, ingleichen mein Eheweib und mich für dem Amte zu P. in puncto infanticidii und was dem anhängig, angestellte inquisition denen Rechten gemäß zu vollführen, welches ich noch mahlen mit Unterthänigsten Gehorsam erkenne. Gleichwie aber Gnädigster Churfürst und Herr, die indicia wieder meine Tochter hauptsächlich in 2. puncten beruhen, erstlich, daß an dem todten Kinde bey der section unterschiedene Stiche gefunden worden; hernacher, daß ermeldte meine Tocher in keines Menschen als meines Eheweibes Beyseyn das Kind zur Welt gebohren; Also hoffe ich das erste indicium in der ad acta ohnlängst gegebenen defension dadurch hauptsächlich elidiret zu haben, weil die Medici, so bey der section gewesen, auff vorhergehendes rechtliches Erkäntniß derer Herren Schöppen (die Zweiffels ohne darauff reflectiret) eydlich ausgesaget, daß Sie gäntzlich davor hielten, daß die Stiche dem Kinde erst nach seinem Tode zugefügt worden, auch daß es gar wohl seyn könte, daß dieses von der Köchin, die das todte Kind ausgegraben, und zuvorher mit einem Bratspiesse in die Erde zum öfftern gestochen, auch selbst gestanden, daß Sie vermuthlich dem Kinde die Stiche zugefüget, mit dem Bratspiesse, der Ihnen vorgezeiget worden, geschehen wäre. So viel aber das andere indicium betrifft, bin ich gemeinet gewesen, solches nach Anleitung des art. 131. Constit. Crimin. hierdurch zu wiederlegen; wann ich darthäte, daß das Kind todt auff die Welt gekommen sey, worzu ich mich denn des einen Medici, so die section verrichtet, Nachricht bedienet, der bey der section ein Stück von des todten Kindes Lunge ins Wasser geworffen, und befunden, daß Selbige untergesuncken, massen dann die berühmtesten Medici hodierni der Meinung sind, daß pulmones infantis in aqua submergentes ein gewisses indicium machen, quod foetus in utero fuerit extinctus. Wann ich dann deßhalben den Medicum, so die Lunge ins Wasser geworffen, über gewisse articulos eydlich abhören zu lassen begehret, der Herr Amtmann aber dieses für sich zu thun Bedencken getragen, sondern dieserwegen me consentiente Sich bey denen Herren Schöppen informiret; Als haben Selbige zwar interloquendo erkennet, daß meinem petito billig statt zu geben wäre, dabey aber zugleich, daß er der Herr Amtmann zuvor über meine defension, wenn ich solche übergeben würde, in einem Collegio medico erkennen lassen solte, mit gesprochen; Ob nun wohl der Herr Amtmann auch solches zu thun Vorhabens gewesen; so habe ich doch endlich durch mein Bitten erhalten, daß er

meine Seele in Gedult fassen, und es versuchen, ob ich nicht erhalten könte, daß die Acta künfftig nicht mehr in den Schöppen-Stuhl zu Leipzig, sondern an die JCtos zu Wittenberg geschickt würden, und daß die fernere Verschickung an eine andere Medicinische Facultät gäntzlich unterwegens bliebe, wie die supplique selbst ausweiset.

Eurer Churfürstl. Durchl. ruhet noch in Gnädigsten Andencken, daß Selbige für einiger Zeit Dero Amtmanne zu Leipzig auff mein unterthänigstes suppliciren Gnädigst committiret, die wieder meine Tochter Annen, ingleichen mein Eheweib und mich für dem Amte zu P. in puncto infanticidii und was dem anhängig, angestellte inquisition denen Rechten gemäß zu vollführen, welches ich noch mahlen mit Unterthänigsten Gehorsam erkenne. Gleichwie aber Gnädigster Churfürst und Herr, die indicia wieder meine Tochter hauptsächlich in 2. puncten beruhen, erstlich, daß an dem todten Kinde bey der section unterschiedene Stiche gefunden worden; hernacher, daß ermeldte meine Tocher in keines Menschen als meines Eheweibes Beyseyn das Kind zur Welt gebohren; Also hoffe ich das erste indicium in der ad acta ohnlängst gegebenen defension dadurch hauptsächlich elidiret zu haben, weil die Medici, so bey der section gewesen, auff vorhergehendes rechtliches Erkäntniß derer Herren Schöppen (die Zweiffels ohne darauff reflectiret) eydlich ausgesaget, daß Sie gäntzlich davor hielten, daß die Stiche dem Kinde erst nach seinem Tode zugefügt worden, auch daß es gar wohl seyn könte, daß dieses von der Köchin, die das todte Kind ausgegraben, und zuvorher mit einem Bratspiesse in die Erde zum öfftern gestochen, auch selbst gestanden, daß Sie vermuthlich dem Kinde die Stiche zugefüget, mit dem Bratspiesse, der Ihnen vorgezeiget worden, geschehen wäre. So viel aber das andere indicium betrifft, bin ich gemeinet gewesen, solches nach Anleitung des art. 131. Constit. Crimin. hierdurch zu wiederlegen; wann ich darthäte, daß das Kind todt auff die Welt gekommen sey, worzu ich mich denn des einen Medici, so die section verrichtet, Nachricht bedienet, der bey der section ein Stück von des todten Kindes Lunge ins Wasser geworffen, und befunden, daß Selbige untergesuncken, massen dann die berühmtesten Medici hodierni der Meinung sind, daß pulmones infantis in aqua submergentes ein gewisses indicium machen, quod foetus in utero fuerit extinctus. Wann ich dann deßhalben den Medicum, so die Lunge ins Wasser geworffen, über gewisse articulos eydlich abhören zu lassen begehret, der Herr Amtmann aber dieses für sich zu thun Bedencken getragen, sondern dieserwegen me consentiente Sich bey denen Herren Schöppen informiret; Als haben Selbige zwar interloquendo erkennet, daß meinem petito billig statt zu geben wäre, dabey aber zugleich, daß er der Herr Amtmann zuvor über meine defension, wenn ich solche übergeben würde, in einem Collegio medico erkennen lassen solte, mit gesprochen; Ob nun wohl der Herr Amtmann auch solches zu thun Vorhabens gewesen; so habe ich doch endlich durch mein Bitten erhalten, daß er

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[87/0103] meine Seele in Gedult fassen, und es versuchen, ob ich nicht erhalten könte, daß die Acta künfftig nicht mehr in den Schöppen-Stuhl zu Leipzig, sondern an die JCtos zu Wittenberg geschickt würden, und daß die fernere Verschickung an eine andere Medicinische Facultät gäntzlich unterwegens bliebe, wie die supplique selbst ausweiset. Eurer Churfürstl. Durchl. ruhet noch in Gnädigsten Andencken, daß Selbige für einiger Zeit Dero Amtmanne zu Leipzig auff mein unterthänigstes suppliciren Gnädigst committiret, die wieder meine Tochter Annen, ingleichen mein Eheweib und mich für dem Amte zu P. in puncto infanticidii und was dem anhängig, angestellte inquisition denen Rechten gemäß zu vollführen, welches ich noch mahlen mit Unterthänigsten Gehorsam erkenne. Gleichwie aber Gnädigster Churfürst und Herr, die indicia wieder meine Tochter hauptsächlich in 2. puncten beruhen, erstlich, daß an dem todten Kinde bey der section unterschiedene Stiche gefunden worden; hernacher, daß ermeldte meine Tocher in keines Menschen als meines Eheweibes Beyseyn das Kind zur Welt gebohren; Also hoffe ich das erste indicium in der ad acta ohnlängst gegebenen defension dadurch hauptsächlich elidiret zu haben, weil die Medici, so bey der section gewesen, auff vorhergehendes rechtliches Erkäntniß derer Herren Schöppen (die Zweiffels ohne darauff reflectiret) eydlich ausgesaget, daß Sie gäntzlich davor hielten, daß die Stiche dem Kinde erst nach seinem Tode zugefügt worden, auch daß es gar wohl seyn könte, daß dieses von der Köchin, die das todte Kind ausgegraben, und zuvorher mit einem Bratspiesse in die Erde zum öfftern gestochen, auch selbst gestanden, daß Sie vermuthlich dem Kinde die Stiche zugefüget, mit dem Bratspiesse, der Ihnen vorgezeiget worden, geschehen wäre. So viel aber das andere indicium betrifft, bin ich gemeinet gewesen, solches nach Anleitung des art. 131. Constit. Crimin. hierdurch zu wiederlegen; wann ich darthäte, daß das Kind todt auff die Welt gekommen sey, worzu ich mich denn des einen Medici, so die section verrichtet, Nachricht bedienet, der bey der section ein Stück von des todten Kindes Lunge ins Wasser geworffen, und befunden, daß Selbige untergesuncken, massen dann die berühmtesten Medici hodierni der Meinung sind, daß pulmones infantis in aqua submergentes ein gewisses indicium machen, quod foetus in utero fuerit extinctus. Wann ich dann deßhalben den Medicum, so die Lunge ins Wasser geworffen, über gewisse articulos eydlich abhören zu lassen begehret, der Herr Amtmann aber dieses für sich zu thun Bedencken getragen, sondern dieserwegen me consentiente Sich bey denen Herren Schöppen informiret; Als haben Selbige zwar interloquendo erkennet, daß meinem petito billig statt zu geben wäre, dabey aber zugleich, daß er der Herr Amtmann zuvor über meine defension, wenn ich solche übergeben würde, in einem Collegio medico erkennen lassen solte, mit gesprochen; Ob nun wohl der Herr Amtmann auch solches zu thun Vorhabens gewesen; so habe ich doch endlich durch mein Bitten erhalten, daß er

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/103>, abgerufen am 29.03.2024.