Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

durch eine tägliche/ und auff unbetrieg-
liche Regeln sich gründende Erfahrung
allen Menschen mit denen Er conversi-
r
et/ wenn sie auch noch so sehr dissimuli-
r
en/ biß in das innerste ihrer Gedancken
penetriret, und diese Seine Wissenschafft
zu Nutzen des gemeinen Besten/ und zu
Abwendung des gemeinen Schadens an-
zuwenden weiß: der geschickt ist/ eine sei-
nem Genio und Stande gemäße profes-
sion
zu erkiesen/ und die darzu gehörige/
und/ seine Tugend desto nachdrücklicher
blicken zu lassen/ nöthige Güter des
Glücks rechtmäßig zu erwerben/ die er-
worbenen zu erhalten/ und zu vermeh-
ren/ und beyde nach der Richtschnur der
gesunden Vernunfft unter die Bedürff-
tigen auszutheilen gelernet hat. Ja end-
lich der alles sein Thun und Lassen dar-
nach einrichtet/ daß man in denenselben
ein rechtmäßiges decorum, ohne wel-
ches alle Philosophie eitel und eine blos-
se Pedanterey seyn würde/ handgreiff-
lich spühren könne. Einen vortreffli-
chen
JCtum nenne ich denjenigen/ der

nicht
* 4

durch eine taͤgliche/ und auff unbetrieg-
liche Regeln ſich gruͤndende Erfahrung
allen Menſchen mit denen Er converſi-
r
et/ wenn ſie auch noch ſo ſehr diſſimuli-
r
en/ biß in das innerſte ihrer Gedancken
penetriret, und dieſe Seine Wiſſenſchafft
zu Nutzen des gemeinen Beſten/ und zu
Abwendung des gemeinen Schadens an-
zuwenden weiß: der geſchickt iſt/ eine ſei-
nem Genio und Stande gemaͤße profeſ-
ſion
zu erkieſen/ und die darzu gehoͤrige/
und/ ſeine Tugend deſto nachdruͤcklicher
blicken zu laſſen/ noͤthige Guͤter des
Gluͤcks rechtmaͤßig zu erwerben/ die er-
worbenen zu erhalten/ und zu vermeh-
ren/ und beyde nach der Richtſchnur der
geſunden Vernunfft unter die Beduͤrff-
tigen auszutheilen gelernet hat. Ja end-
lich der alles ſein Thun und Laſſen dar-
nach einrichtet/ daß man in denenſelben
ein rechtmaͤßiges decorum, ohne wel-
ches alle Philoſophie eitel und eine bloſ-
ſe Pedanterey ſeyn wuͤrde/ handgreiff-
lich ſpuͤhren koͤnne. Einen vortreffli-
chen
JCtum nenne ich denjenigen/ der

nicht
* 4
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/>
durch eine ta&#x0364;gliche/ und auff unbetrieg-<lb/>
liche Regeln &#x017F;ich gru&#x0364;ndende Erfahrung<lb/>
allen Men&#x017F;chen mit denen Er <hi rendition="#aq">conver&#x017F;i-<lb/>
r</hi>et/ wenn &#x017F;ie auch noch &#x017F;o &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">di&#x017F;&#x017F;imuli-<lb/>
r</hi>en/ biß in das inner&#x017F;te ihrer Gedancken<lb/><hi rendition="#aq">penetriret,</hi> und die&#x017F;e Seine Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft<lb/>
zu Nutzen des gemeinen Be&#x017F;ten/ und zu<lb/>
Abwendung des gemeinen Schadens an-<lb/>
zuwenden weiß: der ge&#x017F;chickt i&#x017F;t/ eine &#x017F;ei-<lb/>
nem <hi rendition="#aq">Genio</hi> und Stande gema&#x0364;ße <hi rendition="#aq">profe&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ion</hi> zu erkie&#x017F;en/ und die darzu geho&#x0364;rige/<lb/>
und/ &#x017F;eine Tugend de&#x017F;to nachdru&#x0364;cklicher<lb/>
blicken zu la&#x017F;&#x017F;en/ no&#x0364;thige Gu&#x0364;ter des<lb/>
Glu&#x0364;cks rechtma&#x0364;ßig zu erwerben/ die er-<lb/>
worbenen zu erhalten/ und zu vermeh-<lb/>
ren/ und beyde nach der Richt&#x017F;chnur der<lb/>
ge&#x017F;unden Vernunfft unter die Bedu&#x0364;rff-<lb/>
tigen auszutheilen gelernet hat. Ja end-<lb/>
lich der alles &#x017F;ein Thun und La&#x017F;&#x017F;en dar-<lb/>
nach einrichtet/ daß man in denen&#x017F;elben<lb/>
ein rechtma&#x0364;ßiges <hi rendition="#aq">decorum,</hi> ohne wel-<lb/>
ches alle <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophie</hi> eitel und eine blo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e <hi rendition="#aq">Pedanter</hi>ey &#x017F;eyn wu&#x0364;rde/ handgreiff-<lb/>
lich &#x017F;pu&#x0364;hren ko&#x0364;nne. Einen <hi rendition="#fr">vortreffli-<lb/>
chen</hi> <hi rendition="#aq">JCtum</hi> nenne ich denjenigen/ der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">* 4</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0009] durch eine taͤgliche/ und auff unbetrieg- liche Regeln ſich gruͤndende Erfahrung allen Menſchen mit denen Er converſi- ret/ wenn ſie auch noch ſo ſehr diſſimuli- ren/ biß in das innerſte ihrer Gedancken penetriret, und dieſe Seine Wiſſenſchafft zu Nutzen des gemeinen Beſten/ und zu Abwendung des gemeinen Schadens an- zuwenden weiß: der geſchickt iſt/ eine ſei- nem Genio und Stande gemaͤße profeſ- ſion zu erkieſen/ und die darzu gehoͤrige/ und/ ſeine Tugend deſto nachdruͤcklicher blicken zu laſſen/ noͤthige Guͤter des Gluͤcks rechtmaͤßig zu erwerben/ die er- worbenen zu erhalten/ und zu vermeh- ren/ und beyde nach der Richtſchnur der geſunden Vernunfft unter die Beduͤrff- tigen auszutheilen gelernet hat. Ja end- lich der alles ſein Thun und Laſſen dar- nach einrichtet/ daß man in denenſelben ein rechtmaͤßiges decorum, ohne wel- ches alle Philoſophie eitel und eine bloſ- ſe Pedanterey ſeyn wuͤrde/ handgreiff- lich ſpuͤhren koͤnne. Einen vortreffli- chen JCtum nenne ich denjenigen/ der nicht * 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/9
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/9>, abgerufen am 30.04.2024.