Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 6. Hauptstück von denen
alten AEgyptier scheinen angenommen zu ha-
ben/ ist es wieder oder doch zum wenigsten ü-
ber die Vernunfft.

99. Weßwegen auch diese Philosophi
alle ihre philosophie per numeros als das
gröste Geheimnüß tractiret/ und guten theils
ad sacra appliciret haben.

100. So ist demnach die andere haupt
proposition, die in dem primo principio
steckt/ folgende. Was mit denen ideis, die
der Menschliche Verstand von denen in
die Sinne
imprimirten Dingen macht/ ü-
bereinkömmt/ das ist wahr/ und was ih-
nen zu wieder ist/ das ist falsch.

101. Diesen Satz wird niemand leugnen/
wenn er nur bedenckt/ daß die ideae, wie wir
solche bißher beschrieben/ nichts anders sind
oder seyn können/ als definitiones rerum.

102. Und wenn er auch diesen Satz leug-
nete/ oder dessen Beweiß forderte/ würden wir
uns nicht mit ihm einlassen/ weil diese pro-
position
ja so unerweißlich ist/ als die erste.

103. Die gröste Schwürigkeit scheinet dar-
innen zu bestehen/ daß die Menschen zu wei-
len ja öffters sich so gar wunderliche und
falsche
ideen von einen Dinge machen/ und

solcher-

Das 6. Hauptſtuͤck von denen
alten Ægyptier ſcheinen angenommen zu ha-
ben/ iſt es wieder oder doch zum wenigſten uͤ-
ber die Vernunfft.

99. Weßwegen auch dieſe Philoſophi
alle ihre philoſophie per numeros als das
groͤſte Geheimnuͤß tractiret/ und guten theils
ad ſacra appliciret haben.

100. So iſt demnach die andere haupt
propoſition, die in dem primo principio
ſteckt/ folgende. Was mit denen ideis, die
der Menſchliche Verſtand von denen in
die Sinne
imprimirten Dingen macht/ uͤ-
bereinkoͤmmt/ das iſt wahr/ und was ih-
nen zu wieder iſt/ das iſt falſch.

101. Dieſen Satz wird niemand leugnen/
wenn er nur bedenckt/ daß die ideæ, wie wir
ſolche bißher beſchrieben/ nichts anders ſind
oder ſeyn koͤnnen/ als definitiones rerum.

102. Und wenn er auch dieſen Satz leug-
nete/ oder deſſen Beweiß forderte/ wuͤrden wir
uns nicht mit ihm einlaſſen/ weil dieſe pro-
poſition
ja ſo unerweißlich iſt/ als die erſte.

103. Die groͤſte Schwuͤrigkeit ſcheinet dar-
innen zu beſtehen/ daß die Menſchen zu wei-
len ja oͤffters ſich ſo gar wunderliche und
falſche
ideen von einen Dinge machen/ und

ſolcher-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0194" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 6. Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck von denen</hi></fw><lb/>
alten <hi rendition="#aq">Ægyptier</hi> &#x017F;cheinen angenommen zu ha-<lb/>
ben/ i&#x017F;t es wieder oder doch zum wenig&#x017F;ten u&#x0364;-<lb/>
ber die Vernunfft.</p><lb/>
        <p>99. Weßwegen auch die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi><lb/>
alle ihre <hi rendition="#aq">philo&#x017F;ophie per numeros</hi> als das<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te Geheimnu&#x0364;ß <hi rendition="#aq">tracti</hi>ret/ und guten theils<lb/><hi rendition="#aq">ad &#x017F;acra applici</hi>ret haben.</p><lb/>
        <p>100. So i&#x017F;t demnach die andere haupt<lb/><hi rendition="#aq">propo&#x017F;ition,</hi> die in dem <hi rendition="#aq">primo principio</hi><lb/>
&#x017F;teckt/ folgende. <hi rendition="#fr">Was mit denen</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ideis,</hi></hi> <hi rendition="#fr">die<lb/>
der Men&#x017F;chliche Ver&#x017F;tand von denen in<lb/>
die Sinne</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">imprimir</hi></hi><hi rendition="#fr">ten Dingen macht/ u&#x0364;-<lb/>
bereinko&#x0364;mmt/ das i&#x017F;t wahr/ und was ih-<lb/>
nen zu wieder i&#x017F;t/ das i&#x017F;t fal&#x017F;ch.</hi></p><lb/>
        <p>101. Die&#x017F;en Satz wird niemand leugnen/<lb/>
wenn er nur bedenckt/ daß die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ideæ,</hi></hi> wie wir<lb/>
&#x017F;olche bißher be&#x017F;chrieben/ nichts anders &#x017F;ind<lb/>
oder &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen/ als <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">definitiones</hi> rerum.</hi></p><lb/>
        <p>102. Und wenn er auch die&#x017F;en Satz leug-<lb/>
nete/ oder de&#x017F;&#x017F;en Beweiß forderte/ wu&#x0364;rden wir<lb/>
uns nicht mit ihm einla&#x017F;&#x017F;en/ weil die&#x017F;e <hi rendition="#aq">pro-<lb/>
po&#x017F;ition</hi> ja &#x017F;o <hi rendition="#fr">unerweißlich</hi> i&#x017F;t/ als die er&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>103. Die gro&#x0364;&#x017F;te Schwu&#x0364;rigkeit &#x017F;cheinet dar-<lb/>
innen zu be&#x017F;tehen/ daß die Men&#x017F;chen zu wei-<lb/>
len ja o&#x0364;ffters &#x017F;ich &#x017F;o gar <hi rendition="#fr">wunderliche und<lb/>
fal&#x017F;che</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ideen</hi></hi> von einen Dinge machen/ und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olcher-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0194] Das 6. Hauptſtuͤck von denen alten Ægyptier ſcheinen angenommen zu ha- ben/ iſt es wieder oder doch zum wenigſten uͤ- ber die Vernunfft. 99. Weßwegen auch dieſe Philoſophi alle ihre philoſophie per numeros als das groͤſte Geheimnuͤß tractiret/ und guten theils ad ſacra appliciret haben. 100. So iſt demnach die andere haupt propoſition, die in dem primo principio ſteckt/ folgende. Was mit denen ideis, die der Menſchliche Verſtand von denen in die Sinne imprimirten Dingen macht/ uͤ- bereinkoͤmmt/ das iſt wahr/ und was ih- nen zu wieder iſt/ das iſt falſch. 101. Dieſen Satz wird niemand leugnen/ wenn er nur bedenckt/ daß die ideæ, wie wir ſolche bißher beſchrieben/ nichts anders ſind oder ſeyn koͤnnen/ als definitiones rerum. 102. Und wenn er auch dieſen Satz leug- nete/ oder deſſen Beweiß forderte/ wuͤrden wir uns nicht mit ihm einlaſſen/ weil dieſe pro- poſition ja ſo unerweißlich iſt/ als die erſte. 103. Die groͤſte Schwuͤrigkeit ſcheinet dar- innen zu beſtehen/ daß die Menſchen zu wei- len ja oͤffters ſich ſo gar wunderliche und falſche ideen von einen Dinge machen/ und ſolcher-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/194
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/194>, abgerufen am 21.05.2024.