Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

und derselben unterschiedenen Arten.
Schuld des Jrrthums mehr bey dem Ver-
stande
des Menschen/ als bey denen euserli-
chen Dingen/ wiewol durch die euserlichen
Dinge Entfernung zum Exempel die Unbe-
dachtsamkeit des Verstandes offte zu irren An-
laß nimmt.

20. Das Wahre aber ist entweder un-
streitig wahr/
oder wahrscheinlich.

21. Unstreitig wahr ist dasjenige/ von
dessen Ubereinstimmung ein jeder erwachsener
Mensch/ mit dem wir umgehen/ nebst uns in-
nerlich vergewissert ist/ wenn wir ihm nur un-
sere Gedancken durch deutliche Worte haben zu
erkennen gegeben.

22. Wahrscheinlich ist/ wenn dieser inner-
liche Beyfall mit einigem Zweiffel/ daß die
Sache sich anders verhalten könte/ vergesell-
schafftet ist.

23. Diese unterschiedene Arten des Wah-
ren rühren nicht so wol von denen euserlichen
Dingen/ als von der unterschiedenen Be-
schaffenheit der menschlichen Vernunfft her.
Denn die euserlichen Dinge sind in ihrem We-
sen allezeit einerley; Aber der Verstand des
Menschen ist/ wiewol durch ihre eigene Schuld/

nicht

und derſelben unterſchiedenen Arten.
Schuld des Jrrthums mehr bey dem Ver-
ſtande
des Menſchen/ als bey denen euſerli-
chen Dingen/ wiewol durch die euſerlichen
Dinge Entfernung zum Exempel die Unbe-
dachtſamkeit des Verſtandes offte zu irren An-
laß nimmt.

20. Das Wahre aber iſt entweder un-
ſtreitig wahr/
oder wahrſcheinlich.

21. Unſtreitig wahr iſt dasjenige/ von
deſſen Ubereinſtimmung ein jeder erwachſener
Menſch/ mit dem wir umgehen/ nebſt uns in-
nerlich vergewiſſert iſt/ wenn wir ihm nur un-
ſere Gedancken durch deutliche Worte haben zu
erkennen gegeben.

22. Wahrſcheinlich iſt/ wenn dieſer inner-
liche Beyfall mit einigem Zweiffel/ daß die
Sache ſich anders verhalten koͤnte/ vergeſell-
ſchafftet iſt.

23. Dieſe unterſchiedene Arten des Wah-
ren ruͤhren nicht ſo wol von denen euſerlichen
Dingen/ als von der unterſchiedenen Be-
ſchaffenheit der menſchlichen Vernunfft her.
Denn die euſerlichen Dinge ſind in ihrem We-
ſen allezeit einerley; Aber der Verſtand des
Menſchen iſt/ wiewol durch ihre eigene Schuld/

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0159" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und der&#x017F;elben unter&#x017F;chiedenen Arten.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Schuld des Jrrthums</hi> mehr bey dem <hi rendition="#fr">Ver-<lb/>
&#x017F;tande</hi> des Men&#x017F;chen/ als bey denen eu&#x017F;erli-<lb/>
chen Dingen/ wiewol durch die eu&#x017F;erlichen<lb/>
Dinge Entfernung zum Exempel die Unbe-<lb/>
dacht&#x017F;amkeit des Ver&#x017F;tandes offte zu irren An-<lb/>
laß nimmt.</p><lb/>
        <p>20. Das <hi rendition="#fr">Wahre</hi> aber i&#x017F;t entweder <hi rendition="#fr">un-<lb/>
&#x017F;treitig wahr/</hi> oder <hi rendition="#fr">wahr&#x017F;cheinlich.</hi></p><lb/>
        <p>21. <hi rendition="#fr">Un&#x017F;treitig wahr</hi> i&#x017F;t dasjenige/ von<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Uberein&#x017F;timmung ein jeder erwach&#x017F;ener<lb/>
Men&#x017F;ch/ mit dem wir umgehen/ neb&#x017F;t uns in-<lb/>
nerlich vergewi&#x017F;&#x017F;ert i&#x017F;t/ wenn wir ihm nur un-<lb/>
&#x017F;ere Gedancken durch deutliche Worte haben zu<lb/>
erkennen gegeben.</p><lb/>
        <p>22. <hi rendition="#fr">Wahr&#x017F;cheinlich</hi> i&#x017F;t/ wenn die&#x017F;er inner-<lb/>
liche Beyfall mit einigem Zweiffel/ daß die<lb/>
Sache &#x017F;ich anders verhalten ko&#x0364;nte/ verge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chafftet i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>23. Die&#x017F;e unter&#x017F;chiedene Arten des Wah-<lb/>
ren ru&#x0364;hren nicht &#x017F;o wol von denen eu&#x017F;erlichen<lb/><hi rendition="#fr">Dingen/</hi> als von der unter&#x017F;chiedenen Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheit der <hi rendition="#fr">men&#x017F;chlichen Vernunfft</hi> her.<lb/>
Denn die eu&#x017F;erlichen Dinge &#x017F;ind in ihrem We-<lb/>
&#x017F;en allezeit einerley; Aber der Ver&#x017F;tand des<lb/>
Men&#x017F;chen i&#x017F;t/ wiewol durch ihre eigene Schuld/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0159] und derſelben unterſchiedenen Arten. Schuld des Jrrthums mehr bey dem Ver- ſtande des Menſchen/ als bey denen euſerli- chen Dingen/ wiewol durch die euſerlichen Dinge Entfernung zum Exempel die Unbe- dachtſamkeit des Verſtandes offte zu irren An- laß nimmt. 20. Das Wahre aber iſt entweder un- ſtreitig wahr/ oder wahrſcheinlich. 21. Unſtreitig wahr iſt dasjenige/ von deſſen Ubereinſtimmung ein jeder erwachſener Menſch/ mit dem wir umgehen/ nebſt uns in- nerlich vergewiſſert iſt/ wenn wir ihm nur un- ſere Gedancken durch deutliche Worte haben zu erkennen gegeben. 22. Wahrſcheinlich iſt/ wenn dieſer inner- liche Beyfall mit einigem Zweiffel/ daß die Sache ſich anders verhalten koͤnte/ vergeſell- ſchafftet iſt. 23. Dieſe unterſchiedene Arten des Wah- ren ruͤhren nicht ſo wol von denen euſerlichen Dingen/ als von der unterſchiedenen Be- ſchaffenheit der menſchlichen Vernunfft her. Denn die euſerlichen Dinge ſind in ihrem We- ſen allezeit einerley; Aber der Verſtand des Menſchen iſt/ wiewol durch ihre eigene Schuld/ nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/159
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/159>, abgerufen am 22.11.2024.