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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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1. Hauptstück von der
jener sein Leben anstellet/ so heissets ein Tu-
gendhaff[t]es
oder Gottesförchtiges Leben.

22. Die Gottes-Gelahrheit ist bey dieser
Schrifft nicht meines Vorhabens/ weil ich
mich noch selbst einen Schüler darinnen erken-
ne/ sondern mein Zweck ist/ die zu einem tu-
gendhafften und beglückten Leben in dieser
Welt führende Welt-Weißheit fürzustellen.

23. Ob aber schon die Gottes-Gelahrheit
aus einer Offenbahrung herrühret/ die Welt-
Weisheit aber aus der innerlichen Vernunfft
hergeleitet wird/ so kan doch jene nicht gäntz-
lich ohne die menschliche Vernunfft seyn/ diese
aber praesupponiret auch zuweilen wo nicht ei-
ne Göttliche/ doch menschl. Offenbahrung.

24. Denn die Gottes-Geheimnüsse
sind zwar über den menschlichen Verstand/
aber sie sind nicht demselbigen zuwider/ son-
dern GOtt hat in seinem heiligen Wort/ sich
so viel möglich nach uns Menschen accom-
modir
et/ und redet solchergestalt mit uns als
ein Mensch/ der zugleich GOtt der HErr ist.

25. Was ferner die Welt-Weißheit be-
trifft/ die über die creaturen raisoniret/ so ist
unstreitig/ daß dieselbige sich nicht allein über
gegenwärtige/ sondern guten Theils über

ent-

1. Hauptſtuͤck von der
jener ſein Leben anſtellet/ ſo heiſſets ein Tu-
gendhaff[t]es
oder Gottesfoͤrchtiges Leben.

22. Die Gottes-Gelahrheit iſt bey dieſer
Schrifft nicht meines Vorhabens/ weil ich
mich noch ſelbſt einen Schuͤler darinnen erken-
ne/ ſondern mein Zweck iſt/ die zu einem tu-
gendhafften und begluͤckten Leben in dieſer
Welt fuͤhrende Welt-Weißheit fuͤrzuſtellen.

23. Ob aber ſchon die Gottes-Gelahrheit
aus einer Offenbahrung herruͤhret/ die Welt-
Weisheit aber aus der innerlichen Vernunfft
hergeleitet wird/ ſo kan doch jene nicht gaͤntz-
lich ohne die menſchliche Vernunfft ſeyn/ dieſe
aber præſupponiret auch zuweilen wo nicht ei-
ne Goͤttliche/ doch menſchl. Offenbahrung.

24. Denn die Gottes-Geheimnuͤſſe
ſind zwar uͤber den menſchlichen Verſtand/
aber ſie ſind nicht demſelbigen zuwider/ ſon-
dern GOtt hat in ſeinem heiligen Wort/ ſich
ſo viel moͤglich nach uns Menſchen accom-
modir
et/ und redet ſolchergeſtalt mit uns als
ein Menſch/ der zugleich GOtt der HErr iſt.

25. Was ferner die Welt-Weißheit be-
trifft/ die uͤber die creaturen raiſoniret/ ſo iſt
unſtreitig/ daß dieſelbige ſich nicht allein uͤber
gegenwaͤrtige/ ſondern guten Theils uͤber

ent-
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[82/0100] 1. Hauptſtuͤck von der jener ſein Leben anſtellet/ ſo heiſſets ein Tu- gendhafftes oder Gottesfoͤrchtiges Leben. 22. Die Gottes-Gelahrheit iſt bey dieſer Schrifft nicht meines Vorhabens/ weil ich mich noch ſelbſt einen Schuͤler darinnen erken- ne/ ſondern mein Zweck iſt/ die zu einem tu- gendhafften und begluͤckten Leben in dieſer Welt fuͤhrende Welt-Weißheit fuͤrzuſtellen. 23. Ob aber ſchon die Gottes-Gelahrheit aus einer Offenbahrung herruͤhret/ die Welt- Weisheit aber aus der innerlichen Vernunfft hergeleitet wird/ ſo kan doch jene nicht gaͤntz- lich ohne die menſchliche Vernunfft ſeyn/ dieſe aber præſupponiret auch zuweilen wo nicht ei- ne Goͤttliche/ doch menſchl. Offenbahrung. 24. Denn die Gottes-Geheimnuͤſſe ſind zwar uͤber den menſchlichen Verſtand/ aber ſie ſind nicht demſelbigen zuwider/ ſon- dern GOtt hat in ſeinem heiligen Wort/ ſich ſo viel moͤglich nach uns Menſchen accom- modiret/ und redet ſolchergeſtalt mit uns als ein Menſch/ der zugleich GOtt der HErr iſt. 25. Was ferner die Welt-Weißheit be- trifft/ die uͤber die creaturen raiſoniret/ ſo iſt unſtreitig/ daß dieſelbige ſich nicht allein uͤber gegenwaͤrtige/ ſondern guten Theils uͤber ent-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/100>, abgerufen am 22.11.2024.