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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 5. Hauptst. von der allgemeinen
ren/ weil er hoffen wird/ einen solchen gedultigen
Menschen entweder mit Freundligkeit mehr als
mit Gewalt abzuschwatzen/ oder sich deiner zu sei-
nem Interesse zu bedienen.

94.

Endlich ist er Wollüstig/ so ist er ohne
dem weichhertzig/ und wird also zum wenigsten
deine Gedult für eine grosse complaisance aus-
legen/ und dich als einen Menschen ansehen/ mit
dem er noch wohl einen lustigen Zeit-Vertreib
haben könne.

95.

Und in Warbeit/ es müste ein rechter
grausamer Unmensch seyn/ der durch die Gedult
eines andern noch mehr zu Grimm beweget wer-
den solte. Betrachtestu aber ein wenig zum vor-
aus/ daß die Grausamkeit entweder daher ent-
stehet/ wenn man einem Ehrgeitzigen langen
Widerstand gethan/ und sich gegen ihn hoch-
müthig bezeiget; Oder wenn ein Furchtsamer
einen noch Furchtsamern antrifft/ oder sonst siche-
re Gelegenheit findet/ seinen Zorn auszulassen;
So befindestu bald/ daß beyderley Art von der
Grausamkeit dich von der Gedult abzuhalten un-
vemögend sey.

96.

Denn bey der Ersten ist die Gedult viel-
mehr eine Praeservativ, daß ein Ehrgeitziger keine
Grausamkeit gegen mich ausübe. Was die an-
dere
betrifft/ scheinet es zwar/ daß zum wenigsten
in diesem Falle die Gedult ein ungeschicktes Mit-
tel zum Friede sey/ sondern sich der Krieg besser mit

einen

Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
ren/ weil er hoffen wird/ einen ſolchen gedultigen
Menſchen entweder mit Freundligkeit mehr als
mit Gewalt abzuſchwatzen/ oder ſich deiner zu ſei-
nem Intereſſe zu bedienen.

94.

Endlich iſt er Wolluͤſtig/ ſo iſt er ohne
dem weichhertzig/ und wird alſo zum wenigſten
deine Gedult fuͤr eine groſſe complaiſance aus-
legen/ und dich als einen Menſchen anſehen/ mit
dem er noch wohl einen luſtigen Zeit-Vertreib
haben koͤnne.

95.

Und in Warbeit/ es muͤſte ein rechter
grauſamer Unmenſch ſeyn/ der durch die Gedult
eines andern noch mehr zu Grimm beweget wer-
den ſolte. Betrachteſtu aber ein wenig zum vor-
aus/ daß die Grauſamkeit entweder daher ent-
ſtehet/ wenn man einem Ehrgeitzigen langen
Widerſtand gethan/ und ſich gegen ihn hoch-
muͤthig bezeiget; Oder wenn ein Furchtſamer
einen noch Furchtſamern antrifft/ oder ſonſt ſiche-
re Gelegenheit findet/ ſeinen Zorn auszulaſſen;
So befindeſtu bald/ daß beyderley Art von der
Grauſamkeit dich von der Gedult abzuhalten un-
vemoͤgend ſey.

96.

Denn bey der Erſten iſt die Gedult viel-
mehr eine Præſervativ, daß ein Ehrgeitziger keine
Grauſamkeit gegen mich ausuͤbe. Was die an-
dere
betrifft/ ſcheinet es zwar/ daß zum wenigſten
in dieſem Falle die Gedult ein ungeſchicktes Mit-
tel zum Friede ſey/ ſondern ſich der Krieg beſſer mit

einen
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[246[242]/0274] Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen ren/ weil er hoffen wird/ einen ſolchen gedultigen Menſchen entweder mit Freundligkeit mehr als mit Gewalt abzuſchwatzen/ oder ſich deiner zu ſei- nem Intereſſe zu bedienen. 94. Endlich iſt er Wolluͤſtig/ ſo iſt er ohne dem weichhertzig/ und wird alſo zum wenigſten deine Gedult fuͤr eine groſſe complaiſance aus- legen/ und dich als einen Menſchen anſehen/ mit dem er noch wohl einen luſtigen Zeit-Vertreib haben koͤnne. 95. Und in Warbeit/ es muͤſte ein rechter grauſamer Unmenſch ſeyn/ der durch die Gedult eines andern noch mehr zu Grimm beweget wer- den ſolte. Betrachteſtu aber ein wenig zum vor- aus/ daß die Grauſamkeit entweder daher ent- ſtehet/ wenn man einem Ehrgeitzigen langen Widerſtand gethan/ und ſich gegen ihn hoch- muͤthig bezeiget; Oder wenn ein Furchtſamer einen noch Furchtſamern antrifft/ oder ſonſt ſiche- re Gelegenheit findet/ ſeinen Zorn auszulaſſen; So befindeſtu bald/ daß beyderley Art von der Grauſamkeit dich von der Gedult abzuhalten un- vemoͤgend ſey. 96. Denn bey der Erſten iſt die Gedult viel- mehr eine Præſervativ, daß ein Ehrgeitziger keine Grauſamkeit gegen mich ausuͤbe. Was die an- dere betrifft/ ſcheinet es zwar/ daß zum wenigſten in dieſem Falle die Gedult ein ungeſchicktes Mit- tel zum Friede ſey/ ſondern ſich der Krieg beſſer mit einen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 246[242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/274>, abgerufen am 21.11.2024.