Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Ursprung aller menschl. Glückseel. denn nach deinem Gefallen. Wiederhole sol-ches noch etliche mahl Nun sage mir/ du hast zu der alten Linie bißher lauter neue Stücke gesetzet. Jst es denn dem unerachtet eine Linie blie- ben/ oder sind viel Linien drauß wurden? Du schüttelst den Kopff. Aber eben so schüttele ich den Meinigen über deine objection. 25. Hier stehet nun die menschliche Ver- 26. Jedoch bemühet sie sich/ wie sie diese we- und J 2
Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel. denn nach deinem Gefallen. Wiederhole ſol-ches noch etliche mahl Nun ſage mir/ du haſt zu der alten Linie bißher lauter neue Stuͤcke geſetzet. Jſt es deñ dem unerachtet eine Linie blie- ben/ oder ſind viel Linien drauß wurden? Du ſchuͤttelſt den Kopff. Aber eben ſo ſchuͤttele ich den Meinigen uͤber deine objection. 25. Hier ſtehet nun die menſchliche Ver- 26. Jedoch bemuͤhet ſie ſich/ wie ſie dieſe we- und J 2
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Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel.
denn nach deinem Gefallen. Wiederhole ſol-
ches noch etliche mahl Nun ſage mir/ du haſt
zu der alten Linie bißher lauter neue Stuͤcke
geſetzet. Jſt es deñ dem unerachtet eine Linie blie-
ben/ oder ſind viel Linien drauß wurden? Du
ſchuͤttelſt den Kopff. Aber eben ſo ſchuͤttele ich den
Meinigen uͤber deine objection.
25. Hier ſtehet nun die menſchliche Ver-
nunfft in der Erkaͤntniß von GOtt ſtille/ und huͤ-
tet ſich/ daß ſie nicht weiter gehe als in ihrem
Vermoͤgen iſt. Sie erkennet/ daß dieſes goͤtt-
liche Weſen vielmehr Vollkommenheiten be-
ſitze als ſie begreiffen kan/ und alſo ſcrupuliret ſie
in demſelbigen nicht weiter/ ſondern uͤberlaͤſt das
uͤbrige einem hoͤhern Liecht der goͤttlichen Offen-
bahrung. Sie wil ſolchergeſtalt fuͤr ſich ſelbſt
lieber nichts davon als auff eine unvollkomme-
ne und vielleicht GOtt nicht gefaͤllige Weiſe re-
den. Sie huͤtet ſich nur/ daß ſie in keine irrige
Lehr-Saͤtze verfalle/ die denen bißher behaupte-
ten Lehren ſchnur ſtracks zuwieder ſeyn.
26. Jedoch bemuͤhet ſie ſich/ wie ſie dieſe we-
nige Erkaͤntniß/ ſie moͤge nun ſo unvollkom-
men ſeyn als ſie wolle zu Befoͤrderung ihrer
Gemuͤths-Ruhe/ als der hoͤchſten Gluͤckſee-
ligkeit ſich zu nutze machen moͤge. Und zwar
Anfaͤnglich begreifft ſie gar wohl/ daß weil des
Menſchen ſein gantzes Weſen urſpruͤnglich
von GOtt herkoͤmmt/ auch nothwendig der-
ſelbe alles Gute GOtt allein zu dancken habe/
und
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/163>, abgerufen am 04.07.2024. |