Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Unterthänigste heit da man nicht alles zur Perfection brin-gen kan/ derselbe durchgehends für einen hon- net homme, der seiner Affecten am meisten Meister ist/ welcher ein lustiges und Ehrgie- riges Temperament in einem gleichen Grad besitzet. Denn ein solcher Mensch schickt sich zum Ernst und Freude am besten. Die Ehr- gierde hält ihn insgemein zurücke/ daß er nicht unvernünfftiger Weise in denen Wollü- sten verfället/ und sich für der Welt prostitui- ret. Wiedrumb so hält ihn die aus dem Tem- perament der Lufft herrührende Aufrichtig- keit und Barmhertzigkeit ab/ daß er sich in dem Ehrgeitz nicht allzuweit versteiget/ sondern durch dieselbige seine Ehrgierde dämpffet/ daß sie andern Menschen nicht zu Schaden/ fon- dern vielmehr zu Dienste gereichet. Ja es bezeuget es die tägliche Erfahrung/ daß ein solcher Mensch/ wenn er die Schwachheiten und Eitelkeiten der Jugend überwunden/ entweder in seinem Männlichen oder hohen Alter sich ein rechtes Phlegma erwirbet/ und die vernünfftige Liebe am meisten erlanget. Unter denen Heyden scheinet Alcibiades mit einem solchen Temperament begabet gewesen zu
Unterthaͤnigſte heit da man nicht alles zur Perfection brin-gen kan/ derſelbe durchgehends fuͤr einen hon- nét homme, der ſeiner Affecten am meiſten Meiſter iſt/ welcher ein luſtiges und Ehrgie- riges Temperament in einem gleichen Gꝛad beſitzet. Denn ein ſolcher Menſch ſchickt ſich zum Ernſt und Freude am beſten. Die Ehr- gierde haͤlt ihn insgemein zuruͤcke/ daß er nicht unvernuͤnfftiger Weiſe in denen Wolluͤ- ſten verfaͤllet/ und ſich fuͤr der Welt proſtitui- ret. Wiedrumb ſo haͤlt ihn die aus dem Tem- perament der Lufft herruͤhrende Aufrichtig- keit und Barmhertzigkeit ab/ daß er ſich in dem Ehrgeitz nicht allzuweit verſteiget/ ſondern durch dieſelbige ſeine Ehrgierde daͤmpffet/ daß ſie andern Menſchen nicht zu Schaden/ fon- dern vielmehr zu Dienſte gereichet. Ja es bezeuget es die taͤgliche Erfahrung/ daß ein ſolcher Menſch/ wenn er die Schwachheiten und Eitelkeiten der Jugend uͤberwunden/ entweder in ſeinem Maͤnnlichen oder hohen Alter ſich ein rechtes Phlegma erwirbet/ und die vernuͤnfftige Liebe am meiſten erlanget. Unter denen Heyden ſcheinet Alcibiades mit einem ſolchẽ Temperament begabet geweſen zu
<TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0012"/><fw place="top" type="header">Unterthaͤnigſte</fw><lb/> heit da man nicht alles zur <hi rendition="#aq">Perfection</hi> brin-<lb/> gen kan/ derſelbe durchgehends fuͤr einen <hi rendition="#aq">hon-<lb/> nét homme,</hi> der ſeiner <hi rendition="#aq">Affect</hi>en am meiſten<lb/> Meiſter iſt/ welcher ein luſtiges und <hi rendition="#fr">Ehrgie-<lb/> riges</hi> <hi rendition="#aq">Temperament</hi> in einem gleichen Gꝛad<lb/> beſitzet. Denn ein ſolcher Menſch ſchickt ſich<lb/> zum Ernſt und Freude am beſten. Die Ehr-<lb/> gierde haͤlt ihn insgemein zuruͤcke/ daß er<lb/> nicht unvernuͤnfftiger Weiſe in denen Wolluͤ-<lb/> ſten verfaͤllet/ und ſich fuͤr der Welt <hi rendition="#aq">proſtitui-</hi><lb/> ret. Wiedrumb ſo haͤlt ihn die aus dem <hi rendition="#aq">Tem-<lb/> perament</hi> <hi rendition="#fr">der Lufft</hi> herruͤhrende Aufrichtig-<lb/> keit und Barmhertzigkeit ab/ daß er ſich in dem<lb/> Ehrgeitz nicht allzuweit verſteiget/ ſondern<lb/> durch dieſelbige ſeine Ehrgierde daͤmpffet/ daß<lb/> ſie andern Menſchen nicht zu Schaden/ fon-<lb/> dern vielmehr zu Dienſte gereichet. Ja es<lb/> bezeuget es die taͤgliche Erfahrung/ daß ein<lb/> ſolcher Menſch/ wenn er die Schwachheiten<lb/> und Eitelkeiten der Jugend uͤberwunden/<lb/> entweder in ſeinem Maͤnnlichen oder hohen<lb/> Alter ſich ein rechtes <hi rendition="#aq">Phlegma</hi> erwirbet/ und<lb/> die vernuͤnfftige Liebe am meiſten erlanget.<lb/> Unter denen Heyden ſcheinet <hi rendition="#aq">Alcibiades</hi> mit<lb/> einem ſolchẽ <hi rendition="#aq">Temperament</hi> begabet geweſen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Unterthaͤnigſte
heit da man nicht alles zur Perfection brin-
gen kan/ derſelbe durchgehends fuͤr einen hon-
nét homme, der ſeiner Affecten am meiſten
Meiſter iſt/ welcher ein luſtiges und Ehrgie-
riges Temperament in einem gleichen Gꝛad
beſitzet. Denn ein ſolcher Menſch ſchickt ſich
zum Ernſt und Freude am beſten. Die Ehr-
gierde haͤlt ihn insgemein zuruͤcke/ daß er
nicht unvernuͤnfftiger Weiſe in denen Wolluͤ-
ſten verfaͤllet/ und ſich fuͤr der Welt proſtitui-
ret. Wiedrumb ſo haͤlt ihn die aus dem Tem-
perament der Lufft herruͤhrende Aufrichtig-
keit und Barmhertzigkeit ab/ daß er ſich in dem
Ehrgeitz nicht allzuweit verſteiget/ ſondern
durch dieſelbige ſeine Ehrgierde daͤmpffet/ daß
ſie andern Menſchen nicht zu Schaden/ fon-
dern vielmehr zu Dienſte gereichet. Ja es
bezeuget es die taͤgliche Erfahrung/ daß ein
ſolcher Menſch/ wenn er die Schwachheiten
und Eitelkeiten der Jugend uͤberwunden/
entweder in ſeinem Maͤnnlichen oder hohen
Alter ſich ein rechtes Phlegma erwirbet/ und
die vernuͤnfftige Liebe am meiſten erlanget.
Unter denen Heyden ſcheinet Alcibiades mit
einem ſolchẽ Temperament begabet geweſen
zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/12 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/12>, abgerufen am 16.07.2024. |