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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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Hand nimmt/ was findet man doch darinnen für abgeschmackt
und albern Zeug? Jch wil nicht sagen/ daß den Autoren der
sinnreiche Baile (ein warhafftiger bel esprit) einer ziemlichen
derben/ wider die Reformirten begangenen Unwarheit beschuldi-
get hat/ auch des unerträglichen Lobes nicht erwehnen/ daß er fast
in allen Seiten sich selbst giebt/ und sein grosses Werck (worvon
la Philosophie des gens de cour nur ein kurtzer Auszug ist)
heraus streichet/ denen Buchführern/ die solches Zweiffels ohne
nicht haben verlegen wollen/ das Maul wässerich zu machen/ auch
von einer Madame la Marquise, die er wil informiret haben/
viel Rühmens macht; vielweniger was die methode betrifft/ all-
zu genau erinnern/ daß er nicht mit einen Buchstaben erwehnet/
was er eigentlich durch die Philosophie verstehe/ auch die Ver-
nunfft-Lehre als das nöthigste Stück ausläst/ und in übrigen die
Philosophie und Theologie ziemlich untereinander wirfft;
sondern ich wil nur etliche grobe Fehler und Auffschneidereyen an-
führen/ die mir in Durchlesung kaum des dritten Theils dieses
Buchs vorkommen. Jm andern Gespräch/ da er von denen Se-
cten
der alten Philosophen gehandelt/ macht er mehr Auffhe-
bens als die Klopff-Fechter von Vielfältigkeit derer Secten, und
daß noch niemand dieselben genau eingetheilt habe/ und verspricht/
wie er eine gantz leichte und so herrliche Art weisen wolle/ ohne
welcher man ohnmöglich aus der Verwirrung/ worein sich die
Philosophi selbst geworffen haben/ kommen könne; Endlich
kömmt es heraus/ man müsse zwey Haupt-Secten machen/ die
Dogmatische und Sceptische/ und dahin alle andere zu bringen
suchen/ gleich als wenn Lipsius zu seiner Zeit/ und nach/ auch wol
für ihm viel andere sich nicht allbereit dieser Eintheilung bedienet
hätten. Jn dem dritten Gespräch/ da er beweisen wil/ daß das
Frauenzimmer auch die Philosophie studieren solte/ macht er sich
selbst einen Einwurff/ es habe glelchwohl Christus das Männli-

che

Hand nimmt/ was findet man doch darinnen fuͤr abgeſchmackt
und albern Zeug? Jch wil nicht ſagen/ daß den Autoren der
ſinnreiche Baile (ein warhafftiger bel esprit) einer ziemlichen
derben/ wider die Reformirten begangenen Unwarheit beſchuldi-
get hat/ auch des unertraͤglichen Lobes nicht erwehnen/ daß er faſt
in allen Seiten ſich ſelbſt giebt/ und ſein groſſes Werck (worvon
la Philoſophie des gens de cour nur ein kurtzer Auszug iſt)
heraus ſtreichet/ denen Buchfuͤhrern/ die ſolches Zweiffels ohne
nicht haben verlegen wollen/ das Maul waͤſſerich zu machen/ auch
von einer Madame la Marquiſe, die er wil informiret haben/
viel Ruͤhmens macht; vielweniger was die methode betrifft/ all-
zu genau erinnern/ daß er nicht mit einen Buchſtaben erwehnet/
was er eigentlich durch die Philoſophie verſtehe/ auch die Ver-
nunfft-Lehre als das noͤthigſte Stuͤck auslaͤſt/ und in uͤbrigen die
Philoſophie und Theologie ziemlich untereinander wirfft;
ſondern ich wil nur etliche grobe Fehler und Auffſchneidereyen an-
fuͤhren/ die mir in Durchleſung kaum des dritten Theils dieſes
Buchs vorkommen. Jm andern Geſpraͤch/ da er von denen Se-
cten
der alten Philoſophen gehandelt/ macht er mehr Auffhe-
bens als die Klopff-Fechter von Vielfaͤltigkeit derer Secten, und
daß noch niemand dieſelben genau eingetheilt habe/ und verſpricht/
wie er eine gantz leichte und ſo herrliche Art weiſen wolle/ ohne
welcher man ohnmoͤglich aus der Verwirrung/ worein ſich die
Philoſophi ſelbſt geworffen haben/ kommen koͤnne; Endlich
koͤmmt es heraus/ man muͤſſe zwey Haupt-Secten machen/ die
Dogmatiſche und Sceptiſche/ und dahin alle andere zu bringen
ſuchen/ gleich als wenn Lipſius zu ſeiner Zeit/ und nach/ auch wol
fuͤr ihm viel andere ſich nicht allbereit dieſer Eintheilung bedienet
haͤtten. Jn dem dritten Geſpraͤch/ da er beweiſen wil/ daß das
Frauenzimmer auch die Philoſophie ſtudieren ſolte/ macht er ſich
ſelbſt einen Einwurff/ es habe glelchwohl Chriſtus das Maͤnnli-

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[32/0034] Hand nimmt/ was findet man doch darinnen fuͤr abgeſchmackt und albern Zeug? Jch wil nicht ſagen/ daß den Autoren der ſinnreiche Baile (ein warhafftiger bel esprit) einer ziemlichen derben/ wider die Reformirten begangenen Unwarheit beſchuldi- get hat/ auch des unertraͤglichen Lobes nicht erwehnen/ daß er faſt in allen Seiten ſich ſelbſt giebt/ und ſein groſſes Werck (worvon la Philoſophie des gens de cour nur ein kurtzer Auszug iſt) heraus ſtreichet/ denen Buchfuͤhrern/ die ſolches Zweiffels ohne nicht haben verlegen wollen/ das Maul waͤſſerich zu machen/ auch von einer Madame la Marquiſe, die er wil informiret haben/ viel Ruͤhmens macht; vielweniger was die methode betrifft/ all- zu genau erinnern/ daß er nicht mit einen Buchſtaben erwehnet/ was er eigentlich durch die Philoſophie verſtehe/ auch die Ver- nunfft-Lehre als das noͤthigſte Stuͤck auslaͤſt/ und in uͤbrigen die Philoſophie und Theologie ziemlich untereinander wirfft; ſondern ich wil nur etliche grobe Fehler und Auffſchneidereyen an- fuͤhren/ die mir in Durchleſung kaum des dritten Theils dieſes Buchs vorkommen. Jm andern Geſpraͤch/ da er von denen Se- cten der alten Philoſophen gehandelt/ macht er mehr Auffhe- bens als die Klopff-Fechter von Vielfaͤltigkeit derer Secten, und daß noch niemand dieſelben genau eingetheilt habe/ und verſpricht/ wie er eine gantz leichte und ſo herrliche Art weiſen wolle/ ohne welcher man ohnmoͤglich aus der Verwirrung/ worein ſich die Philoſophi ſelbſt geworffen haben/ kommen koͤnne; Endlich koͤmmt es heraus/ man muͤſſe zwey Haupt-Secten machen/ die Dogmatiſche und Sceptiſche/ und dahin alle andere zu bringen ſuchen/ gleich als wenn Lipſius zu ſeiner Zeit/ und nach/ auch wol fuͤr ihm viel andere ſich nicht allbereit dieſer Eintheilung bedienet haͤtten. Jn dem dritten Geſpraͤch/ da er beweiſen wil/ daß das Frauenzimmer auch die Philoſophie ſtudieren ſolte/ macht er ſich ſelbſt einen Einwurff/ es habe glelchwohl Chriſtus das Maͤnnli- che

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/34>, abgerufen am 24.04.2024.