Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

Das 1. H. von der Geschickligkeit
gung dieser unförmlichen Meinungen den grö-
sten Dampff anthun/ u. s. w.

102. Ja was die Erkäntniß derer Dinge
selbst/ die von anderer Leute experienz depen-
diren
,
anlanget/ fo muß mein natürlicher
Beyfall
der auff allen Menschen gemeinen
propositionibus verosimilibus gegründet ist/
beurtheilen/ ob das Zeugniß anderer Leute
wahrscheinlich oder unwahrscheinlich sey; daß
dannenhero auch in diesen Dingen nicht ein-
mahl die autorität anderer Menschen die
vornehmste Richtschnur meines Glaubens
seyn kan; sondern es muß dieselbe auch eben-
mäßig in mir selbst gesucht werden.

103. Der Nutzen dieser Anmerckung erei-
gnet sich in Beurtheilung der Historischen
Erzehlungen/
als worinnen ein weiser Mann
nicht auff die Menge der Zeugen/ noch auff das
Ambt und Ansehen dessen der es saget/ son-
dern auff gantz andere Umbstände/ (davon
wir zu seiner Zeit ausführlicher handeln wer-
den) reflectiret, ob gleich der gemeine Pöbel
von jenen sich einnehmen läst/ und dadurch in
die fchädlichsten Jrrthümer sich vertiefft.

104. So hat auch die Beobachtung recht-
mäßiger
attention in Erkentniß wahrschein-

licher

Das 1. H. von der Geſchickligkeit
gung dieſer unfoͤrmlichen Meinungen den groͤ-
ſten Dampff anthun/ u. ſ. w.

102. Ja was die Erkaͤntniß derer Dinge
ſelbſt/ die von anderer Leute experienz depen-
diren
,
anlanget/ fo muß mein natuͤrlicher
Beyfall
der auff allen Menſchen gemeinen
propoſitionibus veroſimilibus gegruͤndet iſt/
beurtheilen/ ob das Zeugniß anderer Leute
wahrſcheinlich oder unwahrſcheinlich ſey; daß
dannenhero auch in dieſen Dingen nicht ein-
mahl die autoritaͤt anderer Menſchen die
vornehmſte Richtſchnur meines Glaubens
ſeyn kan; ſondern es muß dieſelbe auch eben-
maͤßig in mir ſelbſt geſucht werden.

103. Der Nutzen dieſer Anmerckung erei-
gnet ſich in Beurtheilung der Hiſtoriſchen
Erzehlungen/
als worinnen ein weiſer Mañ
nicht auff die Menge der Zeugen/ noch auff das
Ambt und Anſehen deſſen der es ſaget/ ſon-
dern auff gantz andere Umbſtaͤnde/ (davon
wir zu ſeiner Zeit ausfuͤhrlicher handeln wer-
den) reflectiret, ob gleich der gemeine Poͤbel
von jenen ſich einnehmen laͤſt/ und dadurch in
die fchaͤdlichſten Jrrthuͤmer ſich vertiefft.

104. So hat auch die Beobachtung recht-
maͤßiger
attention in Erkentniß wahrſchein-

licher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 1. H. von der Ge&#x017F;chickligkeit</hi></fw><lb/>
gung die&#x017F;er unfo&#x0364;rmlichen Meinungen den gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten Dampff anthun/ u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>102. Ja was die Erka&#x0364;ntniß derer Dinge<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t/ die von anderer Leute <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">experienz depen-<lb/>
diren</hi>,</hi> anlanget/ fo <hi rendition="#fr">muß mein natu&#x0364;rlicher<lb/>
Beyfall</hi> der auff allen Men&#x017F;chen gemeinen<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">propo&#x017F;itionibus vero&#x017F;imilibus</hi></hi> gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t/<lb/>
beurtheilen/ ob das <hi rendition="#fr">Zeugniß</hi> anderer Leute<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich oder unwahr&#x017F;cheinlich &#x017F;ey; daß<lb/>
dannenhero auch in die&#x017F;en Dingen nicht ein-<lb/>
mahl die <hi rendition="#aq">autorit</hi><hi rendition="#fr">a&#x0364;t</hi> anderer Men&#x017F;chen die<lb/>
vornehm&#x017F;te <hi rendition="#fr">Richt&#x017F;chnur meines Glaubens</hi><lb/>
&#x017F;eyn kan; &#x017F;ondern es muß die&#x017F;elbe auch eben-<lb/>
ma&#x0364;ßig in mir &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ucht werden.</p><lb/>
        <p>103. Der Nutzen die&#x017F;er Anmerckung erei-<lb/>
gnet &#x017F;ich in Beurtheilung der <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;tori</hi><hi rendition="#fr">&#x017F;chen<lb/>
Erzehlungen/</hi> als worinnen ein wei&#x017F;er Man&#x0303;<lb/>
nicht auff die Menge der Zeugen/ noch auff das<lb/>
Ambt und An&#x017F;ehen de&#x017F;&#x017F;en der es &#x017F;aget/ &#x017F;on-<lb/>
dern auff gantz andere Umb&#x017F;ta&#x0364;nde/ (davon<lb/>
wir zu &#x017F;einer Zeit ausfu&#x0364;hrlicher handeln wer-<lb/>
den) <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">reflectiret</hi>,</hi> ob gleich der gemeine Po&#x0364;bel<lb/>
von jenen &#x017F;ich einnehmen la&#x0364;&#x017F;t/ und dadurch in<lb/>
die fcha&#x0364;dlich&#x017F;ten Jrrthu&#x0364;mer &#x017F;ich vertiefft.</p><lb/>
        <p>104. So hat auch die Beobachtung <hi rendition="#fr">recht-<lb/>
ma&#x0364;ßiger</hi> <hi rendition="#aq">attention</hi> in Erkentniß wahr&#x017F;chein-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">licher</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0076] Das 1. H. von der Geſchickligkeit gung dieſer unfoͤrmlichen Meinungen den groͤ- ſten Dampff anthun/ u. ſ. w. 102. Ja was die Erkaͤntniß derer Dinge ſelbſt/ die von anderer Leute experienz depen- diren, anlanget/ fo muß mein natuͤrlicher Beyfall der auff allen Menſchen gemeinen propoſitionibus veroſimilibus gegruͤndet iſt/ beurtheilen/ ob das Zeugniß anderer Leute wahrſcheinlich oder unwahrſcheinlich ſey; daß dannenhero auch in dieſen Dingen nicht ein- mahl die autoritaͤt anderer Menſchen die vornehmſte Richtſchnur meines Glaubens ſeyn kan; ſondern es muß dieſelbe auch eben- maͤßig in mir ſelbſt geſucht werden. 103. Der Nutzen dieſer Anmerckung erei- gnet ſich in Beurtheilung der Hiſtoriſchen Erzehlungen/ als worinnen ein weiſer Mañ nicht auff die Menge der Zeugen/ noch auff das Ambt und Anſehen deſſen der es ſaget/ ſon- dern auff gantz andere Umbſtaͤnde/ (davon wir zu ſeiner Zeit ausfuͤhrlicher handeln wer- den) reflectiret, ob gleich der gemeine Poͤbel von jenen ſich einnehmen laͤſt/ und dadurch in die fchaͤdlichſten Jrrthuͤmer ſich vertiefft. 104. So hat auch die Beobachtung recht- maͤßiger attention in Erkentniß wahrſchein- licher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/76
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/76>, abgerufen am 19.05.2024.