Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

Das 1. H. von der Geschickligkeit
wancken/ oder fragen; massen wir denn in der
Vernunfft-Lehre die zweiffelhafften Gedan-
cken nicht anders beschrieben haben. Und
weil derjenige der nach was fraget/ ordentlich
auch etwas suchet; (Wannenhero auch bey
denen Lateinern quaerere zugleich fragen und
suchen heist/) so kanstu gar leichte begreiffen/
daß allhier in gegenwärtiger materie zweif-
feln/ wancken/ fragen
und suchen eines sey.
Und daß wenn ich gesagt/ daß du solt anfan-
gen zu zweiffeln/ ich nichts anders andeuten
wollen/ als daß du in deinen Kopff solst an
fangen nach dem wahren und falschen zu
fragen/ oder dasselbige auffzusuchen.

67. Bey dieser Bewandniß nun laß dich
andere nicht verführen/ die dir etwa beybrin-
gen wollen/ daß alles dasjenige/ an dem du an-
fangs zweiffelst/ von dir zugleich ad interim
für falsch gehalten/ und aus deinen Gedan-
cken ausgemertzet werden müsse/ biß du das
principium cognoscendi gefunden. Denn du
wirst dich sonst in viele Verwirrungen ohne
Noth verwickeln.

68. Denn 1. ist ohne Zweiffel/ daß wenn
man etwas für falsch hält/ man solches nicht
thun könne/ man halte denn die propositionem

con-

Das 1. H. von der Geſchickligkeit
wancken/ oder fragen; maſſen wir denn in der
Vernunfft-Lehre die zweiffelhafften Gedan-
cken nicht anders beſchrieben haben. Und
weil derjenige der nach was fraget/ ordentlich
auch etwas ſuchet; (Wannenhero auch bey
denen Lateinern quærere zugleich fragen und
ſuchen heiſt/) ſo kanſtu gar leichte begreiffen/
daß allhier in gegenwaͤrtiger materie zweif-
feln/ wancken/ fragen
und ſuchen eines ſey.
Und daß wenn ich geſagt/ daß du ſolt anfan-
gen zu zweiffeln/ ich nichts anders andeuten
wollen/ als daß du in deinen Kopff ſolſt an
fangen nach dem wahren und falſchen zu
fragen/ oder daſſelbige auffzuſuchen.

67. Bey dieſer Bewandniß nun laß dich
andere nicht verfuͤhren/ die dir etwa beybrin-
gen wollen/ daß alles dasjenige/ an dem du an-
fangs zweiffelſt/ von dir zugleich ad interim
fuͤr falſch gehalten/ und aus deinen Gedan-
cken ausgemertzet werden muͤſſe/ biß du das
principium cognoſcendi gefunden. Denn du
wirſt dich ſonſt in viele Verwirrungen ohne
Noth verwickeln.

68. Denn 1. iſt ohne Zweiffel/ daß wenn
man etwas fuͤr falſch haͤlt/ man ſolches nicht
thun koͤnne/ man halte denn die propoſitionem

con-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 1. H. von der Ge&#x017F;chickligkeit</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">wancken/</hi> oder <hi rendition="#fr">fragen;</hi> ma&#x017F;&#x017F;en wir denn in der<lb/>
Vernunfft-Lehre die zweiffelhafften Gedan-<lb/>
cken nicht anders be&#x017F;chrieben haben. Und<lb/>
weil derjenige der nach was fraget/ ordentlich<lb/>
auch etwas &#x017F;uchet; (Wannenhero auch bey<lb/>
denen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lateinern quærere</hi></hi> zugleich fragen und<lb/>
&#x017F;uchen hei&#x017F;t/) &#x017F;o kan&#x017F;tu gar leichte begreiffen/<lb/>
daß allhier in gegenwa&#x0364;rtiger <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">materie</hi></hi> <hi rendition="#fr">zweif-<lb/>
feln/ wancken/ fragen</hi> und <hi rendition="#fr">&#x017F;uchen</hi> eines &#x017F;ey.<lb/>
Und daß wenn ich ge&#x017F;agt/ daß du &#x017F;olt anfan-<lb/>
gen zu zweiffeln/ ich nichts anders andeuten<lb/>
wollen/ als daß du in deinen Kopff &#x017F;ol&#x017F;t an<lb/>
fangen <hi rendition="#fr">nach dem wahren und fal&#x017F;chen zu<lb/>
fragen/ oder da&#x017F;&#x017F;elbige auffzu&#x017F;uchen.</hi></p><lb/>
        <p>67. Bey die&#x017F;er Bewandniß nun laß dich<lb/>
andere nicht verfu&#x0364;hren/ die dir etwa beybrin-<lb/>
gen wollen/ daß alles dasjenige/ an dem du an-<lb/>
fangs zweiffel&#x017F;t/ von dir zugleich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ad interim</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">fu&#x0364;r fal&#x017F;ch gehalten/</hi> und aus deinen Gedan-<lb/>
cken ausgemertzet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ biß du das<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">principium cogno&#x017F;cendi</hi></hi> gefunden. Denn du<lb/>
wir&#x017F;t dich &#x017F;on&#x017F;t in viele Verwirrungen ohne<lb/>
Noth verwickeln.</p><lb/>
        <p>68. Denn 1. i&#x017F;t ohne Zweiffel/ daß wenn<lb/>
man etwas fu&#x0364;r fal&#x017F;ch ha&#x0364;lt/ man &#x017F;olches nicht<lb/>
thun ko&#x0364;nne/ man halte denn die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">propo&#x017F;itionem</hi></hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">con-</hi></hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0056] Das 1. H. von der Geſchickligkeit wancken/ oder fragen; maſſen wir denn in der Vernunfft-Lehre die zweiffelhafften Gedan- cken nicht anders beſchrieben haben. Und weil derjenige der nach was fraget/ ordentlich auch etwas ſuchet; (Wannenhero auch bey denen Lateinern quærere zugleich fragen und ſuchen heiſt/) ſo kanſtu gar leichte begreiffen/ daß allhier in gegenwaͤrtiger materie zweif- feln/ wancken/ fragen und ſuchen eines ſey. Und daß wenn ich geſagt/ daß du ſolt anfan- gen zu zweiffeln/ ich nichts anders andeuten wollen/ als daß du in deinen Kopff ſolſt an fangen nach dem wahren und falſchen zu fragen/ oder daſſelbige auffzuſuchen. 67. Bey dieſer Bewandniß nun laß dich andere nicht verfuͤhren/ die dir etwa beybrin- gen wollen/ daß alles dasjenige/ an dem du an- fangs zweiffelſt/ von dir zugleich ad interim fuͤr falſch gehalten/ und aus deinen Gedan- cken ausgemertzet werden muͤſſe/ biß du das principium cognoſcendi gefunden. Denn du wirſt dich ſonſt in viele Verwirrungen ohne Noth verwickeln. 68. Denn 1. iſt ohne Zweiffel/ daß wenn man etwas fuͤr falſch haͤlt/ man ſolches nicht thun koͤnne/ man halte denn die propoſitionem con-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/56
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/56>, abgerufen am 19.05.2024.