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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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der Warheit nachzudencken.

37. Ja endlich wenn der Mensch zu dem
Alter kömmt/ daß seine Vernunfft reiff ist/
in seinem Kopffe auffzuräumen/ was solte ihn
wohl bewegen zu zweiffeln ob etwas wahr sey?
Du wirst vielleicht sagen seine Jrrthümer.
Denn weil er sich so offte betrogen hat/
so kan er sich auch wohl allezeit betrie-
gen. Und deßhalben muß er eine kleine
Zeit an allen zweiffen/ biß er eine unstrei-
tige Warheit findet.

38. Aber bedencke doch/ was für einen
schlechten Schluß du machst: Was mich ein-
mahl
(oder auch offte) betrieget/ kan mich
allzeit betriegen?
Jch wil dir nicht vorwerffen/
daß in allen Logicen dir von Jugend auff ein-
geplauet worden/ ja daß dir dein eigener Ver-
stand ietzt diesen Augenblick auch wider deinen
Willen zuruffe/ daß von etlichen Exempeln
man keine allgemeine Regel machen könne/ son-
dern ich will dir nur zu Gemüthe führen/ daß
ich auf eben diese Weise wider dich einen solchen
Schluß machen kan: Was mich einmal (oder
auch offte) der Warheit versichert/ das kan
mich allzeit der Warheit versichern/ und
folglich nimmer betriegen.
Antworte mir
was du wilst auff diesen Satz/ so wirstu zugleich
den deinigen mit umstossen.

39.
B 2
der Warheit nachzudencken.

37. Ja endlich wenn der Menſch zu dem
Alter koͤmmt/ daß ſeine Vernunfft reiff iſt/
in ſeinem Kopffe auffzuraͤumen/ was ſolte ihn
wohl bewegen zu zweiffeln ob etwas wahr ſey?
Du wirſt vielleicht ſagen ſeine Jrrthuͤmer.
Denn weil er ſich ſo offte betrogen hat/
ſo kan er ſich auch wohl allezeit betrie-
gen. Und deßhalben muß er eine kleine
Zeit an allen zweiffen/ biß er eine unſtrei-
tige Warheit findet.

38. Aber bedencke doch/ was fuͤr einen
ſchlechten Schluß du machſt: Was mich ein-
mahl
(oder auch offte) betrieget/ kan mich
allzeit betriegen?
Jch wil dir nicht vorwerffẽ/
daß in allen Logicen dir von Jugend auff ein-
geplauet worden/ ja daß dir dein eigener Ver-
ſtand ietzt dieſen Augenblick auch wider deinen
Willen zuruffe/ daß von etlichen Exempeln
man keine allgemeine Regel machen koͤñe/ ſon-
dern ich will dir nur zu Gemuͤthe fuͤhren/ daß
ich auf eben dieſe Weiſe wider dich einen ſolchen
Schluß machẽ kan: Was mich einmal (oder
auch offte) der Warheit verſichert/ das kan
mich allzeit der Warheit verſichern/ und
folglich nimmer betriegen.
Antworte mir
was du wilſt auff dieſen Satz/ ſo wirſtu zugleich
den deinigen mit umſtoſſen.

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[19/0045] der Warheit nachzudencken. 37. Ja endlich wenn der Menſch zu dem Alter koͤmmt/ daß ſeine Vernunfft reiff iſt/ in ſeinem Kopffe auffzuraͤumen/ was ſolte ihn wohl bewegen zu zweiffeln ob etwas wahr ſey? Du wirſt vielleicht ſagen ſeine Jrrthuͤmer. Denn weil er ſich ſo offte betrogen hat/ ſo kan er ſich auch wohl allezeit betrie- gen. Und deßhalben muß er eine kleine Zeit an allen zweiffen/ biß er eine unſtrei- tige Warheit findet. 38. Aber bedencke doch/ was fuͤr einen ſchlechten Schluß du machſt: Was mich ein- mahl (oder auch offte) betrieget/ kan mich allzeit betriegen? Jch wil dir nicht vorwerffẽ/ daß in allen Logicen dir von Jugend auff ein- geplauet worden/ ja daß dir dein eigener Ver- ſtand ietzt dieſen Augenblick auch wider deinen Willen zuruffe/ daß von etlichen Exempeln man keine allgemeine Regel machen koͤñe/ ſon- dern ich will dir nur zu Gemuͤthe fuͤhren/ daß ich auf eben dieſe Weiſe wider dich einen ſolchen Schluß machẽ kan: Was mich einmal (oder auch offte) der Warheit verſichert/ das kan mich allzeit der Warheit verſichern/ und folglich nimmer betriegen. Antworte mir was du wilſt auff dieſen Satz/ ſo wirſtu zugleich den deinigen mit umſtoſſen. 39. B 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/45>, abgerufen am 22.11.2024.