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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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Das 3. H von der Geschickligkeit

141. Fürnehmlich aber hilfft darzu viel:
Wenn man eine genaue Bekantschafft mit
dem
Autore hat/ nicht allein in Satyrischen
Schrifften/
daß man die historien wisse/ die et-
wa an dem Orte/ da er sich auffgehalten/ passi-
ret
seyn; sondern auch in Fabeln/ damit ich
aus seiner inclination zu dieser oder jener di-
sciplin judicire
,
ob er auff einen sensum Mo-
ralem, Chymicum
oder Physicum gezielet/ o-
der damit ich wenn ich sonsten seine hypotheses
in dieser oder jener disciplin weiß/ desto eher
begreiffe/ was er in der Fabel für eine verbor
gene Warheit habe anzeigen wollen.

142. So ist auch weiter nöthig/ daß derjeni-
ge/ der einen sensum mysticum einer Fabel aus-
legen will/ die disciplin aus der die Lehre ge-
nommen
und in der Fabel versteckt ist/ haupt-
sächlich verstehe/
und nicht erst suche/ in der-
selbigen etwas rechtes aus denen Fabeln zu be-
greiffen. Denn die Fabeln sind dunckel/ und
müssen von der Klarheit der Wissenschafft er-
leuchtet werden: Wie wolte man nun mit dun-
ckelen Dingen die Dunckelheit seines Ver-
standes vertreiben?

143. Derowegen muß man sich hier wohl
hüten/ daß man nicht aus allzu plumper Liebe

zu
Das 3. H von der Geſchickligkeit

141. Fuͤrnehmlich aber hilfft darzu viel:
Wenn man eine genaue Bekantſchafft mit
dem
Autore hat/ nicht allein in Satyriſchen
Schrifften/
daß man die hiſtorien wiſſe/ die et-
wa an dem Orte/ da er ſich auffgehalten/ paſſi-
ret
ſeyn; ſondern auch in Fabeln/ damit ich
aus ſeiner inclination zu dieſer oder jener di-
ſciplin judicire
,
ob er auff einen ſenſum Mo-
ralem, Chymicum
oder Phyſicum gezielet/ o-
der damit ich wenn ich ſonſten ſeine hypotheſes
in dieſer oder jener diſciplin weiß/ deſto eher
begreiffe/ was er in der Fabel fuͤr eine verbor
gene Warheit habe anzeigen wollen.

142. So iſt auch weiter noͤthig/ daß derjeni-
ge/ der einen ſenſum myſticum einer Fabel aus-
legen will/ die diſciplin aus der die Lehre ge-
nommen
und in der Fabel verſteckt iſt/ haupt-
ſaͤchlich verſtehe/
und nicht erſt ſuche/ in der-
ſelbigen etwas rechtes aus denen Fabeln zu be-
greiffen. Denn die Fabeln ſind dunckel/ und
muͤſſen von der Klarheit der Wiſſenſchafft er-
leuchtet werden: Wie wolte man nun mit dun-
ckelen Dingen die Dunckelheit ſeines Ver-
ſtandes vertreiben?

143. Derowegen muß man ſich hier wohl
huͤten/ daß man nicht aus allzu plumper Liebe

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[222/0248] Das 3. H von der Geſchickligkeit 141. Fuͤrnehmlich aber hilfft darzu viel: Wenn man eine genaue Bekantſchafft mit dem Autore hat/ nicht allein in Satyriſchen Schrifften/ daß man die hiſtorien wiſſe/ die et- wa an dem Orte/ da er ſich auffgehalten/ paſſi- ret ſeyn; ſondern auch in Fabeln/ damit ich aus ſeiner inclination zu dieſer oder jener di- ſciplin judicire, ob er auff einen ſenſum Mo- ralem, Chymicum oder Phyſicum gezielet/ o- der damit ich wenn ich ſonſten ſeine hypotheſes in dieſer oder jener diſciplin weiß/ deſto eher begreiffe/ was er in der Fabel fuͤr eine verbor gene Warheit habe anzeigen wollen. 142. So iſt auch weiter noͤthig/ daß derjeni- ge/ der einen ſenſum myſticum einer Fabel aus- legen will/ die diſciplin aus der die Lehre ge- nommen und in der Fabel verſteckt iſt/ haupt- ſaͤchlich verſtehe/ und nicht erſt ſuche/ in der- ſelbigen etwas rechtes aus denen Fabeln zu be- greiffen. Denn die Fabeln ſind dunckel/ und muͤſſen von der Klarheit der Wiſſenſchafft er- leuchtet werden: Wie wolte man nun mit dun- ckelen Dingen die Dunckelheit ſeines Ver- ſtandes vertreiben? 143. Derowegen muß man ſich hier wohl huͤten/ daß man nicht aus allzu plumper Liebe zu

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/248>, abgerufen am 07.05.2024.