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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andere zu verstehen.
was hinter dieser Regel stecke/ wird man gar
leichte befinden/ daß man gantz offenbahr bey
derselben interpretationem Grammaticam
& Logicam
mit einander vermischt. Bey
der interpretatione Grammatica lasse ich
es passiren/ daß in Ubersetzung der Worte/
die klar und deutlich seyn/ man nicht ohne
gnugsame Ursache von der eigenen Bedeu-
tung derselben solle abweichen. Und bey die-
ser Bewandniß müste sie vielmehr also heissen:
Verba ubi non est dubium, proprie sunt ac-
cipienda.
Wenn aber der Verstand dunckel
und zweydeutig ist/ oder sich bey der Ausle-
gung sonst ein nicht unvernünfftiger scrupel
ereignet/ und wir können denselbigen nicht
durch die oben erklärte Regeln heben/
wer-
den wir auch gewiß nicht vermögend seyn/ mit
dieser Regel etwas fruchthärliches auszurich-
ten/ wenn wir aber durch die obigen Regeln
allbereit
den wahren Verstand eines Autoris
erhalten haben/ so hilfft uns ja gewiß diese Re-
gel zu nichts/ sondern sie wäre doch zum wenig-
sten nur überflüßig.

110. Zudem so ist auch derselbigen Nichtig-
keit bey der interpretatione mentali alsobald
daraus zu sehen/ wenn man dieselbe nur ein

wenig

andere zu verſtehen.
was hinter dieſer Regel ſtecke/ wird man gar
leichte befinden/ daß man gantz offenbahr bey
derſelben interpretationem Grammaticam
& Logicam
mit einander vermiſcht. Bey
der interpretatione Grammatica laſſe ich
es pasſiren/ daß in Uberſetzung der Worte/
die klar und deutlich ſeyn/ man nicht ohne
gnugſame Urſache von der eigenen Bedeu-
tung derſelben ſolle abweichen. Und bey die-
ſer Bewandniß muͤſte ſie vielmehr alſo heiſſen:
Verba ubi non eſt dubium, propriè ſunt ac-
cipienda.
Wenn aber der Verſtand dunckel
und zweydeutig iſt/ oder ſich bey der Ausle-
gung ſonſt ein nicht unvernuͤnfftiger ſcrupel
ereignet/ und wir koͤnnen denſelbigen nicht
durch die oben erklaͤrte Regeln heben/
wer-
den wir auch gewiß nicht vermoͤgend ſeyn/ mit
dieſer Regel etwas fruchthaͤrliches auszurich-
ten/ wenn wir aber durch die obigen Regeln
allbereit
den wahren Verſtand eines Autoris
erhalten haben/ ſo hilfft uns ja gewiß dieſe Re-
gel zu nichts/ ſondern ſie waͤre doch zum wenig-
ſten nur uͤberfluͤßig.

110. Zudem ſo iſt auch derſelbigen Nichtig-
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[207/0233] andere zu verſtehen. was hinter dieſer Regel ſtecke/ wird man gar leichte befinden/ daß man gantz offenbahr bey derſelben interpretationem Grammaticam & Logicam mit einander vermiſcht. Bey der interpretatione Grammatica laſſe ich es pasſiren/ daß in Uberſetzung der Worte/ die klar und deutlich ſeyn/ man nicht ohne gnugſame Urſache von der eigenen Bedeu- tung derſelben ſolle abweichen. Und bey die- ſer Bewandniß muͤſte ſie vielmehr alſo heiſſen: Verba ubi non eſt dubium, propriè ſunt ac- cipienda. Wenn aber der Verſtand dunckel und zweydeutig iſt/ oder ſich bey der Ausle- gung ſonſt ein nicht unvernuͤnfftiger ſcrupel ereignet/ und wir koͤnnen denſelbigen nicht durch die oben erklaͤrte Regeln heben/ wer- den wir auch gewiß nicht vermoͤgend ſeyn/ mit dieſer Regel etwas fruchthaͤrliches auszurich- ten/ wenn wir aber durch die obigen Regeln allbereit den wahren Verſtand eines Autoris erhalten haben/ ſo hilfft uns ja gewiß dieſe Re- gel zu nichts/ ſondern ſie waͤre doch zum wenig- ſten nur uͤberfluͤßig. 110. Zudem ſo iſt auch derſelbigen Nichtig- keit bey der interpretatione mentali alſobald daraus zu ſehen/ wenn man dieſelbe nur ein wenig

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/233>, abgerufen am 06.05.2024.