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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andern die Warheit beyzubringen.
nicht auffhältest/ oder mit verführischen Wor-
ten
ihn an Statt der Warheit Jrrthümer bey-
bringen wilst.

150. Denn ein Begieriger ist seinem Wirthe
mehr verbunden/ wenn er ihm eine Schüssel
voll ausgemachte Welsche Nüsse vorsetzt/
als wen er ihm die Mühe überläst/ den Kern
selbst aus denen harten und unsauber machen-
den Schaalen hervor zu suchen. Wenn er ihm
aber anstatt rechten Obsts Stein- oder
Wachs-Früchte
vorsetzte/ würde gewiß der
Gast übel zufrieden seyn/ wenn gleich diese ge-
künstelte Früchte noch so schön aussähen.

151. Derowegen mercke/ daß die leeren
Worte
zweyerley seyn: Etliche sind eitel und
ungeschmack/
die doch der Warheit nicht eben
Schaden thun/ aber doch dieselbe unangenehm
machen. Als wenn man auff allen Blättern
und in allen paragraphis erinnert/ was man
bißher gesagt habe/ und künfftig sagen wolle;
wenn man mit grossem Wortgepränge und
grossen Umbschweiff sagt/ was man mit drey
Worten viel deutlicher hätte melden können.

152. Etliche Worte sind hierneben auch ver-
führisch
und der Warheit schädlich/ wenn
man sich der Rhetorischen figuren bedienet/

des
K 2

andern die Warheit beyzubringen.
nicht auffhaͤlteſt/ oder mit verfuͤhriſchen Wor-
ten
ihn an Statt der Warheit Jrrthuͤmer bey-
bringen wilſt.

150. Denn ein Begieriger iſt ſeinem Wirthe
mehr verbunden/ wenn er ihm eine Schuͤſſel
voll ausgemachte Welſche Nuͤſſe vorſetzt/
als wen er ihm die Muͤhe uͤberlaͤſt/ den Kern
ſelbſt aus denen harten und unſauber machen-
den Schaalen hervor zu ſuchen. Wenn er ihm
aber anſtatt rechten Obſts Stein- oder
Wachs-Fruͤchte
vorſetzte/ wuͤrde gewiß der
Gaſt uͤbel zufrieden ſeyn/ wenn gleich dieſe ge-
kuͤnſtelte Fruͤchte noch ſo ſchoͤn ausſaͤhen.

151. Derowegen mercke/ daß die leeren
Worte
zweyerley ſeyn: Etliche ſind eitel und
ungeſchmack/
die doch der Warheit nicht eben
Schaden thun/ aber doch dieſelbe unangenehm
machen. Als wenn man auff allen Blaͤttern
und in allen paragraphis erinnert/ was man
bißher geſagt habe/ und kuͤnfftig ſagen wolle;
wenn man mit groſſem Wortgepraͤnge und
groſſen Umbſchweiff ſagt/ was man mit drey
Worten viel deutlicher haͤtte melden koͤnnen.

152. Etliche Worte ſind hierneben auch ver-
fuͤhriſch
und der Warheit ſchaͤdlich/ wenn
man ſich der Rhetoriſchen figuren bedienet/

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K 2
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[147/0173] andern die Warheit beyzubringen. nicht auffhaͤlteſt/ oder mit verfuͤhriſchen Wor- ten ihn an Statt der Warheit Jrrthuͤmer bey- bringen wilſt. 150. Denn ein Begieriger iſt ſeinem Wirthe mehr verbunden/ wenn er ihm eine Schuͤſſel voll ausgemachte Welſche Nuͤſſe vorſetzt/ als wen er ihm die Muͤhe uͤberlaͤſt/ den Kern ſelbſt aus denen harten und unſauber machen- den Schaalen hervor zu ſuchen. Wenn er ihm aber anſtatt rechten Obſts Stein- oder Wachs-Fruͤchte vorſetzte/ wuͤrde gewiß der Gaſt uͤbel zufrieden ſeyn/ wenn gleich dieſe ge- kuͤnſtelte Fruͤchte noch ſo ſchoͤn ausſaͤhen. 151. Derowegen mercke/ daß die leeren Worte zweyerley ſeyn: Etliche ſind eitel und ungeſchmack/ die doch der Warheit nicht eben Schaden thun/ aber doch dieſelbe unangenehm machen. Als wenn man auff allen Blaͤttern und in allen paragraphis erinnert/ was man bißher geſagt habe/ und kuͤnfftig ſagen wolle; wenn man mit groſſem Wortgepraͤnge und groſſen Umbſchweiff ſagt/ was man mit drey Worten viel deutlicher haͤtte melden koͤnnen. 152. Etliche Worte ſind hierneben auch ver- fuͤhriſch und der Warheit ſchaͤdlich/ wenn man ſich der Rhetoriſchen figuren bedienet/ des K 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/173>, abgerufen am 24.11.2024.