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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andern die Warheit beyzubringen.
nem Stande weniger Thorheiten begehet und
viel vergnügter lebet/ als mancher gelehrter
Mann/ den man doch nicht eben vor einen Pe-
danten
halten kan.

94. Diese Ursache ist auch nicht so oben hin
zu tractiren, weil sie zum wenigsten eine sol-
che Wahrscheinligkeit mit sich führet/ daß wir
deßhalben junge Leute nicht für irraisonabel
halten können. Denn wie können wir es ei-
nen jungen Menschen zumuthen/ daß er es sich
solle lassen sauer werden etwas zu erlan-
gen/ davon er keinen sonderlichen Nutzen
siehet/
da doch das Interesse und Eigennutz der
gröste Zug ist/ der die Menschen antreibet/
keine Ungelegenheit und Verdruß zu scheuen.
Aber wir wollen ferner gehen.

95. Laß es seyn. Es erkenne ein Mensch
gleich auch die Vortreffligkeit der Weißheit.
Er sehe seinen elenden Stand sehr wohl/ er
trage auch Verlangen und wündsche/ daß der-
selbe möchte geändert werden. Alleine wie ist
es möglich aus denen praejudiciis heraus zu
kommen und die rechte Weißheit zu erlernen?
Er hat allbereit 25. Jahr oder wohl mehr auff
den Halse. Wie ein Ding zunimmt/ so soll es
auch wieder abnehmen. Soll er nun wieder

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andern die Warheit beyzubringen.
nem Stande weniger Thorheiten begehet und
viel vergnuͤgter lebet/ als mancher gelehrter
Mann/ den man doch nicht eben vor einen Pe-
danten
halten kan.

94. Dieſe Urſache iſt auch nicht ſo oben hin
zu tractiren, weil ſie zum wenigſten eine ſol-
che Wahrſcheinligkeit mit ſich fuͤhret/ daß wir
deßhalben junge Leute nicht fuͤr irraiſonabel
halten koͤnnen. Denn wie koͤnnen wir es ei-
nen jungen Menſchen zumuthen/ daß er es ſich
ſolle laſſen ſauer werden etwas zu erlan-
gen/ davon er keinen ſonderlichen Nutzen
ſiehet/
da doch das Intereſſe und Eigennutz der
groͤſte Zug iſt/ der die Menſchen antreibet/
keine Ungelegenheit und Verdruß zu ſcheuen.
Aber wir wollen ferner gehen.

95. Laß es ſeyn. Es erkenne ein Menſch
gleich auch die Vortreffligkeit der Weißheit.
Er ſehe ſeinen elenden Stand ſehr wohl/ er
trage auch Verlangen und wuͤndſche/ daß der-
ſelbe moͤchte geaͤndert werden. Alleine wie iſt
es moͤglich aus denen præjudiciis heraus zu
kommen und die rechte Weißheit zu erlernen?
Er hat allbereit 25. Jahr oder wohl mehr auff
den Halſe. Wie ein Ding zunimmt/ ſo ſoll es
auch wieder abnehmen. Soll er nun wieder

25.
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[117/0143] andern die Warheit beyzubringen. nem Stande weniger Thorheiten begehet und viel vergnuͤgter lebet/ als mancher gelehrter Mann/ den man doch nicht eben vor einen Pe- danten halten kan. 94. Dieſe Urſache iſt auch nicht ſo oben hin zu tractiren, weil ſie zum wenigſten eine ſol- che Wahrſcheinligkeit mit ſich fuͤhret/ daß wir deßhalben junge Leute nicht fuͤr irraiſonabel halten koͤnnen. Denn wie koͤnnen wir es ei- nen jungen Menſchen zumuthen/ daß er es ſich ſolle laſſen ſauer werden etwas zu erlan- gen/ davon er keinen ſonderlichen Nutzen ſiehet/ da doch das Intereſſe und Eigennutz der groͤſte Zug iſt/ der die Menſchen antreibet/ keine Ungelegenheit und Verdruß zu ſcheuen. Aber wir wollen ferner gehen. 95. Laß es ſeyn. Es erkenne ein Menſch gleich auch die Vortreffligkeit der Weißheit. Er ſehe ſeinen elenden Stand ſehr wohl/ er trage auch Verlangen und wuͤndſche/ daß der- ſelbe moͤchte geaͤndert werden. Alleine wie iſt es moͤglich aus denen præjudiciis heraus zu kommen und die rechte Weißheit zu erlernen? Er hat allbereit 25. Jahr oder wohl mehr auff den Halſe. Wie ein Ding zunimmt/ ſo ſoll es auch wieder abnehmen. Soll er nun wieder 25. H 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/143>, abgerufen am 22.11.2024.