Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

Bild:
<< vorherige Seite

Das 2. H. von der Geschickligkeit
sten/ und die junge Leute/ sonderlich diejenigen/
die manierlich erzogen sind/ können nicht
anders als mit dem grösten Verdruß ansehen/
wenn man sie aus einer artigen und galanten
Lebens-Art in so eine wilde und wüste Gesell-
schafftverstossen will/ und weil ihr Verstand
noch nicht erläutert ist die Sachen genungsam
zu unterscheiden/ so kommen ihnen alle Wissen-
schafften und Künste in der Gestalt vor/ wie
der Scarron seine neun Musen in Kupffer ste-
chen lassen/ oder sie bilden sich ein/ daß/ wenn
sie studiereten/ sie eben solche Kerlen werden
müssen/ wie des Sorels sein Hortensius und der
Barbon des Balzac aussiehet.

91. Aber diese Betrachtung erwecket nur
gemeiniglich bey vornehmer Leute und artig
wohl erzogenen Kindern einen Eckel vor dem
studieren. Hiernechst aber ist noch eine Ursa-
che/ warumb insgemein alle junge Leute/ sie
mögen von was Stande seyn als sie wollen/
die rechte Gelahrheit fliehen. Sie stecken al-
le im Müßiggang und Wollust/ (ob gleich ei-
ner mehr als der andere) und wir würden
trefflich unvernünfftig handeln/ wenn wir uns
oder sie selbst bereden wolten/ daß ihnen ihr
Müßiggang und Wollust nicht sanffte thun

solte.

Das 2. H. von der Geſchickligkeit
ſten/ und die junge Leute/ ſonderlich diejenigen/
die manierlich erzogen ſind/ koͤnnen nicht
anders als mit dem groͤſten Verdruß anſehen/
wenn man ſie aus einer artigen und galanten
Lebens-Art in ſo eine wilde und wuͤſte Geſell-
ſchafftveꝛſtoſſen will/ und weil ihr Verſtand
noch nicht erlaͤutert iſt die Sachen genungſam
zu unterſcheiden/ ſo kom̃en ihnen alle Wiſſen-
ſchafften und Kuͤnſte in der Geſtalt vor/ wie
der Scarron ſeine neun Muſen in Kupffer ſte-
chen laſſen/ oder ſie bilden ſich ein/ daß/ wenn
ſie ſtudiereten/ ſie eben ſolche Kerlen werden
muͤſſen/ wie des Sorels ſein Hortenſius und der
Barbon des Balzac ausſiehet.

91. Aber dieſe Betrachtung erwecket nur
gemeiniglich bey vornehmer Leute und artig
wohl erzogenen Kindern einen Eckel vor dem
ſtudieren. Hiernechſt aber iſt noch eine Urſa-
che/ warumb insgemein alle junge Leute/ ſie
moͤgen von was Stande ſeyn als ſie wollen/
die rechte Gelahrheit fliehen. Sie ſtecken al-
le im Muͤßiggang und Wolluſt/ (ob gleich ei-
ner mehr als der andere) und wir wuͤrden
trefflich unvernuͤnfftig handeln/ wenn wir uns
oder ſie ſelbſt bereden wolten/ daß ihnen ihr
Muͤßiggang und Wolluſt nicht ſanffte thun

ſolte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 2. H. von der Ge&#x017F;chickligkeit</hi></fw><lb/>
&#x017F;ten/ und die junge Leute/ &#x017F;onderlich diejenigen/<lb/><hi rendition="#fr">die</hi> <hi rendition="#aq">manier</hi><hi rendition="#fr">lich erzogen &#x017F;ind/</hi> ko&#x0364;nnen nicht<lb/>
anders als mit dem gro&#x0364;&#x017F;ten Verdruß an&#x017F;ehen/<lb/>
wenn man &#x017F;ie aus einer artigen und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">galanten</hi></hi><lb/>
Lebens-Art in &#x017F;o eine wilde und wu&#x0364;&#x017F;te Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chafftve&#xA75B;&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en will/ und weil ihr Ver&#x017F;tand<lb/>
noch nicht erla&#x0364;utert i&#x017F;t die Sachen genung&#x017F;am<lb/>
zu unter&#x017F;cheiden/ &#x017F;o kom&#x0303;en ihnen alle Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafften und Ku&#x0364;n&#x017F;te in der Ge&#x017F;talt vor/ wie<lb/>
der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Scarron</hi></hi> &#x017F;eine neun <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Mu&#x017F;en</hi></hi> in Kupffer &#x017F;te-<lb/>
chen la&#x017F;&#x017F;en/ oder &#x017F;ie bilden &#x017F;ich ein/ daß/ wenn<lb/>
&#x017F;ie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;tudier</hi></hi>eten/ &#x017F;ie eben &#x017F;olche Kerlen werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ wie des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Sorels</hi></hi> &#x017F;ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Horten&#x017F;ius</hi></hi> und der<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Barbon</hi></hi> des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Balzac</hi></hi> aus&#x017F;iehet.</p><lb/>
        <p>91. Aber die&#x017F;e Betrachtung erwecket nur<lb/>
gemeiniglich bey vornehmer Leute und artig<lb/>
wohl erzogenen Kindern einen Eckel vor dem<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;tudieren.</hi></hi> Hiernech&#x017F;t aber i&#x017F;t noch eine Ur&#x017F;a-<lb/>
che/ warumb insgemein alle junge Leute/ &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;gen von was Stande &#x017F;eyn als &#x017F;ie wollen/<lb/>
die rechte Gelahrheit fliehen. Sie &#x017F;tecken al-<lb/>
le im <hi rendition="#fr">Mu&#x0364;ßiggang</hi> und <hi rendition="#fr">Wollu&#x017F;t/</hi> (ob gleich ei-<lb/>
ner mehr als der andere) und wir wu&#x0364;rden<lb/>
trefflich unvernu&#x0364;nfftig handeln/ wenn wir uns<lb/>
oder &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t bereden wolten/ daß ihnen ihr<lb/>
Mu&#x0364;ßiggang und Wollu&#x017F;t nicht &#x017F;anffte thun<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olte.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0140] Das 2. H. von der Geſchickligkeit ſten/ und die junge Leute/ ſonderlich diejenigen/ die manierlich erzogen ſind/ koͤnnen nicht anders als mit dem groͤſten Verdruß anſehen/ wenn man ſie aus einer artigen und galanten Lebens-Art in ſo eine wilde und wuͤſte Geſell- ſchafftveꝛſtoſſen will/ und weil ihr Verſtand noch nicht erlaͤutert iſt die Sachen genungſam zu unterſcheiden/ ſo kom̃en ihnen alle Wiſſen- ſchafften und Kuͤnſte in der Geſtalt vor/ wie der Scarron ſeine neun Muſen in Kupffer ſte- chen laſſen/ oder ſie bilden ſich ein/ daß/ wenn ſie ſtudiereten/ ſie eben ſolche Kerlen werden muͤſſen/ wie des Sorels ſein Hortenſius und der Barbon des Balzac ausſiehet. 91. Aber dieſe Betrachtung erwecket nur gemeiniglich bey vornehmer Leute und artig wohl erzogenen Kindern einen Eckel vor dem ſtudieren. Hiernechſt aber iſt noch eine Urſa- che/ warumb insgemein alle junge Leute/ ſie moͤgen von was Stande ſeyn als ſie wollen/ die rechte Gelahrheit fliehen. Sie ſtecken al- le im Muͤßiggang und Wolluſt/ (ob gleich ei- ner mehr als der andere) und wir wuͤrden trefflich unvernuͤnfftig handeln/ wenn wir uns oder ſie ſelbſt bereden wolten/ daß ihnen ihr Muͤßiggang und Wolluſt nicht ſanffte thun ſolte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/140
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/140>, abgerufen am 25.11.2024.