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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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andern die Warheit beyzubringen.
matic, Logic u. s. w. her beten/ wie die
Nonnen den Psalter. Siehe nur wie man
die Jugend an die Compendia, Syntagmata,
an die verba und numerum legum, an die ver-
ba textus Aristotelici
u. s. w. bindet/ die sie
öffters nicht anders als die Papegoye die Wor-
te/ so man ihnen gelernet/ hersagen.

65. Jch bescheide mich ja wohl/ daß man
sein Gedächtniß üben müsse/ und daß dem-
jenigen/ der von etwas peroriren soll/ ein
Handgriff oder ars mnemonevtica vonnöthen
sey. Allein dieses ist eine grosse Thorheit/ daß
man in denen artib mnemonevticis so viel
Pedantische und Fantastische Possen mit ein-
mischt/ und daß man diese Künste/ als sonder-
liche Thesauros Sapientiae rühmet/ da sie doch
zu nichts anders dienen/ als die Ordnung der
Dinge/
nicht aber die Dinge selbst zu begreif-
fen. Ein junger Mensch kan sein Gedächtniß
üben; wenn er in Betrachtung derer Dinge
fein attent ist.

66. Nach diesen dictire deinen Zuhörern
wenig oder gar nichts.
Es ist eine grosse
Eitelkeit/ daß ein ieder Lehrer aus zehen Com-
mentariis
den eilfften zusammen schreibet; und
sind viele dictata elender als die geringsten Bü-

cher.
G 3

andern die Warheit beyzubringen.
matic, Logic u. ſ. w. her beten/ wie die
Nonnen den Pſalter. Siehe nur wie man
die Jugend an die Compendia, Syntagmata,
an die verba und numerum legum, an die ver-
ba textus Ariſtotelici
u. ſ. w. bindet/ die ſie
oͤffters nicht anders als die Papegoye die Wor-
te/ ſo man ihnen gelernet/ herſagen.

65. Jch beſcheide mich ja wohl/ daß man
ſein Gedaͤchtniß uͤben muͤſſe/ und daß dem-
jenigen/ der von etwas peroriren ſoll/ ein
Handgriff oder ars mnemonevtica vonnoͤthen
ſey. Allein dieſes iſt eine groſſe Thorheit/ daß
man in denen artibꝰ mnemonevticis ſo viel
Pedantiſche und Fantaſtiſche Poſſen mit ein-
miſcht/ und daß man dieſe Kuͤnſte/ als ſonder-
liche Theſauros Sapientiæ ruͤhmet/ da ſie doch
zu nichts anders dienen/ als die Ordnung der
Dinge/
nicht aber die Dinge ſelbſt zu begreif-
fen. Ein junger Menſch kan ſein Gedaͤchtniß
uͤben; wenn er in Betrachtung derer Dinge
fein attent iſt.

66. Nach dieſen dictire deinen Zuhoͤrern
wenig oder gar nichts.
Es iſt eine groſſe
Eitelkeit/ daß ein ieder Lehrer aus zehen Com-
mentariis
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cher.
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[101/0127] andern die Warheit beyzubringen. matic, Logic u. ſ. w. her beten/ wie die Nonnen den Pſalter. Siehe nur wie man die Jugend an die Compendia, Syntagmata, an die verba und numerum legum, an die ver- ba textus Ariſtotelici u. ſ. w. bindet/ die ſie oͤffters nicht anders als die Papegoye die Wor- te/ ſo man ihnen gelernet/ herſagen. 65. Jch beſcheide mich ja wohl/ daß man ſein Gedaͤchtniß uͤben muͤſſe/ und daß dem- jenigen/ der von etwas peroriren ſoll/ ein Handgriff oder ars mnemonevtica vonnoͤthen ſey. Allein dieſes iſt eine groſſe Thorheit/ daß man in denen artibꝰ mnemonevticis ſo viel Pedantiſche und Fantaſtiſche Poſſen mit ein- miſcht/ und daß man dieſe Kuͤnſte/ als ſonder- liche Theſauros Sapientiæ ruͤhmet/ da ſie doch zu nichts anders dienen/ als die Ordnung der Dinge/ nicht aber die Dinge ſelbſt zu begreif- fen. Ein junger Menſch kan ſein Gedaͤchtniß uͤben; wenn er in Betrachtung derer Dinge fein attent iſt. 66. Nach dieſen dictire deinen Zuhoͤrern wenig oder gar nichts. Es iſt eine groſſe Eitelkeit/ daß ein ieder Lehrer aus zehen Com- mentariis den eilfften zuſammen ſchreibet; und ſind viele dictata elender als die geringſten Buͤ- cher. G 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/127>, abgerufen am 22.11.2024.