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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 15. H. von der Unzulängligkeit
ben sie erfahren/ und je weniger ist dieselbe ein-
gewurtzelt/ da es hingegen durch die böse Ge-
wohnheit noch schwerer wird/ je älter man ist/
sein Elend/ geschweige dann/ das natürliche Un-
vermögen zu begreiffen. Je jünger man ist/ je
schwerer gehet man hernach von der sich selbst ge-
lassenen Vernunfft ab/ und je unschmackhaff-
ter wird einem die in der Schrifft verborgene
Göttliche Weisheit.

24. Aber wäre es denn nicht besser/ daß
man die Kinder von Jugend auf unmittel-
bar an die Heilige Schrifft in Einfalt wiese/

und ohne weitläufftiges und subtiles raisoniren
in aller Kürtze die bisherigen Lehren daselbst ih-
nen zeigete und einschärffte? Ja freylich. Aber
das geschiehet leider nicht/ sondern das überall
unter denen Christen/ auch unter denen Evan-
gelischen/ herrschende Heydenthum steckt in dem
Haupt-Jrthum/ als wenn die Heilige Schrifft
nicht
Philosophische/ sondern Theologische
Dinge
tractirete/ gleich als ob zweyerley unter-
schiedene Weisheiten wären/ oder gleich als
wenn die Erkäntnüß der Creaturen uns nicht auch
nach dem Fall zu der Erkäntnüß des Schöpffers
leiten solte/ andre handgreiffliche Absurditaeten
zu geschweigen. Solcher Gestalt aber wird die
zarte Jugend auf Heydnische Scribenten gefüh-
ret/ und also auch auf Heydnische Weise von
GOtt abgeführet/ bis etwa GOtt sich über die-
sen und jenen erbarmet/ und ihn aus dem Elend

aus

Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit
ben ſie erfahren/ und je weniger iſt dieſelbe ein-
gewurtzelt/ da es hingegen durch die boͤſe Ge-
wohnheit noch ſchwerer wird/ je aͤlter man iſt/
ſein Elend/ geſchweige dann/ das natuͤrliche Un-
vermoͤgen zu begreiffen. Je juͤnger man iſt/ je
ſchwerer gehet man hernach von der ſich ſelbſt ge-
laſſenen Vernunfft ab/ und je unſchmackhaff-
ter wird einem die in der Schrifft verborgene
Goͤttliche Weisheit.

24. Aber waͤre es denn nicht beſſer/ daß
man die Kinder von Jugend auf unmittel-
bar an die Heilige Schrifft in Einfalt wieſe/

und ohne weitlaͤufftiges und ſubtiles raiſoniren
in aller Kuͤrtze die bisherigen Lehren daſelbſt ih-
nen zeigete und einſchaͤrffte? Ja freylich. Aber
das geſchiehet leider nicht/ ſondern das uͤberall
unter denen Chriſten/ auch unter denen Evan-
geliſchen/ herrſchende Heydenthum ſteckt in dem
Haupt-Jrthum/ als wenn die Heilige Schrifft
nicht
Philoſophiſche/ ſondern Theologiſche
Dinge
tractirete/ gleich als ob zweyerley unter-
ſchiedene Weisheiten waͤren/ oder gleich als
wenn die Erkaͤntnuͤß der Creaturen uns nicht auch
nach dem Fall zu der Erkaͤntnuͤß des Schoͤpffers
leiten ſolte/ andre handgreiffliche Abſurditæten
zu geſchweigen. Solcher Geſtalt aber wird die
zarte Jugend auf Heydniſche Scribenten gefuͤh-
ret/ und alſo auch auf Heydniſche Weiſe von
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ſen und jenen erbarmet/ und ihn aus dem Elend

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[522/0534] Das 15. H. von der Unzulaͤngligkeit ben ſie erfahren/ und je weniger iſt dieſelbe ein- gewurtzelt/ da es hingegen durch die boͤſe Ge- wohnheit noch ſchwerer wird/ je aͤlter man iſt/ ſein Elend/ geſchweige dann/ das natuͤrliche Un- vermoͤgen zu begreiffen. Je juͤnger man iſt/ je ſchwerer gehet man hernach von der ſich ſelbſt ge- laſſenen Vernunfft ab/ und je unſchmackhaff- ter wird einem die in der Schrifft verborgene Goͤttliche Weisheit. 24. Aber waͤre es denn nicht beſſer/ daß man die Kinder von Jugend auf unmittel- bar an die Heilige Schrifft in Einfalt wieſe/ und ohne weitlaͤufftiges und ſubtiles raiſoniren in aller Kuͤrtze die bisherigen Lehren daſelbſt ih- nen zeigete und einſchaͤrffte? Ja freylich. Aber das geſchiehet leider nicht/ ſondern das uͤberall unter denen Chriſten/ auch unter denen Evan- geliſchen/ herrſchende Heydenthum ſteckt in dem Haupt-Jrthum/ als wenn die Heilige Schrifft nicht Philoſophiſche/ ſondern Theologiſche Dinge tractirete/ gleich als ob zweyerley unter- ſchiedene Weisheiten waͤren/ oder gleich als wenn die Erkaͤntnuͤß der Creaturen uns nicht auch nach dem Fall zu der Erkaͤntnuͤß des Schoͤpffers leiten ſolte/ andre handgreiffliche Abſurditæten zu geſchweigen. Solcher Geſtalt aber wird die zarte Jugend auf Heydniſche Scribenten gefuͤh- ret/ und alſo auch auf Heydniſche Weiſe von GOtt abgefuͤhret/ bis etwa GOtt ſich uͤber die- ſen und jenen erbarmet/ und ihn aus dem Elend aus

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/534>, abgerufen am 27.11.2024.