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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Tochter der Eyfersucht.
genthum von dem Geld-Geitz erfunden sey. Also
wil er nun auch die Wollust eigen haben/ oder
die Person/ die er vorgiebt/ daß er sie liebe. Er
fraget darnach nichts/ ob er ihr Hertz besitze/ und
sich ihr angenehm mache/ wenn nur ein anderer
dasselbe nicht besitzt. Und wie er ihr sein Hertze
nicht geben kan/ als welches an geringern Crea-
turen hänget/ also hat er viel zu wenig Liebe zu
ihr/ daß er leiden könte/ daß ein anderer ihr sein
Hertz gebe. Und also ist die Eyfersucht bey ihm
nichts als Neid/ die ihme sein Hertze abfrist.
Liebet seine Frau oder sein Fürste einen andern/
so beneidet er den andern wegen dieser Liebe: Lie-
bet ein anderer seinen Fürsten oder seine Frau/
so beneidet er den Fürsten und die Frau/ wegen
dieser Liebe; Er hasset den andern als einen
Dieb/ der ihm dasjenige nehmen wolle/ welches
ihme nach der Einbildung seines Geitzes alleine
zustehen solte.

56. Dannenhero/ wo Geld-Geitz ist/ da
ist auch Eyfersucht/
und wo wenig Geld-
Geitz ist/ ist auch wenig Eyfersucht.
Und
wie wir oben gezeiget haben/ daß bey der Mi-
schung der Wohllust und des Ehr-Geitzes

kein so böses Ansehen sey als bey denen andern
Mischungen; Also hat auch diese Mixtur wegen
des wenigen Geld-Geitzes wenig Eyfersucht.
Jst die Wollust stärcker bey ihm als der Ehr-
Geitz/ so wird er zwar Eyfersüchtig werden/ wenn
ein liederlicher Mensch von seiner Maitresse ge-

liebet
F f 3

Tochter der Eyferſucht.
genthum von dem Geld-Geitz erfunden ſey. Alſo
wil er nun auch die Wolluſt eigen haben/ oder
die Perſon/ die er vorgiebt/ daß er ſie liebe. Er
fraget darnach nichts/ ob er ihr Hertz beſitze/ und
ſich ihr angenehm mache/ wenn nur ein anderer
daſſelbe nicht beſitzt. Und wie er ihr ſein Hertze
nicht geben kan/ als welches an geringern Crea-
turen haͤnget/ alſo hat er viel zu wenig Liebe zu
ihr/ daß er leiden koͤnte/ daß ein anderer ihr ſein
Hertz gebe. Und alſo iſt die Eyferſucht bey ihm
nichts als Neid/ die ihme ſein Hertze abfriſt.
Liebet ſeine Frau oder ſein Fuͤrſte einen andern/
ſo beneidet er den andern wegen dieſer Liebe: Lie-
bet ein anderer ſeinen Fuͤrſten oder ſeine Frau/
ſo beneidet er den Fuͤrſten und die Frau/ wegen
dieſer Liebe; Er haſſet den andern als einen
Dieb/ der ihm dasjenige nehmen wolle/ welches
ihme nach der Einbildung ſeines Geitzes alleine
zuſtehen ſolte.

56. Dannenhero/ wo Geld-Geitz iſt/ da
iſt auch Eyferſucht/
und wo wenig Geld-
Geitz iſt/ iſt auch wenig Eyferſucht.
Und
wie wir oben gezeiget haben/ daß bey der Mi-
ſchung der Wohlluſt und des Ehr-Geitzes

kein ſo boͤſes Anſehen ſey als bey denen andern
Miſchungen; Alſo hat auch dieſe Mixtur wegen
des wenigen Geld-Geitzes wenig Eyferſucht.
Jſt die Wolluſt ſtaͤrcker bey ihm als der Ehr-
Geitz/ ſo wird er zwar Eyferſuͤchtig werden/ wenn
ein liederlicher Menſch von ſeiner Maitreſſe ge-

liebet
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[453/0465] Tochter der Eyferſucht. genthum von dem Geld-Geitz erfunden ſey. Alſo wil er nun auch die Wolluſt eigen haben/ oder die Perſon/ die er vorgiebt/ daß er ſie liebe. Er fraget darnach nichts/ ob er ihr Hertz beſitze/ und ſich ihr angenehm mache/ wenn nur ein anderer daſſelbe nicht beſitzt. Und wie er ihr ſein Hertze nicht geben kan/ als welches an geringern Crea- turen haͤnget/ alſo hat er viel zu wenig Liebe zu ihr/ daß er leiden koͤnte/ daß ein anderer ihr ſein Hertz gebe. Und alſo iſt die Eyferſucht bey ihm nichts als Neid/ die ihme ſein Hertze abfriſt. Liebet ſeine Frau oder ſein Fuͤrſte einen andern/ ſo beneidet er den andern wegen dieſer Liebe: Lie- bet ein anderer ſeinen Fuͤrſten oder ſeine Frau/ ſo beneidet er den Fuͤrſten und die Frau/ wegen dieſer Liebe; Er haſſet den andern als einen Dieb/ der ihm dasjenige nehmen wolle/ welches ihme nach der Einbildung ſeines Geitzes alleine zuſtehen ſolte. 56. Dannenhero/ wo Geld-Geitz iſt/ da iſt auch Eyferſucht/ und wo wenig Geld- Geitz iſt/ iſt auch wenig Eyferſucht. Und wie wir oben gezeiget haben/ daß bey der Mi- ſchung der Wohlluſt und des Ehr-Geitzes kein ſo boͤſes Anſehen ſey als bey denen andern Miſchungen; Alſo hat auch dieſe Mixtur wegen des wenigen Geld-Geitzes wenig Eyferſucht. Jſt die Wolluſt ſtaͤrcker bey ihm als der Ehr- Geitz/ ſo wird er zwar Eyferſuͤchtig werden/ wenn ein liederlicher Menſch von ſeiner Maitreſſe ge- liebet F f 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/465>, abgerufen am 30.11.2024.