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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Tochter der Eyfersucht.
fersucht gehet vor dem Zorn vorher. Jedoch ist
ein Ehrgeitziger sehr zur Eyfersucht geneigt/
weil er nicht wohl leiden kan/ daß man andre ne-
ben ihn veneriret/ sondern er wil ein Hertz allein
besitzen/ und also auch sucht er in seiner Liebe
Meister über der geliebten Person ihr Hertze zu
seyn. Er kan ja wohl leiden/ daß andere sie
lieben/
wenn sie ihm nur den Vorzug lässet/ und
die andern peiniget: Das ist ihm eine grosse
Freude. Aber wenn die geliebte Person an-
dere neben ihn liebet/
so betrachtet er dieses
als eine Rebellion/ und erzürnet sich über diesel-
be mehr als über seinen Mitbuhler/ zumahl/ wenn
der Mitbuhler ihm seine Liebste nicht abspenstig
gemacht hat/ sondern vielmehr von derselben
gereitzet worden/ als daß er sie gereitzet hätte.
Daferne er aber/ der Mitbuhler/ sich bemühet/
das Hertze seiner Liebsten zu gewinnen/ wird er
zwar zum Haß und Zorn gegen ihn beweget wer-
den/ aber nicht so wohl aus Eyfersucht/ als daß
der andre sich unterstehe/ sich ihm gleich zu schä-
tzen/ oder das/ was er nach den Regeln der Eh-
re nicht theilen könne/ mit ihm zu theilen. Und
wird dieser Haß oder Zorn schon so starck und ge-
waltig nicht seyn/ wenn der Mitbuhler so zu re-
den durch seine meriten das Hertz zu gewinnen
sucht/ als wenn er sich bemühet/ durch Lügen
und Verleumdung seiner solches zu wege zu brin-
gen. Ja wenn er selbst das Hertz der geliebten
Person noch nicht erhalten hat/ und einen Mit-

buhler
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Tochter der Eyferſucht.
ferſucht gehet vor dem Zorn vorher. Jedoch iſt
ein Ehrgeitziger ſehr zur Eyferſucht geneigt/
weil er nicht wohl leiden kan/ daß man andre ne-
ben ihn veneriret/ ſondern er wil ein Hertz allein
beſitzen/ und alſo auch ſucht er in ſeiner Liebe
Meiſter uͤber der geliebten Perſon ihr Hertze zu
ſeyn. Er kan ja wohl leiden/ daß andere ſie
lieben/
wenn ſie ihm nur den Vorzug laͤſſet/ und
die andern peiniget: Das iſt ihm eine groſſe
Freude. Aber wenn die geliebte Perſon an-
dere neben ihn liebet/
ſo betrachtet er dieſes
als eine Rebellion/ und erzuͤrnet ſich uͤber dieſel-
be mehr als uͤber ſeinen Mitbuhler/ zumahl/ wenn
der Mitbuhler ihm ſeine Liebſte nicht abſpenſtig
gemacht hat/ ſondern vielmehr von derſelben
gereitzet worden/ als daß er ſie gereitzet haͤtte.
Daferne er aber/ der Mitbuhler/ ſich bemuͤhet/
das Hertze ſeiner Liebſten zu gewinnen/ wird er
zwar zum Haß und Zorn gegen ihn beweget wer-
den/ aber nicht ſo wohl aus Eyferſucht/ als daß
der andre ſich unterſtehe/ ſich ihm gleich zu ſchaͤ-
tzen/ oder das/ was er nach den Regeln der Eh-
re nicht theilen koͤnne/ mit ihm zu theilen. Und
wird dieſer Haß oder Zorn ſchon ſo ſtarck und ge-
waltig nicht ſeyn/ wenn der Mitbuhler ſo zu re-
den durch ſeine meriten das Hertz zu gewinnen
ſucht/ als wenn er ſich bemuͤhet/ durch Luͤgen
und Verleumdung ſeiner ſolches zu wege zu brin-
gen. Ja wenn er ſelbſt das Hertz der geliebten
Perſon noch nicht erhalten hat/ und einen Mit-

buhler
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[451/0463] Tochter der Eyferſucht. ferſucht gehet vor dem Zorn vorher. Jedoch iſt ein Ehrgeitziger ſehr zur Eyferſucht geneigt/ weil er nicht wohl leiden kan/ daß man andre ne- ben ihn veneriret/ ſondern er wil ein Hertz allein beſitzen/ und alſo auch ſucht er in ſeiner Liebe Meiſter uͤber der geliebten Perſon ihr Hertze zu ſeyn. Er kan ja wohl leiden/ daß andere ſie lieben/ wenn ſie ihm nur den Vorzug laͤſſet/ und die andern peiniget: Das iſt ihm eine groſſe Freude. Aber wenn die geliebte Perſon an- dere neben ihn liebet/ ſo betrachtet er dieſes als eine Rebellion/ und erzuͤrnet ſich uͤber dieſel- be mehr als uͤber ſeinen Mitbuhler/ zumahl/ wenn der Mitbuhler ihm ſeine Liebſte nicht abſpenſtig gemacht hat/ ſondern vielmehr von derſelben gereitzet worden/ als daß er ſie gereitzet haͤtte. Daferne er aber/ der Mitbuhler/ ſich bemuͤhet/ das Hertze ſeiner Liebſten zu gewinnen/ wird er zwar zum Haß und Zorn gegen ihn beweget wer- den/ aber nicht ſo wohl aus Eyferſucht/ als daß der andre ſich unterſtehe/ ſich ihm gleich zu ſchaͤ- tzen/ oder das/ was er nach den Regeln der Eh- re nicht theilen koͤnne/ mit ihm zu theilen. Und wird dieſer Haß oder Zorn ſchon ſo ſtarck und ge- waltig nicht ſeyn/ wenn der Mitbuhler ſo zu re- den durch ſeine meriten das Hertz zu gewinnen ſucht/ als wenn er ſich bemuͤhet/ durch Luͤgen und Verleumdung ſeiner ſolches zu wege zu brin- gen. Ja wenn er ſelbſt das Hertz der geliebten Perſon noch nicht erhalten hat/ und einen Mit- buhler F f 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/463>, abgerufen am 30.11.2024.