Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er nie indifferent sey.
seyn/ und haben dannenhero die jenigen/ die zwar
gestehen/ der Zorn der Rachgierde sey etwas bö-
ses/ aber doch sey auch ein Zorn der das Böse su-
che loß zu werden/ was gutes/ nichts weiter er-
halten/ als daß der Zorn in uneigentlichen
Verstande nichts böses sey/ welches fast so viel
ist/ als wenn einer behauptete: Die Rose röche
gut/ und der andere wolte behaupten: die Rose
hätte gar keinen Geruch/ und verstände hernach
durch die Rose die Kranckheit die man also nen-
net. Denn gewiß/ dieser würde einen Streit ver-
gebens wider den ersten anfangen.

36. Es ist ja bey dem eigentlich so genan-
ten Zorn/ und der Rachgierde allemahl ein
Schmertzen wegen eines warhafften oder
eingebildeten Ubels
vorher gangen/ darauf her-
nach die Begierde selbiges Ubel loß zu werden/
und nach derselben (oder auch manchmahl zu
gleich) die Begierde dem Beleydigenden wieder
Wehe zu thun/ zu folgen pfleget. Nun erfor-
dert aber die Vernunfft/ daß man unterschie-
dene Dinge auch mit unterschiedenen Nah-
men nenne/ und daß man Dingen/ die schon
ihren eigenen Nahmen haben/ nicht des
andern Dinges eigenen Nahmen gebe/
da-
mit nicht eine confusion muthwillig verursachet
werde. Die Begierde sich zu rächen heisset mit
consens aller/ eigentlich Zorn. Die Empfin-

dung
Dd 5

daß er nie indifferent ſey.
ſeyn/ und haben dannenhero die jenigen/ die zwar
geſtehen/ der Zorn der Rachgierde ſey etwas boͤ-
ſes/ aber doch ſey auch ein Zorn der das Boͤſe ſu-
che loß zu werden/ was gutes/ nichts weiter er-
halten/ als daß der Zorn in uneigentlichen
Verſtande nichts boͤſes ſey/ welches faſt ſo viel
iſt/ als wenn einer behauptete: Die Roſe roͤche
gut/ und der andere wolte behaupten: die Roſe
haͤtte gar keinen Geruch/ und verſtaͤnde hernach
durch die Roſe die Kranckheit die man alſo nen-
net. Denn gewiß/ dieſer wuͤrde einen Streit ver-
gebens wider den erſten anfangen.

36. Es iſt ja bey dem eigentlich ſo genan-
ten Zorn/ und der Rachgierde allemahl ein
Schmertzen wegen eines warhafften oder
eingebildeten Ubels
vorher gangen/ darauf her-
nach die Begierde ſelbiges Ubel loß zu werden/
und nach derſelben (oder auch manchmahl zu
gleich) die Begierde dem Beleydigenden wieder
Wehe zu thun/ zu folgen pfleget. Nun erfor-
dert aber die Vernunfft/ daß man unterſchie-
dene Dinge auch mit unterſchiedenen Nah-
men nenne/ und daß man Dingen/ die ſchon
ihren eigenen Nahmen haben/ nicht des
andern Dinges eigenen Nahmen gebe/
da-
mit nicht eine confuſion muthwillig verurſachet
werde. Die Begierde ſich zu raͤchen heiſſet mit
conſens aller/ eigentlich Zorn. Die Empfin-

dung
Dd 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0437" n="425"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">daß er nie <hi rendition="#aq">indifferent</hi> &#x017F;ey.</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn/ und haben dannenhero die jenigen/ die zwar<lb/>
ge&#x017F;tehen/ der Zorn der Rachgierde &#x017F;ey etwas bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;es/ aber doch &#x017F;ey auch ein Zorn der das Bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;u-<lb/>
che loß zu werden/ was gutes/ nichts weiter er-<lb/>
halten/ als <hi rendition="#fr">daß der Zorn in uneigentlichen</hi><lb/>
V<hi rendition="#fr">er&#x017F;tande nichts bo&#x0364;&#x017F;es &#x017F;ey/</hi> welches fa&#x017F;t &#x017F;o viel<lb/>
i&#x017F;t/ als wenn einer behauptete: Die Ro&#x017F;e ro&#x0364;che<lb/>
gut/ und der andere wolte behaupten: die Ro&#x017F;e<lb/>
ha&#x0364;tte gar keinen Geruch/ und ver&#x017F;ta&#x0364;nde hernach<lb/>
durch die Ro&#x017F;e die Kranckheit die man al&#x017F;o nen-<lb/>
net. Denn gewiß/ die&#x017F;er wu&#x0364;rde einen Streit ver-<lb/>
gebens wider den er&#x017F;ten anfangen.</p><lb/>
        <p>36. Es i&#x017F;t ja bey dem eigentlich &#x017F;o genan-<lb/>
ten Zorn/ und der Rachgierde allemahl <hi rendition="#fr">ein<lb/>
Schmertzen wegen eines warhafften oder<lb/>
eingebildeten Ubels</hi> vorher gangen/ darauf her-<lb/>
nach die Begierde &#x017F;elbiges Ubel loß zu werden/<lb/>
und nach der&#x017F;elben (oder auch manchmahl zu<lb/>
gleich) die Begierde dem Beleydigenden wieder<lb/>
Wehe zu thun/ zu folgen pfleget. Nun erfor-<lb/>
dert aber die Vernunfft/ <hi rendition="#fr">daß man unter&#x017F;chie-<lb/>
dene Dinge auch mit unter&#x017F;chiedenen Nah-<lb/>
men nenne/ und daß man Dingen/ die &#x017F;chon<lb/>
ihren eigenen Nahmen haben/ nicht des<lb/>
andern Dinges eigenen Nahmen gebe/</hi> da-<lb/>
mit nicht eine <hi rendition="#aq">confu&#x017F;ion</hi> muthwillig verur&#x017F;achet<lb/>
werde. Die Begierde &#x017F;ich zu ra&#x0364;chen hei&#x017F;&#x017F;et mit<lb/><hi rendition="#aq">con&#x017F;ens</hi> aller/ eigentlich Zorn. Die <hi rendition="#fr">Empfin-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Dd 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">dung</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0437] daß er nie indifferent ſey. ſeyn/ und haben dannenhero die jenigen/ die zwar geſtehen/ der Zorn der Rachgierde ſey etwas boͤ- ſes/ aber doch ſey auch ein Zorn der das Boͤſe ſu- che loß zu werden/ was gutes/ nichts weiter er- halten/ als daß der Zorn in uneigentlichen Verſtande nichts boͤſes ſey/ welches faſt ſo viel iſt/ als wenn einer behauptete: Die Roſe roͤche gut/ und der andere wolte behaupten: die Roſe haͤtte gar keinen Geruch/ und verſtaͤnde hernach durch die Roſe die Kranckheit die man alſo nen- net. Denn gewiß/ dieſer wuͤrde einen Streit ver- gebens wider den erſten anfangen. 36. Es iſt ja bey dem eigentlich ſo genan- ten Zorn/ und der Rachgierde allemahl ein Schmertzen wegen eines warhafften oder eingebildeten Ubels vorher gangen/ darauf her- nach die Begierde ſelbiges Ubel loß zu werden/ und nach derſelben (oder auch manchmahl zu gleich) die Begierde dem Beleydigenden wieder Wehe zu thun/ zu folgen pfleget. Nun erfor- dert aber die Vernunfft/ daß man unterſchie- dene Dinge auch mit unterſchiedenen Nah- men nenne/ und daß man Dingen/ die ſchon ihren eigenen Nahmen haben/ nicht des andern Dinges eigenen Nahmen gebe/ da- mit nicht eine confuſion muthwillig verurſachet werde. Die Begierde ſich zu raͤchen heiſſet mit conſens aller/ eigentlich Zorn. Die Empfin- dung Dd 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/437
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/437>, abgerufen am 04.05.2024.